Star Trek - Wohin mein Herz mich bringt
Verfasst: So 12.07.2009, 18:57
Hallo allerseits,
die folgende Geschichte ist das Ergebnis eines Fanfiction-Duells, zu welchem ich herausgefordert wurde. Ich hoffe, sie gefällt euch.
Disclaimer: STAR TREK und alle dazugehörigen Charaktere und Ereignisse sind Eigentum von Paramount Pictures. Verwendung ohne Genehmigung zu nicht-kommerziellen Zwecken.
STAR TREK
Wohin mein Herz mich bringt
von Kai Brauns
basierend auf STAR TREK von Gene Roddenberry
Computerlogbuch der PORTLAND, Sternzeit 10589,2, Captain Shadon. Nahe des Systems Alpha Centauri ist vor kurzem eine Raumanomalie aufgetaucht, die wir nun untersuchen sollen. Zu diesem Zweck haben wir auf der Erde eine wissenschaftliche Koryphäe der Sternenflotte an Bord geholt: Captain Spock. In seiner Karriere ist er schon sehr vielen Raumanomalien begegnet. Ich hoffe, er kann uns helfen, ich hätte ihn ungern umsonst an Bord.
Captain Shadon blickte auf den großen Hauptschirm, welcher eine Anomalie zeigte. Für ihn sah die Anomalie wie ein gewöhnliches Schwarzes Loch aus, mit blitzartigen Energieentladungen drumherum, welche an ein Gewitter erinnerten. Jedoch wusste er, dass es nicht einfach ein Schwarzes Loch sein konnte, denn es war buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht. Der Andorianer in ihm fragte sich, ob es sich möglicherweise um eine unbekannte Waffe handeln könnte. Die Romulaner hatten im vergangenen Jahr ein wahres Massaker während des Tomed-Zwischenfalls angerichtet, und ein Krieg konnte nur durch einen neuen Vertrag zwischen der Föderation und den Romulanern verhindert werden.
Wenn er ehrlich war, so hätte Shadon einen offenen Krieg gegen die Romulaner vorgezogen. Diese Spitzohren hatten Tausende von Föderationsangehörigen getötet. Sie hätten es büßen müssen. Stattdessen hatten sie diesen Vertrag, der ausgerechnet die Rechte der Föderation beschnitt, weil die ach so schutzbedürftigen Grünblüter sich bedroht fühlten.
Shadon zwang sich zur Selbstkontrolle. Er wusste, es hatte wenig Sinn, in diesem Augenblick die Romulaner von vornherein für irgendetwas verantwortlich zu machen, was möglicherweise nicht mal eine Gefahr darstellte. Er würde es Captain Spock – auch so ein Grünblüter – und seinem Wissenschaftsoffizier Hussein überlassen, Informationen über die Anomalie zu beschaffen. Ein Urteil konnte er auch später noch fällen.
Er wandte sich an die junge deltanische Yeoman, deren Namen er nicht behalten konnte und die er für sich allein schlicht Glatze nannte: „Melden Sie Captain Spock, dass wir die Anomalie erreicht haben. Er soll sich so schnell wie möglich mit Hussein an die Sensoren heften.“
„Aye, Sir,“ sagte Glatze mit einer Stimme, die Shadon viel zu sinnlich für den Brückendienst empfand.
Captain Spock streifte sich seine rote Uniformjacke über. Er trat an den Spiegel und betrachtete die Reflektion eines älteren Vulkaniers, der bald die Mitte seiner Lebenserwartung erreicht haben würde. Er knöpfte die Jacke sorgfältig zu und strich sie daraufhin glatt. Von der kleinen Ablage neben dem Spiegel nahm er sein Abzeichen und steckte es an seine linke Brust, wobei er streng darauf achtete, dass es gerade hing. Als er zufrieden war, nahm er den Gürtel, der ordentlich auf der Koje neben ihm lag, steckte ihn durch die Schlaufe am Rücken seiner Jacke und schloss ihn so, dass die Schnalle, welche ebenfalls das Zeichen der Sternenflotte abbildete, auf der Körpermitte lag. Nachdem er auch dies zu seiner Zufriedenheit beendet hatte, straffte er die Jacke erneut, indem er am unteren Ende zog. Spock sah seinem Spiegelbild in die Augen. Er war nun fast 80 Erdenjahre alt. Was machte er hier? Spock war von der Frage, die durch seinen Kopf schoss, überrascht. Natürlich war er hier, um eine Raumanomalie zu untersuchen. Aber warum?
Er erinnerte sich daran, dass man ihn erwartete. Philosophische Fragen störten ihn jetzt nur, deshalb schob er sie beiseite, ging zur Tür seines Quartiers, welche sich augenblicklich öffnete, und trat auf den Korridor hinaus.
„Es ist eindeutig kein Schwarzes Loch,“ merkte Lieutenant Commander Said Hussein an. „Tatsächlich verhält es sich sogar gegensätzlich zu einem Schwarzen Loch.“
Captain Shadon massierte seine Fühleransätze und wünschte sich, sein Wissenschaftsoffizier würde nicht so ausschweifen und konkreter werden. „In welcher Hinsicht, Mr. Hussein, verhält sich die Anomalie gegensätzlich zu einem Schwarzen Loch?“
In diesem Moment betrat Captain Spock die Brücke. „Ich bitte, meine Verspätung zu entschuldigen,“ sagte er an den Schiffskommandanten gewandt. Ohne auf eine Antwort zu warten trat er neben Hussein an die Wissenschaftskonsole und studierte die Sensorenanzeigen. „Faszinierend,“ entwich es ihm. „Captain, diese Anomalie saugt keine Materie an, wie es ein Schwarzes Loch tun würde, sondern scheint Materie auszustoßen. Recht unregelmäßig, wenn ich das hinzufügen darf.“
„Könnte die Materie eine Gefahr darstellen?“ fragte Shadon sofort.
„Ich glaube nicht,“ antwortete Hussein, doch er sah, wie Spock den Kopf schüttelte. Es war passiert. Er hatte in Anwesenheit dieser Legende etwas Falsches gesagt.
„Das lässt sich im Moment noch nicht sagen, Captain,“ meinte Spock, die Antwort Husseins ignorierend. „Wir müssen erst die ausgestoßene Materie näher analysieren. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich um sehr gefährliche Stoffe handelt, aber andererseits könnten sie auch völlig ungefährlich sein.“
Shadon nickte. Zum ersten Mal war er froh, den Vulkanier an Bord zu haben und sich nicht mit dem jungen Hussein begnügen zu müssen. „Stellen Sie das so schnell wie möglich fest. Wenn diese Anomalie oder das Zeug, das es ausspuckt, irgendwie gefährlich sein sollte, müssen wir das umgehend wissen.“
Captain Spock nickte nur und wandte sich wieder den Sensoren zu. „Nehmen wir die Materie unter die Lupe, Lieutenant Commander.“
„Aye, Sir,“ bestätigte Hussein und stellte die Sensoren neu ein. Gleich darauf kamen die Ergebnisse auf das Display. Verschiedene Gesteinsstrukturen, Wasser und...
„Organische Materie,“ sprach Spock wie in Trance aus. „Fokussieren Sie die Sensoren auf die organische Materie, Mr. Hussein.“
„Aye,“ hauchte der Mensch und gab die nötigen Befehle ein. Das Display änderte sich erneut und stellte nun neue Diagramme und Analysen dar. Das Ergebnis war noch erstaunlicher als die bisherigen. „Das ist vulkanische DNS,“ rief Hussein. „Wie kommt vulkanische DNS durch eine Raumanomalie?“
„Ein interessantes Rätsel,“ bemerkte Spock. „Es kann sich nicht um Überreste eines Raumschiffes handeln, dazu passen die anderen Materieanalysen nicht.“ Spock atmete tief durch. „Untersuchen Sie eine andere Probe organischer Materie.“
Der Wissenschaftsoffizier tat, wie ihm geheißen. „Die zweite Probe ist ebenfalls vulkanische DNS.“
„Eine weitere Probe,“ forderte Spock.
„Diese Probe scheint pflanzlich zu sein. Sieht nach Gespar aus.“
„Eine weitere Probe.“
„DNS von Fauna. Ein Le-matya.“ Hussein unterbrach seine Arbeit. „Das deutet alles auf Vulkan hin. Aber wie kann das sein? Vulkan ist Lichtjahre entfernt, und selbst wenn wir in der Nähe von Vulkan wären, wie gelangt diese Materie in den Weltraum?“
„Dies herauszufinden ist unsere Aufgabe als Wissenschaftler,“ bemerkte Spock.
