Rezension: Grimms Märchen - 19 - Das singende, springende Löweneckerchen / Die Wichtelmänner / Die Bienenkönigin
Verfasst: Do 18.12.2025, 14:37

Grimms Märchen - 19 - Das singende, springende Löweneckerchen / Die Wichtelmänner / Die Bienenkönigin
Zum Inhalt:
Das singende, springende Löweneckerchen:
Während die beiden älteren Töchter von ihrem Vater, der eine große Reise unternehmen muss, Perlen und Diamanten mitgebracht haben wollen, bittet die Jüngste nur um ein singendes, springendes Löweneckerchen. Doch dieser eigentlich so bescheidene Wunsch hat es in sich.
Die Wichtelmänner:
Drei Geschichten rund um die kleinen Wichtelmänner und wie sie den Menschen helfen.
Die Bienenkönigin:
Drei Königssöhne ziehen durch die Welt und begegnen dabei Ameisen, Enten und Bienen. Während die beiden älteren Brüder die Tiere ärgern oder gar töten wollen, hält der Jüngste seine schützende Hand über sie. Das zahlt sich später aus.
Zur Produktion:
Titania Medien hat sich auch dieses Mal liebevoll dreier zumindest mir zuvor nicht bekannt gewesener Märchen der Gebrüder Jacob (1785–1863) und Wilhelm (1786–1859) Grimm angenommen. Den Auftakt bildet "Das singende, springende Löweneckerchen", (Kinder- und Hausmärchen 88, nachfolgend mit KHM abgekürzt), welches erstmals 1815 veröffentlicht wurde. Da die drei Märchen (wie alle Geschichten der Gebrüder Grimm) im Internet zu finden sind, gehe ich nicht weiter auf deren Inhalt ein, sondern stelle lediglich die Unterschiede dar. Hörspielskriptautor Marc Gruppe hat hier gegenüber der literarischen Vorlage nur wenig verändert. Es gibt ein paar zusätzliche Dialoge, die die Handlung runder machen, und der zuvor namenlose Diener heißt nun Valerio. Darüber hinaus wurde die Sprache leicht modernisiert, so daß statt "eilfte" das heutzutage gebräuchliche "elfte" benutzt wird, während die "Küchlein" jetzt entsprechend "Küken" sind. Geschickterweise hat Gruppe auch noch einen kleinen Dialog eingeflochten, der erklärt, daß mit dem mysteriösen "Löweneckerchen" eine "Lerche" gemeint ist. Ebenfalls neu hinzu kam der klassische Abschlußsatz: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute".
Für "Die Wichtelmänner" (KHM 39) hat Marc Gruppe den überwiegenden Teil des Textes in Dialoge umgeschrieben, denn sonst hätte man daraus nur ein Hörbuch machen können. Inhaltlich bleibt er jedoch dicht an der Kurzgeschichte, lediglich das Ende des zweiten Wichtelabenteuers wurde von ihm noch passend erweitert.
Beim dritten und letzten Märchen "Die Bienenkönigin" (KHM 62) fällt vor allem eine Veränderung auf. Hier spricht das bei den Gebrüdern Grimm stumme "Graue Männchen" nicht nur, es gibt dem jüngsten Königssohn sogar einen entscheidenden Hinweis, damit dieser auch die dritte Aufgabe lösen kann. Außerdem stellt es den drei Brüdern die Aufgaben nicht nacheinander, sondern gleichzeitig, so daß jeder von ihnen sofort weiß, was auf ihn zukommt. Letztlich spielt das aber keine Rolle, da die drei, ganz wie in der Vorlage, die Herausforderungen der Reihe nach angehen. Neu ist lediglich der Abschlußsatz: "Und lebten glücklich und zusammen im Königsschloß bis an ihr seliges Ende".
Genauso einfühlsam wie die Skripte, fallen auch Produktion und Regie durch Stephan Bosenius und Marc Gruppe aus. Für die musikalische Untermalung aller drei Märchen greifen die beiden auf diverse Streichinstrumente (zB. Geige und Bass) und unterschiedliche Blasinstrumente (zB. Trompete, Flöte und Oboe) zurück. Für die orchestralen Stücke werden dann meist alle zugleich eingesetzt, was der Musik ungeheure Kraft und Tiefe verleiht.