Hussein war einen Moment verstört durch Spocks kühle Hinnahme der Fakten, immerhin war er vom Vulkan. Doch er erinnerte sich daran, dass Vulkanier die Logik zur Grundlage ihres Verhaltens machten und Emotionen unterdrückten. Der junge Mann fasste sich wieder und wandte sich zurück an seine Konsole. Ohne aufgefordert worden zu sein nahm er eine weitere Probe. Und stockte. „Menschliche DNS.“
Spock zog sofort eine Augenbraue in die Höhe. „Faszinierend. Mr. Hussein, kontaktieren Sie doch bitte Dr. Carlsson. Ich denke, wir brauchen seine Expertise.“
Dr. Arvid Carlsson war nur wenig älter als Lieutenant Commander Hussein. Soweit Spock bekannt war, hatten die beiden gemeinsam die Flottenakademie besucht und dort unter anderem zusammen Xeno-Biologie und -Anatomie belegt. Als Spock und Hussein identifizierbare DNS in der organischen Materie gefunden hatten, hatte Spock gleich an den Schiffsarzt gedacht, denn dieser hatte für seine Doktorarbeit eine außergewöhnliche Studie über mögliche Verfahren zur Wiederherstellung von beschädigter DNS vorgelegt.
Im Moment studierte Carlsson die bisherigen Erkenntnisse über das gefundene Gewebe der Vulkanier und des Menschen. Schließlich lehnte er sich zurück, legte die Hände flach auf den Konferenztisch und sagte: „Ich kann die Auswertung der Sensoren nur bestätigen. Die DNS-Stränge sind ziemlich eindeutig den Vulkaniern, beziehungsweise einem Menschen zuzuordnen.“
Spock nickte anerkennend. „Dr. Carlsson, wie stark spiegeln sich Gedächtnisengramme in der DNS wider?“
„Sie meinen, ob wir aus diesen DNS-Strängen Gedächtnisengramme gewinnen können?“ Carlsson dachte nach. „Nun, möglicherweise könnte man ein paar Engramme wiederherstellen, sofern genug Gewebe vorhanden ist. Engramme werden teilweise in DNS gespeichert, was vor allem der Entwicklung von Instinkten dient. Aber wir können diese Engramme technisch noch nicht übersetzen. Wir müssten schon einen Klon aus einem der DNS-Stränge schaffen, welcher dann über diese Erinnerungen verfügen würde. Aber wir können aus keinem dieser DNS-Stränge einen richtigen Klon schaffen, und die Engramme wären auf keinen Fall ausreichend, um ein vollständiges Gedächtnis zu bilden.“
Captain Shadon, der bislang ruhig zugehört hatte, meldete sich hier zu Wort: „Captain Spock, was möchten Sie mit dem Klonen dieser DNS bezwecken?“
Spock blickte den Andorianer eindringlich an. „Captain, wir haben kaum eine Möglichkeit, gefahrlos die Natur dieser Anomalie herauszufinden. Sie stößt Materie aus und wird weder unsere Sensoren noch eine Sonde hindurch lassen, geschweige denn ein Forschungsschiff. Soweit ich das erkennen kann, ist dieses DNS-Material unsere beste Chance, hinter die Natur dieser Anomalie zu kommen.“
„Die Vulkanier müssten wissen, was passiert ist,“ griff Hussein den Gedanken auf. „Natürlich! Wir müssen annehmen, dass die Materie vor der Passage durch die Anomalie noch in intaktem Zustand war. Diese Vulkanier haben die Anomalie wahrscheinlich auf der anderen Seite bereits kennengelernt.“
„Zumindest einige der Personen dürften über nähere Kenntnisse verfügen,“ merkte Spock an.
„In Ordnung,“ sagte Shadon. „Nehmen wir mal an, Sie haben Recht. Wäre es wegen der Schäden an den einzelnen DNS-Strängen nicht am besten, wenn wir verschiedene DNS-Stränge kreuzen würden?“
„Theoretisch ja,“ meinte Carlsson. „Leider verhält es sich dabei wie bei der Kreuzung von DNS auf natürlichem Wege, der Fortpflanzung. Die meisten gespeicherten Engramme werden bei einem solchen Vorgang gelöscht.“
„Da es uns auf diese Engramme ankommt, ist von dieser Prozedur abzuraten,“ folgerte Spock.
„In Ordnung, dann ein einzelner DNS-Strang,“ stellte Shadon fest. „Aber es gibt noch etwas, das mich interessieren würde: Die vulkanische DNS könnte auch von Romulanern stammen, oder?“
Spock zog seine rechte Augenbraue in die Höhe. „Physiologisch sind Vulkanier und Romulaner praktisch identisch, wobei es eine romulanische Subspezies gibt, die eine leichte genetische Mutation in den Schädelknochen aufweist. Tatsächlich könnte es sich bei den Personen, von denen diese DNS-Stränge stammen, Romulaner sein, was aufgrund der typisch vulkanischen Gesteine, Pflanzen und Tiere in dem Strudel aus Materie allerdings unwahrscheinlich ist.“
„Aber es ist möglich,“ beharrte Shadon.
Spock nickte. „Ja, es ist möglich.“
„Wir werden auf keinen Fall einen Romulaner klonen. Möglicherweise sind die Romulaner für diese Anomalie verantwortlich, und ein Klonen dieser eingestreuten DNS-Stränge wäre genau, was die wollen.“
Innerlich rumorte es in Spock, als er diese Worte des Kommandanten hörte. Für seine Spezies typisch war Shadon recht misstrauisch. In dieser Hinsicht waren sie den Romulanern ähnlicher, als Shadon wohl zugeben würde. Aber Spock erinnerte sich auch daran, dass das Misstrauen der Andorianer anderen Spezies gegenüber teilweise vom Verhalten der Vulkanier ihnen gegenüber in der Zeit vor der Föderation verursacht oder zumindest bestärkt worden war. Jedenfalls akzeptierte er die Entscheidung des Captains, wenn sie auch nicht seine Zustimmung fand. Also griff Spock nach dem einen Strohhalm, den er noch sah. „Wir könnten die menschliche DNS verwenden.“
Shadon blickte den Halbvulkanier überrascht an, als wäre er selbst nie auf diese Idee gekommen. Einen Augenblick dachte Shadon darüber nach. Schließlich wandte er sich an Dr. Carlsson: „Könnten Sie den Menschen klonen?“
„Prinzipiell, ja,“ sagte der Arzt. „Allerdings müssen wir die entsprechende Probe erst hier an Bord analysieren, bevor ich ein endgültiges Urteil darüber fällen kann. Aber selbst im besten Fall wird der Klon nicht gerade in idealer Verfassung sein, und mit mehr als ein paar Stunden Lebensdauer würde ich nicht rechnen.“
„In Ordnung,“ sagte Shadon. „Hiermit gebe ich Ihnen die Befugnis, die benötigte Materie an Bord zu beamen und daraus einen Klon herzustellen. Das wäre alles, meine Herren.“
Hussein und Carlsson standen auf und gingen aus dem Raum und machten sich auf den Weg zum medizinischen Labor, um die Vorbereitungen zu treffen. Spock blieb noch sitzen und beobachtete den Kommandanten der PORTLAND.
„Captain,“ sagte er schließlich, „ich möchte Ihnen für Ihr Vertrauen in die Expertise von meinen Kollegen und mir danken.“
Shadon blickte den älteren Mann überrascht an. „Ich habe noch nie davon gehört, dass sich ein Vulkanier für etwas bedankt hätte.“
„Abgesehen davon, dass Dankbarkeit durchaus unter Vulkaniern vollkommen normal ist, muss ich darauf hinweisen, dass ich zur Hälfte Mensch bin. Außerdem habe ich fast mein ganzes erwachsenes Leben in der Sternenflotte verbracht und bin daher mit den Bedürfnissen und Gepflogenheiten anderer Kulturen gut vertraut.“ Spock machte eine dramatische Pause, um das nächste Thema anzuschneiden. „Captain, mir scheint, als ob sie mit dieser Forschungsmission nicht ganz zufrieden sind. Auf einer persönlichen Ebene, meine ich.“
Der Andorianer atmete tief ein. „Tatsächlich bin ich nicht zur Sternenflotte gegangen, um Forschungsmissionen durchzuführen.“ Er blickte seinem Gegenüber in die Augen. „Ich bin ein Andorianer alter Garde, Captain Spock. Ich bin bei der Sternenflotte, um meine Welt und ihre Verbündeten zu verteidigen.“ Er stand auf und trat an ein Fenster, wobei er Spock den Rücken zukehrte.
„Und doch haben Sie das Kommando über ein Schiff übernommen, welches vorrangig der Forschung dienen soll,“ stellte Spock fest.
„Es gibt ja auch kaum Alternativen,“ entgegnete Shadon. „Seitdem der Krieg mit den Klingonen vorbei ist hat sich die Sternenflotte neu definiert. Die Verteidigung, die Vorbereitung auf Gefechte und Kriege, das spielt bei weitem nicht mehr eine solche Rolle, wie noch vor der Konferenz von Khitomer. Und weil die Sternenflotte sich natürlich beschäftigen musste, hat sie sich umso mehr auf die Forschung konzentriert. Fast alle neuen Schiffsklassen der letzten zwanzig Jahre sind für die Forschung konzipiert. Da haben auch die jüngeren Querelen mit den Romulanern nichts geändert. Tatsächlich scheint das Flottenkommando nach dem neuen Vertrag überzeugt zu sein, dass sich die Romulaner für längere Zeit abgeschottet haben.“ Shadon drehte sich um und sah wieder zu Spock hinüber. „Ich bin gefangen in einer Rolle, die meinem Wesen nicht entspricht, Captain. Mein Herz zieht mich in eine Richtung, welche derzeit nirgendwohin führt. Sie sollten sich glücklich schätzen, dass Sie Wissenschaftler sind.“
Spock war sich bei der letzten Bemerkung seines Gegenüber nicht ganz sicher.
Hussein und Carlsson hatten alle Vorbereitungen getroffen, um die DNS-Probe sicher an Bord zu beamen. Als dies geschehen war, nahm Dr. Carlsson die Probe in einem Stabilisierungsbehälter ins medizinische Labor und begann seine Analyse. „Wir haben Glück,“ sagte er. „Die DNS ist relativ gut erhalten. Ein Klonungsprozess dürfte weitgehend erfolgreich sein.“
„Sie sagten, dass die DNS relativ gut erhalten ist,“ stellte Spock fest. „Aber nicht vollkommen, nehme ich an.“
„Naja, es gibt natürlich starke Einschränkungen, aber diese waren zu erwarten.“
„Richtig, darauf hatten Sie hingewiesen. Können Sie bereits eine Prognose zur genetischen Stabilität machen?“
Der Schwede atmete schwer aus. „Der Körper dürfte nicht komplett hergestellt werden können. Teile, wahrscheinlich von den Extremitäten, werden wohl verkümmert sein. Es ist ein bruchstückhaftes Gedächtnis zu erwarten, und länger als drei Stunden werden wir den Klon nicht am Leben erhalten können.“
„In Ordnung,“ sagte Spock. „Da ich als Experte für Raumanomalien, nicht für Klonung, an Bord bin, werde ich diese Aufgabe Ihnen und Mr. Hussein überlassen. Ich übernehme die Wissenschaftstation auf der Brücke und nehme weitere Analysen der Anomalie vor.“
Hussein blickte ihn überrascht an. „Bei allem nötigen Respekt, Captain, aber ich bin ebenfalls kein Experte für Klonung.“
„Nein, aber Sie haben keine vergleichbare Erfahrung mit Raumanomalien wie ich,“ entgegnete Spock. „Des weiteren sind Sie und Dr. Carlsson miteinander vertraut, weswegen Sie ihm wohl besser assistieren können werden. Meine Herren, ich überlasse Sie nun Ihrer Arbeit.“ Der Vulkanier wandte sich um und ging zur Tür hinaus.
„Verdammt,“ sagte Hussein. „Immer wenn ich mit anhöre, wie ein Vulkanier eine logische Gedankenkette runterrasselt, komme ich mir wie der letzte Idiot vor.“
Carlsson bedachte seinen Freund mit einem wissenden Blick. „Said, du hast viel zu wenig Erfahrung mit Vulkaniern.“
„Zugegeben, bis auf Captain Spock habe ich Vulkanier bislang nur beiläufig kennengelernt.“
„Dann merke dir, Vulkanier benutzen logisch klingende Erklärungen meistens, um ihre tatsächlichen Beweggründe vor anderen und vor allem sich selbst zu verschleiern. Und jetzt machen wir uns besser an die Arbeit.“
Spock ließ die Sensoren mehrere verschiedene Scans in allen möglichen Spektren durchführen, aber sie ergaben nicht wirklich etwas neues. Mit gelassenem Blick starrte er auf die Anzeigen, doch mit den Ergebnissen beschäftigte er sich nur beiläufig. Immer wieder musste er an Shadons Worte denken. Über die Romulaner, über ihre Isolation. Und über Rollen, die man zu spielen hatte.
Nach einigen Stunden meldete sich Dr. Carlsson aus dem Labor: „Captain Spock, wir haben die Klonung erfolgreich durchgeführt. Und ich glaube, Sie sollten sofort hier herunter kommen.“
„Verstanden, Doktor,“ bestätigte Spock. „Geben Sie auch Captain Shadon Bescheid!“
„Nein, Sir,“ sagte Carlsson. „Ich denke, es wäre besser, wenn Sie allein kommen.“
Spock traute seinen Augen nicht. Sie wirkte so jung, trotz der Lähmung in ihrer rechten Körperhälfte und ihrem verkümmerten Unterleib.
„Es besteht kein Zweifel, Captain,“ sagte Carlsson und wandte sich von der Fensterscheibe ab, welche auf der anderen Seite verspiegelt war. „Die DNS ist eindeutig. Es ist Amanda Grayson. Ihre Mutter.“
Spock atmete tief durch. „Ich muss Sie korrigieren, Dr. Carlsson. Das ist nicht meine Mutter.“
„Nun, genau genommen ist es ein Klon Ihrer Mutter,“ gestand Carlsson ihm zu.
„Auch das ist nicht vollkommen korrekt,“ meinte Spock. „Meine Mutter starb vor knapp zehn Jahren. Mein Vater war bei ihr, als sie starb. Logischerweise kann sie daher nicht durch eine Raumanomalie geraten sein. Wenn sie also Amanda Grayson ist, aber nicht meine Mutter, dann muss sie logischerweise aus einem Paralleluniversum ähnlich dem unseren stammen.“
„Sie meinen, die Anomalie ist ein Portal in ein anderes Universum?“ fragte Hussein.
„Nein, Commander. Die Anomalie ist einseitig durchdringbar, also eher ein Portal aus einem anderen Universum.“
„Und wenn schon,“ warf Carlsson ein. „Diese Frau da drinnen mag nicht in letzter Konsequenz Ihre Mutter sein, aber sie werden doch irgendetwas für sie empfinden.“
„Natürlich, Doktor,“ antwortete Spock. „Sie ist Amanda Grayson, wie Sie schon sagten. Und wenn die genetischen Übereinstimmungen dermaßen überzeugend sind, dann wird dieses andere Universum dem unseren natürlich auch sehr ähnlich sein, wodurch auch diese Frau meiner Mutter sehr ähnlich sein dürfte.“
Sie schwiegen für einen Augenblick. Schließlich sagte Lieutenant Commander Hussein: „Wir haben bereits mit Captain Shadon über die Angelegenheit gesprochen. Er ist einverstanden, dass Sie die Befragung allein übernehmen.“
Spock nickte, sein Blick weiterhin auf die Frau hinter der Glasscheibe fixiert.
„Sie sagten, Ihr Vater wäre bei Ihrer Mutter gewesen, als sie starb,“ bemerkte Hussein in vorsichtigem Ton. „Was ist mit Ihnen?“
Spock seufzte für vulkanische Verhältnisse sehr traurig. „Ich war auf einer Mission für die Sternenflotte. Von ihrem Tod erfuhr ich erst Tage später.“
Carlsson senkte den Blick bedächtig. „Die Frau in diesem Bett wird innerhalb der nächsten zweieinhalb Stunden sterben,“ sagte er mitfühlend. „Ich nehme an, Sie möchten während dieser Zeit bei ihr sein?!“
Spock nickte und ging zu der Tür an der Seite des Raumes. Als sie sich quietschend in die Wand zurückzog, trat er langsamen Schrittes ein. Sofort spürte er ihren Blick auf sich ruhen.
„Spock!“ Ihre Stimme war kräftiger, als er erwartet hatte.
Einen Moment überlegte er, wie er sie ansprechen sollte. Doch letzten Endes verließ ihn die Logik, denn seine Emotionen ließen nur eine Anrede zu. „Hallo, Mutter.“ Er trat an ihr Bett und setzte sich auf einen Stuhl, welcher für ihn bereitstand. „Wie fühlst du dich?“
„Besser, jetzt wo ich dich sehe,“ antwortete sie. „Du siehst so alt aus.“
Spock nickte. „Ich bin 79 Erdenjahre alt, Mutter.“
Amanda sah ihn ungläubig an. „Wenn ich an dich denke,“ sagte sie in langsamem Rhythmus, „sehe ich dich in jungen Jahren vor mir. Als du dich zur Sternenflotte gemeldet hast.“ Ihr Blick fiel auf seine Uniform. „Du bist noch in der Sternenflotte?“
„Ich bin inzwischen im Rang des Captains,“ erwiderte er.