Die erste Geschichte "Das singende, springende Löweneckerchen" wird mit einer Fanfare eingeleitet, was ich durchaus passend für diese episch inszenierten Märchen finde. Bei allen Erzählungen alternieren die Melodien zwischen tragend und fröhlich, je nachdem, was die Szene gerade verlangt. In "Die Wichtelmänner" bekommt man auch einige sehr bekannte klassische Stücke zu hören, deren Titel ich aber leider nicht kenne und entsprechend nicht benennen kann.
Zum Abschluß jedes Märchens wird aber immer eine harmonische Weise eingespielt, damit sich vor allem jüngere Hörer nach dem teils aufregenden Geschehen entspannen können.
Das Highlight ist für mich aber wieder einmal die schier unglaubliche Fülle an Geräuschen. Bei "Das singende, springende Löweneckerchen" wird eine Tür geöffnet, Schritte ertönen, draußen weht der Wind, die Vögel zwitschern, ein Pferd wiehert, und die titelgebende Lerche singt ein Lied. Während der Hochzeit ist eine große Menschenmenge zu hören, die Kutsche rattert lautstark durchs Geschehen, und die Saaltür hat einen ganz eigenen quietschenden Ton. Besonders beeindruckt haben mich die unterschiedlichen Flügelschläge. Bei der Taube klingen sie eher sanft und verhalten, während der Greif hörbar mit seinen großen, schweren Schwingen schlägt. Darüber hinaus rufen auch diverse Nachtvögel, unter anderem das berühmte "Titania-Käuzchen", und selbst die herabfallende Nuss macht ein Geräusch. Am Ufer das Meeres plätschern träge die Wellen, und die Möwen schreien ihr einsames Lied. Ebenfalls äußerst gelungen sind die Kampfgeräusche und das Brüllen des Löwen und des Lindwurms, wobei der Greif mich ein wenig an "Godzilla" erinnert hat. Die verschiedenen Winde fand ich nicht ganz so gut, weil sie mir zu sehr nach pustenden Menschen klangen. "Die Wichtelmänner" brauchen auf Grund der eingeschränkten Örtlichkeiten, in denen die Geschichten spielen, etwas weniger Geräuschuntermalung. Das Kaminfeuer prasselt leise, die Krähen krächzen, die Vögel zwitschern, und die Ziegen und Schafe meckern bzw. blöken. Selbstverständlich wurde auch so ein kleines, eher unscheinbares Geräusch, wie das Kehren mit dem Besen, nicht vergessen.
Im letzten Märchen "Die Bienenkönigin" galoppieren und wiehern die Pferde, am See platscht es im Wasser, und später summen die Bienen. Im Schloß klappern die Schlüssel, rascheln die Kleider, und eine Tür knarrt dermaßen, als sei sie seit Jahrhunderten nicht mehr geöffnet worden. Akustisches Highlight sind für mich aber der Donner und der Steinschlag, wenn die Protagonisten versteinern. In allen drei Märchen gibt es natürlich auch die klassischen "Zaubergeräusche", wann immer Magie im Spiel ist. Die Effekt beschränken sich auf Echo und Hall. Dergleichen gibt es etwa beim Ruf des Nachtwinds nach den anderen Winden, und auch die Schritte im menschenleeren Schloß hallen laut. Ebenfalls gut gelungen sind die sich entfernenden Schrittgeräusche, die nach und nach leiser werden.
Zu den Sprechern:
Bei allen Märchen ist stets Bodo Primus(Erzähler) im Einsatz. Er hat eine wunderbare Art, seinen Text einerseits treffend zu betonen, sich aber andererseits damit nicht in den Vordergrund zu drängen. Für mich eine mehr als würdige Besetzung des "Märchenonkels".