Amanda lächelte. „Es freut mich, dass du so viel erreicht hast.“
„Mutter, bevor wir weiter reden,“ unterbrach er sie, „muss ich dir eine Frage stellen. Was sind deine letzten Erinnerungen, bevor du in diesem Raum aufgewacht bist?“
Offensichtlich war die Frau verwirrt, aber wenn Spock sie so etwas fragte, musste es wichtig sein. Sie überlegte. „Ich erinnere mich an dein Gesicht. Wir waren auf Vulkan. Und du ...“ Sie legte eine Pause ein. „Du sahst besorgt aus.“
„Erinnerst du dich an die Anomalie?“
Amanda überlegte, doch schließlich schüttelte sie leicht den Kopf. „Nein,“ sprach sie es aus. „Es ist so wenig, woran ich mich erinnere.“
Spock seufzte und presste die Lippen aufeinander, als er der verspiegelten Seite des Fensters einen Blick zuwarf. Doch schnell wandte er sich wieder der Frau vor ihm zu. „Mutter, ich muss dir die Wahrheit sagen. Du bist aus einer alternativen Zeitlinie gekommen, durch eine Raumanomalie. In dieser Zeitlinie bist du seit zehn Jahren tot.“
Amanda starrte ihren „Sohn“ schockiert an. „Das tut mir Leid.“
Spock war von dieser Antwort überrascht, aber letztendlich passte sie zu ihr. Seine Mutter hatte selten zuerst an ihr eigenes Wohl gedacht. „Da ist noch etwas,“ sagte er. „Die Reise durch die Anomalie hat deine DNS beschädigt. Wir können dich nicht mehr lange am Leben erhalten.“
Amanda legte mitfühlend ihre Hand an Spocks Wange. „Mein armer Spock,“ sagte sie. „Hast mich zurück, nur um mich wieder zu verlieren.“
Spock nahm Amandas Hand von seinem Gesicht und hielt sie fest. Inzwischen fiel es ihm bereits schwer, seine Emotionen zu zügeln.
„Erzähle mir von dir,“ bat sie. „Ich habe soviel versäumt.“
Spock senkte kurz den Blick, um sich zusammen zu reißen. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens im Weltraum verbracht. Fast dreißig Jahre war ich in der Gesellschaft einer Gruppe von Menschen, mit denen ich eine unvergleichbare Beziehung hatte. Ich erinnere mich, du hast sie gemocht. Vor allem, weil sie meine Freunde waren.“
Amanda lächelte erfreut. „Ich bin so froh, Spock. Als du klein warst, hattest du kaum Freunde.“
Spock nickte ein paar Mal. „Mein Eintritt in die Sternenflotte war die richtige Entscheidung. Obwohl Sarek damals dagegen war.“
Bei der Erwähnung von Sareks Namen weiteten sich Amandas Augen. „Wie geht es ihm?“
Spock zögerte. „Vater und ich ... sprechen nicht mehr sehr häufig, Mutter.“
Traurigkeit erfüllte ihr Gesicht. „Warum? Was ist passiert?“
Seine Augen waren auf ihre fixiert. Sollte er es ihr sagen? Sie hatte nur so wenig Zeit, warum sollte er ihre physischen Schmerzen durch mögliche Schuldgefühle verstärken. Aber er war ihr die Wahrheit schuldig. „Du bist gestorben,“ sagte Spock. Ihr gequälter Gesichtsausdruck brach ihm fast das Herz. „Du warst immer eine Art Vermittlerin zwischen Vater und mir. Als du nicht mehr warst ... mussten wir feststellen, dass wir unsere gegenseitige Anwesenheit nicht schätzten. Wir sehen uns noch von Zeit zu Zeit, aber wir wechseln nicht mehr viele Worte. Und unsere Meinungsverschiedenheiten werden uns wohl irgendwann endgültig entzweien.“
Amanda schloss die Augen, ein paar einzelne Tränen liefen über ihr Gesicht. „Es tut mir Leid, Spock. Ich wünschte, ich wäre für deinen Vater und dich nicht so wichtig gewesen.“
„Mutter, du warst mir so wichtig, weil du mir in meinem Leben geholfen hast. Du hast mich immer akzeptiert, egal wie ich war und welche Entscheidungen ich traf. Wärst du nicht gewesen, hätte ich vielleicht nie die Kraft gehabt, mich gegen die Wissenschaftsakademie und für die Sternenflotte zu entscheiden.“
Amanda blickte ihn mit großen Augen an. Das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. „Und dann hättest du nie deine Freunde kennen gelernt.“ Sie nickte verständnisvoll. „Sind sie hier?“
Spock schüttelte den Kopf. „Einer meiner beiden engsten Freunde ist vor einiger Zeit gestorben. Ein weiterer ist für die medizinische Fakultät der Sternenflottenakademie tätig. Die anderen sind entweder im Ruhestand oder auf anderen Posten.“
„Und hast du neue Freunde gefunden?“ fragte sie.
Spock zögerte. „Gute Bekannte. Aber keine Freunde.“
„Und doch bist du noch in der Sternenflotte,“ bemerkte sie.
„Um ehrlich zu sein,“ setzte er an, „ich bin mir nicht sicher, wie lange ich noch im aktiven Dienst verbleiben werde. Ich fürchte, dass ich nicht mehr mit vollem Einsatz bei der Arbeit bin.“
„Sie erfüllt dich nicht mehr?“
„Nein.“
„Und was hält dich noch in der Flotte?“
Spock dachte nach. „Ich weiß nicht, was ich sonst machen sollte.“
„Wann hat dich deine Arbeit zuletzt erfüllt?“
„Vor etwa zwanzig Jahren. Wir haben damals einen Friedensvertrag mit den Klingonen geschlossen. Sarek hatte mich mit den ersten Verhandlungen mit dem klingonischen Kanzler betraut.“
Amanda lachte. „Es scheint, du hast mehr mit deinem Vater gemein, als dir bewusst ist.“
Spock dachte über die letzten Punkte in ihrem Gespräch nach. „Du meinst, dass meine Interessen sich gewandelt haben. Dass ich eigentlich Diplomat sein sollte?!“
„Es war deine letzte Tätigkeit, der du dich voll hingegeben hast.“
Spock nickte. „Vielleicht ist es ein Gebiet, welchem ich mich widmen sollte. Bei der Friedenskonferenz habe ich mit einem romulanischen Delegierten über die Situation zwischen den Romulanern und den Vulkaniern gesprochen. Derzeit sind die Romulaner aber weitgehend abgeschottet vom Rest des Quadranten. Aber es wäre so anders, als die Tätigkeiten, denen ich bislang nachgegangen bin. Sollte ich dies wirklich weiterverfolgen?“
Amanda tätschelte Spocks Hand. „Geh, wohin dein Herz dich bringt. Und egal, wie du dich entscheidest, ... du wirst immer eine Mutter haben, die Stolz auf dich ist.“
Spock dachte über ihre Worte nach. „Es scheint, als wärst du auch jetzt noch wichtig für mich.“
Amanda schmunzelte. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck trauriger. „Wie lange habe ich noch?“
Spock blickte auf einen Chronometer an der Wand. „Nicht mehr ganz zwei Stunden.“
„Spock,“ sagte sie mit zerbrechlicher Stimme. „Du hast schon einmal deine Mutter verloren. Bist du sicher, dass du es ein zweites Mal verkraften wirst?“
Spock umschloss ihre Hände mit den seinen und lehnte sich nah an sie heran. „Ich bleibe bei dir, Mutter.“
Amanda nickte mit Tränen in den Augen. Sie lehnte sich in ihr Kissen zurück und schloss die Augen. Ihre Hand ruhte weiterhin in der ihres Sohnes.
Spock trat in die kleine Beobachtungskammer. Hussein, Carlsson und Shadon saßen auf Stühlen und blickten ihn erwartungsvoll an. „Mein aufrichtiges Beileid, Captain,“ sagte der Andorianer. „Mir ist klar, dass dies nicht leicht für sie war.“
Spock nickte. „Es war nicht leicht. Aber es war wichtig.“
„Unter den neuen Erkenntnissen können wir davon ausgehen, dass die vulkanische DNS dort draußen nicht von Romulanern stammt. Ich würde einer weiteren Klonung eines Vulkaniers zustimmen.“
„Davon würde ich abraten, Captain,“ erwiderte Spock. „Ich bezweifle, dass wir auf diesem Weg mehr erfahren werden. Und für den Klon wird dieses Dasein sehr schmerzhaft sein.“
Shadon nickte und wandte sich an Carlsson. „Doktor, ich glaube, wir sollten der Sternenflotte diese Methode nur unter großen ethischen Vorbehalten empfehlen. Wenn die Klone tatsächlich derart leiden, sollten sie nur in äußersten Notfällen geschaffen werden.“
„Einverstanden, Sir,“ stimmte Carlsson zu.
Nun wandte der Andorianer sich wieder Spock zu. Sein Blick verriet sein Mitgefühl. „Alles in Ordnung, Captain?“
Spock nickte zusichernd. „Ich bin in Ordnung, Captain Shadon.“ Er warf noch einen Blick durch die Scheibe auf den nun leblosen Körper, welcher unter einer dünnen Decke lag. „In Zukunft vielleicht sogar mehr, als bislang.“
Ende.
die folgende Geschichte ist das Ergebnis eines Fanfiction-Duells, zu welchem ich herausgefordert wurde. Ich hoffe, sie gefällt euch.
Disclaimer: STAR TREK und alle dazugehörigen Charaktere und Ereignisse sind Eigentum von Paramount Pictures. Verwendung ohne Genehmigung zu nicht-kommerziellen Zwecken.
Wohin mein Herz mich bringt
von Kai Brauns
basierend auf STAR TREK von Gene Roddenberry
Computerlogbuch der PORTLAND, Sternzeit 10589,2, Captain Shadon. Nahe des Systems Alpha Centauri ist vor kurzem eine Raumanomalie aufgetaucht, die wir nun untersuchen sollen. Zu diesem Zweck haben wir auf der Erde eine wissenschaftliche Koryphäe der Sternenflotte an Bord geholt: Captain Spock. In seiner Karriere ist er schon sehr vielen Raumanomalien begegnet. Ich hoffe, er kann uns helfen, ich hätte ihn ungern umsonst an Bord.
Captain Shadon blickte auf den großen Hauptschirm, welcher eine Anomalie zeigte. Für ihn sah die Anomalie wie ein gewöhnliches Schwarzes Loch aus, mit blitzartigen Energieentladungen drumherum, welche an ein Gewitter erinnerten. Jedoch wusste er, dass es nicht einfach ein Schwarzes Loch sein konnte, denn es war buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht. Der Andorianer in ihm fragte sich, ob es sich möglicherweise um eine unbekannte Waffe handeln könnte. Die Romulaner hatten im vergangenen Jahr ein wahres Massaker während des Tomed-Zwischenfalls angerichtet, und ein Krieg konnte nur durch einen neuen Vertrag zwischen der Föderation und den Romulanern verhindert werden.
Wenn er ehrlich war, so hätte Shadon einen offenen Krieg gegen die Romulaner vorgezogen. Diese Spitzohren hatten Tausende von Föderationsangehörigen getötet. Sie hätten es büßen müssen. Stattdessen hatten sie diesen Vertrag, der ausgerechnet die Rechte der Föderation beschnitt, weil die ach so schutzbedürftigen Grünblüter sich bedroht fühlten.
Shadon zwang sich zur Selbstkontrolle. Er wusste, es hatte wenig Sinn, in diesem Augenblick die Romulaner von vornherein für irgendetwas verantwortlich zu machen, was möglicherweise nicht mal eine Gefahr darstellte. Er würde es Captain Spock – auch so ein Grünblüter – und seinem Wissenschaftsoffizier Hussein überlassen, Informationen über die Anomalie zu beschaffen. Ein Urteil konnte er auch später noch fällen.
Er wandte sich an die junge deltanische Yeoman, deren Namen er nicht behalten konnte und die er für sich allein schlicht Glatze nannte: „Melden Sie Captain Spock, dass wir die Anomalie erreicht haben. Er soll sich so schnell wie möglich mit Hussein an die Sensoren heften.“
„Aye, Sir,“ sagte Glatze mit einer Stimme, die Shadon viel zu sinnlich für den Brückendienst empfand.
Captain Spock streifte sich seine rote Uniformjacke über. Er trat an den Spiegel und betrachtete die Reflektion eines älteren Vulkaniers, der bald die Mitte seiner Lebenserwartung erreicht haben würde. Er knöpfte die Jacke sorgfältig zu und strich sie daraufhin glatt. Von der kleinen Ablage neben dem Spiegel nahm er sein Abzeichen und steckte es an seine linke Brust, wobei er streng darauf achtete, dass es gerade hing. Als er zufrieden war, nahm er den Gürtel, der ordentlich auf der Koje neben ihm lag, steckte ihn durch die Schlaufe am Rücken seiner Jacke und schloss ihn so, dass die Schnalle, welche ebenfalls das Zeichen der Sternenflotte abbildete, auf der Körpermitte lag. Nachdem er auch dies zu seiner Zufriedenheit beendet hatte, straffte er die Jacke erneut, indem er am unteren Ende zog. Spock sah seinem Spiegelbild in die Augen. Er war nun fast 80 Erdenjahre alt. Was machte er hier? Spock war von der Frage, die durch seinen Kopf schoss, überrascht. Natürlich war er hier, um eine Raumanomalie zu untersuchen. Aber warum?
Er erinnerte sich daran, dass man ihn erwartete. Philosophische Fragen störten ihn jetzt nur, deshalb schob er sie beiseite, ging zur Tür seines Quartiers, welche sich augenblicklich öffnete, und trat auf den Korridor hinaus.
„Es ist eindeutig kein Schwarzes Loch,“ merkte Lieutenant Commander Said Hussein an. „Tatsächlich verhält es sich sogar gegensätzlich zu einem Schwarzen Loch.“
Captain Shadon massierte seine Fühleransätze und wünschte sich, sein Wissenschaftsoffizier würde nicht so ausschweifen und konkreter werden. „In welcher Hinsicht, Mr. Hussein, verhält sich die Anomalie gegensätzlich zu einem Schwarzen Loch?“
In diesem Moment betrat Captain Spock die Brücke. „Ich bitte, meine Verspätung zu entschuldigen,“ sagte er an den Schiffskommandanten gewandt. Ohne auf eine Antwort zu warten trat er neben Hussein an die Wissenschaftskonsole und studierte die Sensorenanzeigen. „Faszinierend,“ entwich es ihm. „Captain, diese Anomalie saugt keine Materie an, wie es ein Schwarzes Loch tun würde, sondern scheint Materie auszustoßen. Recht unregelmäßig, wenn ich das hinzufügen darf.“
„Könnte die Materie eine Gefahr darstellen?“ fragte Shadon sofort.
„Ich glaube nicht,“ antwortete Hussein, doch er sah, wie Spock den Kopf schüttelte. Es war passiert. Er hatte in Anwesenheit dieser Legende etwas Falsches gesagt.
„Das lässt sich im Moment noch nicht sagen, Captain,“ meinte Spock, die Antwort Husseins ignorierend. „Wir müssen erst die ausgestoßene Materie näher analysieren. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich um sehr gefährliche Stoffe handelt, aber andererseits könnten sie auch völlig ungefährlich sein.“
Shadon nickte. Zum ersten Mal war er froh, den Vulkanier an Bord zu haben und sich nicht mit dem jungen Hussein begnügen zu müssen. „Stellen Sie das so schnell wie möglich fest. Wenn diese Anomalie oder das Zeug, das es ausspuckt, irgendwie gefährlich sein sollte, müssen wir das umgehend wissen.“
Captain Spock nickte nur und wandte sich wieder den Sensoren zu. „Nehmen wir die Materie unter die Lupe, Lieutenant Commander.“
„Aye, Sir,“ bestätigte Hussein und stellte die Sensoren neu ein. Gleich darauf kamen die Ergebnisse auf das Display. Verschiedene Gesteinsstrukturen, Wasser und...
„Organische Materie,“ sprach Spock wie in Trance aus. „Fokussieren Sie die Sensoren auf die organische Materie, Mr. Hussein.“
„Aye,“ hauchte der Mensch und gab die nötigen Befehle ein. Das Display änderte sich erneut und stellte nun neue Diagramme und Analysen dar. Das Ergebnis war noch erstaunlicher als die bisherigen. „Das ist vulkanische DNS,“ rief Hussein. „Wie kommt vulkanische DNS durch eine Raumanomalie?“
„Ein interessantes Rätsel,“ bemerkte Spock. „Es kann sich nicht um Überreste eines Raumschiffes handeln, dazu passen die anderen Materieanalysen nicht.“ Spock atmete tief durch. „Untersuchen Sie eine andere Probe organischer Materie.“
Der Wissenschaftsoffizier tat, wie ihm geheißen. „Die zweite Probe ist ebenfalls vulkanische DNS.“
„Eine weitere Probe,“ forderte Spock.
„Diese Probe scheint pflanzlich zu sein. Sieht nach Gespar aus.“
„Eine weitere Probe.“
„DNS von Fauna. Ein Le-matya.“ Hussein unterbrach seine Arbeit. „Das deutet alles auf Vulkan hin. Aber wie kann das sein? Vulkan ist Lichtjahre entfernt, und selbst wenn wir in der Nähe von Vulkan wären, wie gelangt diese Materie in den Weltraum?“
„Dies herauszufinden ist unsere Aufgabe als Wissenschaftler,“ bemerkte Spock.