Das singende springende Löweneckerchen:
Rolf Berg(Vater) spricht ergreifend den liebevollen, später todunglücklichen Hausherrn, der sich gezwungen sieht, seine Lieblingstochter einem Löwen zu übergeben. Ingeborg Kallweit(Älteste) und Regine Lamster(Mittlere) intonieren mit viel Gusto die eingebildeten, neidischen Schwestern, die immer auf der Jüngsten herumhacken, während Katharina von Keller(Jüngste) im Gegensatz dazu ausgesprochen liebevoll und tapfer agiert. Die Arme muss viel durchmachen und schluchzt und weint entsprechend oft. Umso mehr freut man sich als Hörer, wenn ihr was Gutes widerfährt. Obwohl seine Rolle überschaubar bleibt, gelingt es Jonas Minthe(Diener Valerio) doch, einen soliden Eindruck als pflichtbewusster Bediensteter, der um sein Leben fürchtet, zu hinterlassen. Die raue Stimme von Jean Paul Baeck(Löwe) passt hervorragend zu dem von ihm dargestellten Raubtier. Auch wenn er zunächst sehr bedrohlich wirkt, schafft er es dank seines kraftvollen Spiels doch, dem Zuhörer im Verlauf der Handlung ans Herz zu wachsen. Die freundliche Stimme von Ursula Sieg(Sonne) passt genauso gut zu dem hilfsbereiten Himmelsgestirn, wie die ihres Pendants Michael Pan(Mond). David Berton(Nachtwind) tritt gut gelaunt auf und lässt es sich nicht nehmen, die Jüngste noch eindringlich zu warnen. Louis Friedemann Thiele(Ostwind), Jonas Minthe(Westwind) und Julian Tennstedt(Nordwind) können ihr leider auch nach reiflicher Überlegung nicht weiterhelfen, im Unterschied zum Vierten im Bunde, Bernd Kreibich(Südwind). Reinhilt Schneider(Königstochter) ist hier ausnahmsweise keine positive Figur, sondern trotz ihrer reizenden Stimme ein herrisches, egoistisches, besitzergreifendes Geschöpf. In weiteren Nebnrollen sind noch Louis Friedemann Thiele als verlegener Kammerdiener, der dann doch mit dem herausrückt, was er weiß, sowie Marlene Bosenius als glucksender Säugling und später als fröhliches Kind zu hören.
Die Wichtelmänner:
Willi Röbke(Schuster) ist prima als vom Schicksal gebeutelter Schuhmacher, der aber trotz allem optimistisch bleibt. Ihm zur Seite steht Luise Lunow(Schustersfrau), welche ebenfalls die Hoffnung nicht aufgeben will und sich später bei den Wichtelmännern auf ganz besondere Weise bedankt. Jonas Minthe(Käufer) spielt den großzügigen Kunden, Bernd Kreibich, David Barton, Julian Tennstedt(Wichtelmänner) sprechen die kleinen kichernden Kerle mit hohen Stimmen. In der Rolle der Dienerin agiert Reinhilt Schneider(Dienstmädchen) gut gelaunt, und es gelingt ihr, Emotionen wie Ratlosigkeit und Verwunderung auf den Hörer zu übertragen. Ursula Sieg(Dienstherrin) überzeugt ebenso als freundliche, großzügige Chefin, wie der erstaunte Michael Pan(Neue Herrschaft).
Regine Lamsters Portrait der weinenden Mutter ist herzergreifend, und man freut sich mit ihr, als sie endlich die Lösung für ihr Problem erhält.
Marc Gruppe(Wechselbalg), der den lachenden Vielfraß mit verstellter Stimme spricht, sorgt für eine gewisse Heiterkeit. In weiteren Nebenrollen kommen noch Ingeborg Kallweit(Nachbarin) als Ratgeberin und Marlene Bosenius(Säugling) als glucksendes Baby zu Gehör.
Die Bienenkönigin:
Jonas Minthe(Ältester Königssohn) und Julian Tennstedt(Mittlerer Königssohn) sind einfach großartig als wilde, ausgelassene Kerle, die sich gegenüber ihrem jüngsten Bruder sehr herablassend benehmen, und man traut ihnen die angekündigten Bosheiten gegenüber den Tieren jederzeit zu. Einen willkommenen Gegensatz bietet der tierliebe, bescheidene Louis Friedemann Thiele(Jüngster Königssohn), der sich stets dankbar zeigt. Willi Röbke(Graues Männchen) spricht den kleinen, freundlichen Kerl mit rauer Stimme, Philine Peters-Arnolds(Enten) "quakt" hilfsbereit, Bernd Kreibich(Ameisenkönig) intoniert den erleichterten Anführer mit heiserer Stimme, während Ingeborg Kallweit(Bienenkönigin) ihren Text mit viel Gesumme unterlegt. In weiteren Nebenrollen treten noch Regine Lamster(Älteste Königstochter), Katharina von Keller(Mittlere Königstochter) und Reinhilt Schneider(Jüngste Königstochter) als gerade geweckte, verwunderte Prinzessinnen auf, wobei es natürlich die besonders lieblich klingende Reinhilt Schneider ist, die sich in den Königssohn verliebt und ihn heiratet.
Fazit:
Fast 74minütiger Märchenhochgenuss - und das nicht nur zur Vorweihnachtszeit!
Das Hörspiel Grimms Märchen - 19 - Das singende, springende Löweneckerchen / Die Wichtelmänner / Die Bienenkönigin
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