Hussein war einen Moment verstört durch Spocks kühle Hinnahme der Fakten, immerhin war er vom Vulkan. Doch er erinnerte sich daran, dass Vulkanier die Logik zur Grundlage ihres Verhaltens machten und Emotionen unterdrückten. Der junge Mann fasste sich wieder und wandte sich zurück an seine Konsole. Ohne aufgefordert worden zu sein nahm er eine weitere Probe. Und stockte. „Menschliche DNS.“
Spock zog sofort eine Augenbraue in die Höhe. „Faszinierend. Mr. Hussein, kontaktieren Sie doch bitte Dr. Carlsson. Ich denke, wir brauchen seine Expertise.“
Dr. Arvid Carlsson war nur wenig älter als Lieutenant Commander Hussein. Soweit Spock bekannt war, hatten die beiden gemeinsam die Flottenakademie besucht und dort unter anderem zusammen Xeno-Biologie und -Anatomie belegt. Als Spock und Hussein identifizierbare DNS in der organischen Materie gefunden hatten, hatte Spock gleich an den Schiffsarzt gedacht, denn dieser hatte für seine Doktorarbeit eine außergewöhnliche Studie über mögliche Verfahren zur Wiederherstellung von beschädigter DNS vorgelegt.
Im Moment studierte Carlsson die bisherigen Erkenntnisse über das gefundene Gewebe der Vulkanier und des Menschen. Schließlich lehnte er sich zurück, legte die Hände flach auf den Konferenztisch und sagte: „Ich kann die Auswertung der Sensoren nur bestätigen. Die DNS-Stränge sind ziemlich eindeutig den Vulkaniern, beziehungsweise einem Menschen zuzuordnen.“
Spock nickte anerkennend. „Dr. Carlsson, wie stark spiegeln sich Gedächtnisengramme in der DNS wider?“
„Sie meinen, ob wir aus diesen DNS-Strängen Gedächtnisengramme gewinnen können?“ Carlsson dachte nach. „Nun, möglicherweise könnte man ein paar Engramme wiederherstellen, sofern genug Gewebe vorhanden ist. Engramme werden teilweise in DNS gespeichert, was vor allem der Entwicklung von Instinkten dient. Aber wir können diese Engramme technisch noch nicht übersetzen. Wir müssten schon einen Klon aus einem der DNS-Stränge schaffen, welcher dann über diese Erinnerungen verfügen würde. Aber wir können aus keinem dieser DNS-Stränge einen richtigen Klon schaffen, und die Engramme wären auf keinen Fall ausreichend, um ein vollständiges Gedächtnis zu bilden.“
Captain Shadon, der bislang ruhig zugehört hatte, meldete sich hier zu Wort: „Captain Spock, was möchten Sie mit dem Klonen dieser DNS bezwecken?“
Spock blickte den Andorianer eindringlich an. „Captain, wir haben kaum eine Möglichkeit, gefahrlos die Natur dieser Anomalie herauszufinden. Sie stößt Materie aus und wird weder unsere Sensoren noch eine Sonde hindurch lassen, geschweige denn ein Forschungsschiff. Soweit ich das erkennen kann, ist dieses DNS-Material unsere beste Chance, hinter die Natur dieser Anomalie zu kommen.“
„Die Vulkanier müssten wissen, was passiert ist,“ griff Hussein den Gedanken auf. „Natürlich! Wir müssen annehmen, dass die Materie vor der Passage durch die Anomalie noch in intaktem Zustand war. Diese Vulkanier haben die Anomalie wahrscheinlich auf der anderen Seite bereits kennengelernt.“
„Zumindest einige der Personen dürften über nähere Kenntnisse verfügen,“ merkte Spock an.
„In Ordnung,“ sagte Shadon. „Nehmen wir mal an, Sie haben Recht. Wäre es wegen der Schäden an den einzelnen DNS-Strängen nicht am besten, wenn wir verschiedene DNS-Stränge kreuzen würden?“
„Theoretisch ja,“ meinte Carlsson. „Leider verhält es sich dabei wie bei der Kreuzung von DNS auf natürlichem Wege, der Fortpflanzung. Die meisten gespeicherten Engramme werden bei einem solchen Vorgang gelöscht.“
„Da es uns auf diese Engramme ankommt, ist von dieser Prozedur abzuraten,“ folgerte Spock.
„In Ordnung, dann ein einzelner DNS-Strang,“ stellte Shadon fest. „Aber es gibt noch etwas, das mich interessieren würde: Die vulkanische DNS könnte auch von Romulanern stammen, oder?“
Spock zog seine rechte Augenbraue in die Höhe. „Physiologisch sind Vulkanier und Romulaner praktisch identisch, wobei es eine romulanische Subspezies gibt, die eine leichte genetische Mutation in den Schädelknochen aufweist. Tatsächlich könnte es sich bei den Personen, von denen diese DNS-Stränge stammen, Romulaner sein, was aufgrund der typisch vulkanischen Gesteine, Pflanzen und Tiere in dem Strudel aus Materie allerdings unwahrscheinlich ist.“
„Aber es ist möglich,“ beharrte Shadon.
Spock nickte. „Ja, es ist möglich.“
„Wir werden auf keinen Fall einen Romulaner klonen. Möglicherweise sind die Romulaner für diese Anomalie verantwortlich, und ein Klonen dieser eingestreuten DNS-Stränge wäre genau, was die wollen.“
Innerlich rumorte es in Spock, als er diese Worte des Kommandanten hörte. Für seine Spezies typisch war Shadon recht misstrauisch. In dieser Hinsicht waren sie den Romulanern ähnlicher, als Shadon wohl zugeben würde. Aber Spock erinnerte sich auch daran, dass das Misstrauen der Andorianer anderen Spezies gegenüber teilweise vom Verhalten der Vulkanier ihnen gegenüber in der Zeit vor der Föderation verursacht oder zumindest bestärkt worden war. Jedenfalls akzeptierte er die Entscheidung des Captains, wenn sie auch nicht seine Zustimmung fand. Also griff Spock nach dem einen Strohhalm, den er noch sah. „Wir könnten die menschliche DNS verwenden.“
Shadon blickte den Halbvulkanier überrascht an, als wäre er selbst nie auf diese Idee gekommen. Einen Augenblick dachte Shadon darüber nach. Schließlich wandte er sich an Dr. Carlsson: „Könnten Sie den Menschen klonen?“
„Prinzipiell, ja,“ sagte der Arzt. „Allerdings müssen wir die entsprechende Probe erst hier an Bord analysieren, bevor ich ein endgültiges Urteil darüber fällen kann. Aber selbst im besten Fall wird der Klon nicht gerade in idealer Verfassung sein, und mit mehr als ein paar Stunden Lebensdauer würde ich nicht rechnen.“
„In Ordnung,“ sagte Shadon. „Hiermit gebe ich Ihnen die Befugnis, die benötigte Materie an Bord zu beamen und daraus einen Klon herzustellen. Das wäre alles, meine Herren.“
Hussein und Carlsson standen auf und gingen aus dem Raum und machten sich auf den Weg zum medizinischen Labor, um die Vorbereitungen zu treffen. Spock blieb noch sitzen und beobachtete den Kommandanten der PORTLAND.
„Captain,“ sagte er schließlich, „ich möchte Ihnen für Ihr Vertrauen in die Expertise von meinen Kollegen und mir danken.“
Shadon blickte den älteren Mann überrascht an. „Ich habe noch nie davon gehört, dass sich ein Vulkanier für etwas bedankt hätte.“
„Abgesehen davon, dass Dankbarkeit durchaus unter Vulkaniern vollkommen normal ist, muss ich darauf hinweisen, dass ich zur Hälfte Mensch bin. Außerdem habe ich fast mein ganzes erwachsenes Leben in der Sternenflotte verbracht und bin daher mit den Bedürfnissen und Gepflogenheiten anderer Kulturen gut vertraut.“ Spock machte eine dramatische Pause, um das nächste Thema anzuschneiden. „Captain, mir scheint, als ob sie mit dieser Forschungsmission nicht ganz zufrieden sind. Auf einer persönlichen Ebene, meine ich.“
Der Andorianer atmete tief ein. „Tatsächlich bin ich nicht zur Sternenflotte gegangen, um Forschungsmissionen durchzuführen.“ Er blickte seinem Gegenüber in die Augen. „Ich bin ein Andorianer alter Garde, Captain Spock. Ich bin bei der Sternenflotte, um meine Welt und ihre Verbündeten zu verteidigen.“ Er stand auf und trat an ein Fenster, wobei er Spock den Rücken zukehrte.
„Und doch haben Sie das Kommando über ein Schiff übernommen, welches vorrangig der Forschung dienen soll,“ stellte Spock fest.
„Es gibt ja auch kaum Alternativen,“ entgegnete Shadon. „Seitdem der Krieg mit den Klingonen vorbei ist hat sich die Sternenflotte neu definiert. Die Verteidigung, die Vorbereitung auf Gefechte und Kriege, das spielt bei weitem nicht mehr eine solche Rolle, wie noch vor der Konferenz von Khitomer. Und weil die Sternenflotte sich natürlich beschäftigen musste, hat sie sich umso mehr auf die Forschung konzentriert. Fast alle neuen Schiffsklassen der letzten zwanzig Jahre sind für die Forschung konzipiert. Da haben auch die jüngeren Querelen mit den Romulanern nichts geändert. Tatsächlich scheint das Flottenkommando nach dem neuen Vertrag überzeugt zu sein, dass sich die Romulaner für längere Zeit abgeschottet haben.“ Shadon drehte sich um und sah wieder zu Spock hinüber. „Ich bin gefangen in einer Rolle, die meinem Wesen nicht entspricht, Captain. Mein Herz zieht mich in eine Richtung, welche derzeit nirgendwohin führt. Sie sollten sich glücklich schätzen, dass Sie Wissenschaftler sind.“
Spock war sich bei der letzten Bemerkung seines Gegenüber nicht ganz sicher.
Hussein und Carlsson hatten alle Vorbereitungen getroffen, um die DNS-Probe sicher an Bord zu beamen. Als dies geschehen war, nahm Dr. Carlsson die Probe in einem Stabilisierungsbehälter ins medizinische Labor und begann seine Analyse. „Wir haben Glück,“ sagte er. „Die DNS ist relativ gut erhalten. Ein Klonungsprozess dürfte weitgehend erfolgreich sein.“
„Sie sagten, dass die DNS relativ gut erhalten ist,“ stellte Spock fest. „Aber nicht vollkommen, nehme ich an.“
„Naja, es gibt natürlich starke Einschränkungen, aber diese waren zu erwarten.“
„Richtig, darauf hatten Sie hingewiesen. Können Sie bereits eine Prognose zur genetischen Stabilität machen?“
Der Schwede atmete schwer aus. „Der Körper dürfte nicht komplett hergestellt werden können. Teile, wahrscheinlich von den Extremitäten, werden wohl verkümmert sein. Es ist ein bruchstückhaftes Gedächtnis zu erwarten, und länger als drei Stunden werden wir den Klon nicht am Leben erhalten können.“
„In Ordnung,“ sagte Spock. „Da ich als Experte für Raumanomalien, nicht für Klonung, an Bord bin, werde ich diese Aufgabe Ihnen und Mr. Hussein überlassen. Ich übernehme die Wissenschaftstation auf der Brücke und nehme weitere Analysen der Anomalie vor.“
Hussein blickte ihn überrascht an. „Bei allem nötigen Respekt, Captain, aber ich bin ebenfalls kein Experte für Klonung.“
„Nein, aber Sie haben keine vergleichbare Erfahrung mit Raumanomalien wie ich,“ entgegnete Spock. „Des weiteren sind Sie und Dr. Carlsson miteinander vertraut, weswegen Sie ihm wohl besser assistieren können werden. Meine Herren, ich überlasse Sie nun Ihrer Arbeit.“ Der Vulkanier wandte sich um und ging zur Tür hinaus.
„Verdammt,“ sagte Hussein. „Immer wenn ich mit anhöre, wie ein Vulkanier eine logische Gedankenkette runterrasselt, komme ich mir wie der letzte Idiot vor.“
Carlsson bedachte seinen Freund mit einem wissenden Blick. „Said, du hast viel zu wenig Erfahrung mit Vulkaniern.“
„Zugegeben, bis auf Captain Spock habe ich Vulkanier bislang nur beiläufig kennengelernt.“
„Dann merke dir, Vulkanier benutzen logisch klingende Erklärungen meistens, um ihre tatsächlichen Beweggründe vor anderen und vor allem sich selbst zu verschleiern. Und jetzt machen wir uns besser an die Arbeit.“
Spock ließ die Sensoren mehrere verschiedene Scans in allen möglichen Spektren durchführen, aber sie ergaben nicht wirklich etwas neues. Mit gelassenem Blick starrte er auf die Anzeigen, doch mit den Ergebnissen beschäftigte er sich nur beiläufig. Immer wieder musste er an Shadons Worte denken. Über die Romulaner, über ihre Isolation. Und über Rollen, die man zu spielen hatte.
Nach einigen Stunden meldete sich Dr. Carlsson aus dem Labor: „Captain Spock, wir haben die Klonung erfolgreich durchgeführt. Und ich glaube, Sie sollten sofort hier herunter kommen.“
„Verstanden, Doktor,“ bestätigte Spock. „Geben Sie auch Captain Shadon Bescheid!“
„Nein, Sir,“ sagte Carlsson. „Ich denke, es wäre besser, wenn Sie allein kommen.“
Spock traute seinen Augen nicht. Sie wirkte so jung, trotz der Lähmung in ihrer rechten Körperhälfte und ihrem verkümmerten Unterleib.
„Es besteht kein Zweifel, Captain,“ sagte Carlsson und wandte sich von der Fensterscheibe ab, welche auf der anderen Seite verspiegelt war. „Die DNS ist eindeutig. Es ist Amanda Grayson. Ihre Mutter.“
Spock atmete tief durch. „Ich muss Sie korrigieren, Dr. Carlsson. Das ist nicht meine Mutter.“
„Nun, genau genommen ist es ein Klon Ihrer Mutter,“ gestand Carlsson ihm zu.
„Auch das ist nicht vollkommen korrekt,“ meinte Spock. „Meine Mutter starb vor knapp zehn Jahren. Mein Vater war bei ihr, als sie starb. Logischerweise kann sie daher nicht durch eine Raumanomalie geraten sein. Wenn sie also Amanda Grayson ist, aber nicht meine Mutter, dann muss sie logischerweise aus einem Paralleluniversum ähnlich dem unseren stammen.“
„Sie meinen, die Anomalie ist ein Portal in ein anderes Universum?“ fragte Hussein.
„Nein, Commander. Die Anomalie ist einseitig durchdringbar, also eher ein Portal aus einem anderen Universum.“
„Und wenn schon,“ warf Carlsson ein. „Diese Frau da drinnen mag nicht in letzter Konsequenz Ihre Mutter sein, aber sie werden doch irgendetwas für sie empfinden.“
„Natürlich, Doktor,“ antwortete Spock. „Sie ist Amanda Grayson, wie Sie schon sagten. Und wenn die genetischen Übereinstimmungen dermaßen überzeugend sind, dann wird dieses andere Universum dem unseren natürlich auch sehr ähnlich sein, wodurch auch diese Frau meiner Mutter sehr ähnlich sein dürfte.“
Sie schwiegen für einen Augenblick. Schließlich sagte Lieutenant Commander Hussein: „Wir haben bereits mit Captain Shadon über die Angelegenheit gesprochen. Er ist einverstanden, dass Sie die Befragung allein übernehmen.“
Spock nickte, sein Blick weiterhin auf die Frau hinter der Glasscheibe fixiert.
„Sie sagten, Ihr Vater wäre bei Ihrer Mutter gewesen, als sie starb,“ bemerkte Hussein in vorsichtigem Ton. „Was ist mit Ihnen?“
Spock seufzte für vulkanische Verhältnisse sehr traurig. „Ich war auf einer Mission für die Sternenflotte. Von ihrem Tod erfuhr ich erst Tage später.“
Carlsson senkte den Blick bedächtig. „Die Frau in diesem Bett wird innerhalb der nächsten zweieinhalb Stunden sterben,“ sagte er mitfühlend. „Ich nehme an, Sie möchten während dieser Zeit bei ihr sein?!“
Spock nickte und ging zu der Tür an der Seite des Raumes. Als sie sich quietschend in die Wand zurückzog, trat er langsamen Schrittes ein. Sofort spürte er ihren Blick auf sich ruhen.
„Spock!“ Ihre Stimme war kräftiger, als er erwartet hatte.
Einen Moment überlegte er, wie er sie ansprechen sollte. Doch letzten Endes verließ ihn die Logik, denn seine Emotionen ließen nur eine Anrede zu. „Hallo, Mutter.“ Er trat an ihr Bett und setzte sich auf einen Stuhl, welcher für ihn bereitstand. „Wie fühlst du dich?“
„Besser, jetzt wo ich dich sehe,“ antwortete sie. „Du siehst so alt aus.“
Spock nickte. „Ich bin 79 Erdenjahre alt, Mutter.“
Amanda sah ihn ungläubig an. „Wenn ich an dich denke,“ sagte sie in langsamem Rhythmus, „sehe ich dich in jungen Jahren vor mir. Als du dich zur Sternenflotte gemeldet hast.“ Ihr Blick fiel auf seine Uniform. „Du bist noch in der Sternenflotte?“
„Ich bin inzwischen im Rang des Captains,“ erwiderte er.
Amanda lächelte. „Es freut mich, dass du so viel erreicht hast.“
„Mutter, bevor wir weiter reden,“ unterbrach er sie, „muss ich dir eine Frage stellen. Was sind deine letzten Erinnerungen, bevor du in diesem Raum aufgewacht bist?“
Offensichtlich war die Frau verwirrt, aber wenn Spock sie so etwas fragte, musste es wichtig sein. Sie überlegte. „Ich erinnere mich an dein Gesicht. Wir waren auf Vulkan. Und du ...“ Sie legte eine Pause ein. „Du sahst besorgt aus.“
„Erinnerst du dich an die Anomalie?“
Amanda überlegte, doch schließlich schüttelte sie leicht den Kopf. „Nein,“ sprach sie es aus. „Es ist so wenig, woran ich mich erinnere.“
Spock seufzte und presste die Lippen aufeinander, als er der verspiegelten Seite des Fensters einen Blick zuwarf. Doch schnell wandte er sich wieder der Frau vor ihm zu. „Mutter, ich muss dir die Wahrheit sagen. Du bist aus einer alternativen Zeitlinie gekommen, durch eine Raumanomalie. In dieser Zeitlinie bist du seit zehn Jahren tot.“
Amanda starrte ihren „Sohn“ schockiert an. „Das tut mir Leid.“
Spock war von dieser Antwort überrascht, aber letztendlich passte sie zu ihr. Seine Mutter hatte selten zuerst an ihr eigenes Wohl gedacht. „Da ist noch etwas,“ sagte er. „Die Reise durch die Anomalie hat deine DNS beschädigt. Wir können dich nicht mehr lange am Leben erhalten.“
Amanda legte mitfühlend ihre Hand an Spocks Wange. „Mein armer Spock,“ sagte sie. „Hast mich zurück, nur um mich wieder zu verlieren.“
Spock nahm Amandas Hand von seinem Gesicht und hielt sie fest. Inzwischen fiel es ihm bereits schwer, seine Emotionen zu zügeln.
„Erzähle mir von dir,“ bat sie. „Ich habe soviel versäumt.“
Spock senkte kurz den Blick, um sich zusammen zu reißen. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens im Weltraum verbracht. Fast dreißig Jahre war ich in der Gesellschaft einer Gruppe von Menschen, mit denen ich eine unvergleichbare Beziehung hatte. Ich erinnere mich, du hast sie gemocht. Vor allem, weil sie meine Freunde waren.“
Amanda lächelte erfreut. „Ich bin so froh, Spock. Als du klein warst, hattest du kaum Freunde.“
Spock nickte ein paar Mal. „Mein Eintritt in die Sternenflotte war die richtige Entscheidung. Obwohl Sarek damals dagegen war.“
Bei der Erwähnung von Sareks Namen weiteten sich Amandas Augen. „Wie geht es ihm?“
Spock zögerte. „Vater und ich ... sprechen nicht mehr sehr häufig, Mutter.“
Traurigkeit erfüllte ihr Gesicht. „Warum? Was ist passiert?“
Seine Augen waren auf ihre fixiert. Sollte er es ihr sagen? Sie hatte nur so wenig Zeit, warum sollte er ihre physischen Schmerzen durch mögliche Schuldgefühle verstärken. Aber er war ihr die Wahrheit schuldig. „Du bist gestorben,“ sagte Spock. Ihr gequälter Gesichtsausdruck brach ihm fast das Herz. „Du warst immer eine Art Vermittlerin zwischen Vater und mir. Als du nicht mehr warst ... mussten wir feststellen, dass wir unsere gegenseitige Anwesenheit nicht schätzten. Wir sehen uns noch von Zeit zu Zeit, aber wir wechseln nicht mehr viele Worte. Und unsere Meinungsverschiedenheiten werden uns wohl irgendwann endgültig entzweien.“
Amanda schloss die Augen, ein paar einzelne Tränen liefen über ihr Gesicht. „Es tut mir Leid, Spock. Ich wünschte, ich wäre für deinen Vater und dich nicht so wichtig gewesen.“
„Mutter, du warst mir so wichtig, weil du mir in meinem Leben geholfen hast. Du hast mich immer akzeptiert, egal wie ich war und welche Entscheidungen ich traf. Wärst du nicht gewesen, hätte ich vielleicht nie die Kraft gehabt, mich gegen die Wissenschaftsakademie und für die Sternenflotte zu entscheiden.“
Amanda blickte ihn mit großen Augen an. Das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. „Und dann hättest du nie deine Freunde kennen gelernt.“ Sie nickte verständnisvoll. „Sind sie hier?“
Spock schüttelte den Kopf. „Einer meiner beiden engsten Freunde ist vor einiger Zeit gestorben. Ein weiterer ist für die medizinische Fakultät der Sternenflottenakademie tätig. Die anderen sind entweder im Ruhestand oder auf anderen Posten.“
„Und hast du neue Freunde gefunden?“ fragte sie.
Spock zögerte. „Gute Bekannte. Aber keine Freunde.“
„Und doch bist du noch in der Sternenflotte,“ bemerkte sie.
„Um ehrlich zu sein,“ setzte er an, „ich bin mir nicht sicher, wie lange ich noch im aktiven Dienst verbleiben werde. Ich fürchte, dass ich nicht mehr mit vollem Einsatz bei der Arbeit bin.“
„Sie erfüllt dich nicht mehr?“
„Nein.“
„Und was hält dich noch in der Flotte?“
Spock dachte nach. „Ich weiß nicht, was ich sonst machen sollte.“
„Wann hat dich deine Arbeit zuletzt erfüllt?“
„Vor etwa zwanzig Jahren. Wir haben damals einen Friedensvertrag mit den Klingonen geschlossen. Sarek hatte mich mit den ersten Verhandlungen mit dem klingonischen Kanzler betraut.“
Amanda lachte. „Es scheint, du hast mehr mit deinem Vater gemein, als dir bewusst ist.“
Spock dachte über die letzten Punkte in ihrem Gespräch nach. „Du meinst, dass meine Interessen sich gewandelt haben. Dass ich eigentlich Diplomat sein sollte?!“
„Es war deine letzte Tätigkeit, der du dich voll hingegeben hast.“
Spock nickte. „Vielleicht ist es ein Gebiet, welchem ich mich widmen sollte. Bei der Friedenskonferenz habe ich mit einem romulanischen Delegierten über die Situation zwischen den Romulanern und den Vulkaniern gesprochen. Derzeit sind die Romulaner aber weitgehend abgeschottet vom Rest des Quadranten. Aber es wäre so anders, als die Tätigkeiten, denen ich bislang nachgegangen bin. Sollte ich dies wirklich weiterverfolgen?“
Amanda tätschelte Spocks Hand. „Geh, wohin dein Herz dich bringt. Und egal, wie du dich entscheidest, ... du wirst immer eine Mutter haben, die Stolz auf dich ist.“
Spock dachte über ihre Worte nach. „Es scheint, als wärst du auch jetzt noch wichtig für mich.“
Amanda schmunzelte. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck trauriger. „Wie lange habe ich noch?“
Spock blickte auf einen Chronometer an der Wand. „Nicht mehr ganz zwei Stunden.“
„Spock,“ sagte sie mit zerbrechlicher Stimme. „Du hast schon einmal deine Mutter verloren. Bist du sicher, dass du es ein zweites Mal verkraften wirst?“
Spock umschloss ihre Hände mit den seinen und lehnte sich nah an sie heran. „Ich bleibe bei dir, Mutter.“
Amanda nickte mit Tränen in den Augen. Sie lehnte sich in ihr Kissen zurück und schloss die Augen. Ihre Hand ruhte weiterhin in der ihres Sohnes.
Spock trat in die kleine Beobachtungskammer. Hussein, Carlsson und Shadon saßen auf Stühlen und blickten ihn erwartungsvoll an. „Mein aufrichtiges Beileid, Captain,“ sagte der Andorianer. „Mir ist klar, dass dies nicht leicht für sie war.“
Spock nickte. „Es war nicht leicht. Aber es war wichtig.“
„Unter den neuen Erkenntnissen können wir davon ausgehen, dass die vulkanische DNS dort draußen nicht von Romulanern stammt. Ich würde einer weiteren Klonung eines Vulkaniers zustimmen.“
„Davon würde ich abraten, Captain,“ erwiderte Spock. „Ich bezweifle, dass wir auf diesem Weg mehr erfahren werden. Und für den Klon wird dieses Dasein sehr schmerzhaft sein.“
Shadon nickte und wandte sich an Carlsson. „Doktor, ich glaube, wir sollten der Sternenflotte diese Methode nur unter großen ethischen Vorbehalten empfehlen. Wenn die Klone tatsächlich derart leiden, sollten sie nur in äußersten Notfällen geschaffen werden.“
„Einverstanden, Sir,“ stimmte Carlsson zu.
Nun wandte der Andorianer sich wieder Spock zu. Sein Blick verriet sein Mitgefühl. „Alles in Ordnung, Captain?“
Spock nickte zusichernd. „Ich bin in Ordnung, Captain Shadon.“ Er warf noch einen Blick durch die Scheibe auf den nun leblosen Körper, welcher unter einer dünnen Decke lag. „In Zukunft vielleicht sogar mehr, als bislang.“
Ende.