88 Minutes (USA, Deutschland, Canada / 2007)
Inhalt:
Psychiater Jack Gramm unterrichtet nicht nur als Professor am College in Seattle, sondern stellt seine besonderen Fähigkeiten auch in den Dienst des FBI. Ihm ist es zu verdanken, dass Serienkiller Jon Forster trotz unzulänglicher Beweise für schuldig erklärt wurde. Doch kurz vor Forsters Hinrichtung geschieht ein weiterer Mord, der in der gleichen bizarren Grausamkeit wie seine Vorgänger inszeniert wurde. Das Opfer ist keine Unbekannte für Jack, doch bevor er die Ermittlungen aufnehmen kann, klingelt sein Handy und eine verzerrte Stimme kündigt an, dass er in 88 Minuten sterben wird. Hat Jon Forster einen Handlanger außerhalb der Gefängnismauern oder sitzt womöglich ein Unschuldiger in der Todeszelle? Jack bleiben 88 Minuten, um sein Leben zu retten ...
Schauspielstar Al Pacino gehört schon seit langer Zeit mit zu den Darstellern die ich sehr gerne sehe. Besonders seine Verkörperung des Tony Montana in Brian De Palmas „SCARFACE“ ist mir immer noch in lebhafter Erinnerung. Diese Rolle ist schon einige Jahre her. Doch auch Jahre danach hat er nichts von seiner Wirkung auf mich eingebüßt. Einfach klasse seine Rolle in Michael Manns „HEAT“, sein Part in „AN JEDEM VERDAMMTEN SONNTAG“, oder seine Darstellung in dem Thriller „INSOMNIA“, oder sein Part in „DER EINSATZ“. Pacino besticht durch überzeugendes Minenspiel und eine beeindruckende Präsenz. Leider macht sich aber nun auch das Alter bei ihm breit, weswegen ich hinsichtlich seiner Rolle in „88 MINUTES“ etwas skeptisch war.
Boaz Davidson, Danny Dimbort, Trevor Short, Avi Lerner, diese Namen sollten mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Und wenn nicht, dann nenne ich als Vergleichsmoment einmal Menaham Golan und Yoram Globus. Letztere Namen bildeten die Produktionsfirma Cannon Films. Die Zuerst aufgeführten gehören bilden NU IMAGE eine Produktionsfirma, die durch Billigproduktionen bekannt wurde. Für den etwas höher budgetierten Bereich gründeten das Grüppchen die Millennium Films und so mauserte sich das Unternehmen zum Synonym für kurzweilige Unterhaltung, ganz so wie Cannon Films in den 80ern und beginnenden 90ern.
Erst kürzlich bekam Millennium Films einen Qualitätsschub mit Sylvester Stallones „JOHN RAMBO“, den sie zum Großteil finanzierten. Zuvor entstanden unter ihrer Führung zahlreiche Thriller und auch Horrorfilme, wie „THE WICKER MAN“ (mit Nicolas Cage), „THE BLACK DAHLIA“ (mit Josh Hartnett und Hilary Swank), „END GAME“ (mit Cuba Gooding Jr.), „UNTIL DEATH“ (Van Dammes bisher bestes aktuelles Werk) oder auch „THE CONTRACT“ (mit Morgan Freeman und John Cusack). Man sieht, hochrangige Stars sind in diesen Filmen vertreten und auch wenn die Filme inhaltlich nicht wegweisende Kracher sind, sondern nur ein bekanntes Konzept neu verwerten, so sind sie doch stets angenehm kurzweilig.
Regisseur Jon Avnet wurde nun engagiert um das Drehbuch Gary Scott Thompson zu verfilmen. Thompson ist nicht gerade der beste Drehbuchschreiber. Zwar gehen auf sein Konto Drehbücher zu Filmen, wie „SPLIT SECOND“, „HOLLOW MAN“ und „THE FAST AND THE FURIOUS“, doch ist er einer so komplexen Geschichte wie „88 MINUTES“ gewachsen?
Und auch Avnet gibt etwas Grund zu Skepsis, denn als Regisseur war nicht soo oft tätig. Jedoch ging „RED CORNER“ (mit Richard Gere) auf seine Kappe, weswegen er mit dem Thriller Genre wenigstens schon Erfahrung sammeln konnte.
Nun bekam er Gewalt über einen interessanten Cast an Darstellern. Allen voran sei natürlich der unvergleichliche Al Pacino erwähnt. Gleich daneben stehen William Forsythe (DAS BROOKLYN MASSAKER), Amy Brenneman (FÜR ALLE FÄLLE AMY), Leelee Sobieski (DEEP IMPACT), Alicia Witt (DUNE, DÜSTERE LEGENDEN), Deborah Kara Unger (PAYBACK – ZAHLTAG), Neal McDonough (STAR TREK – FIRST CONTACT).
Neben dem wieder ungemein beeindruckend spielenden Al Pacino gefällt mir besonders Neal McDonough, der vortrefflich den zum Tode verurteilten Mörder mimt. Und auch Leele Sobieski ist klasse. Ihre Qualitäten kommen leider aber erst am Ende zum Tragen. Alle übrigen spielen gut. Amy Brenneman wirkt wie in ihrer Fernsehserie und William Forsythe ist eigentlich immer sehr gut dabei. Lediglich Alicia Witt gefällt mir nicht so sehr, was aber wohl dem Drehbuch und der Rolle geschuldet ist.
Eine Geschichte, wie sie in „88 MINUTES“ zu erleben ist erfordert ein gutes Händchen bei der Regie, denn der Falsche Spannungsaufbau und zu früh gesetzte Zeichen können die Ganze Pointe versauen und das Geschehen schnell durchschaubar und damit vorhersehbar machen.
Jon Avnet ist dies nicht ganz gelungen und das liegt nicht wirklich an seiner Inszenierung, sondern auch am Skript.
Sehr gelungen finde ich die Charakterzeichnung von Pacinos Rolle des Dr. Jack Gramm. Dieser Part ist ja einer der wichtigsten des Filmes und dahingehend hat man sich auch große Mühe gegeben. Gramm ist nicht der liebe gute Professor, der Opfer eines bösartigen Spieles wird, sondern eher ein selbstsüchtiger und rücksichtsloser Patron, der auch schon mal zu nicht ganz legalen Mitteln greift um sein Ziel zu erreichen. Im Grunde ist er ein Schwein und zu Beginn empfindet man nur wenig Mitleid mit ihm. Im Verlauf des Filmes lernt man ihn jedoch besser kennen und verstehen. Wie ja schon erwähnt konnte mich Alicia Witts Spiel nicht überzeugen. In ihrem Part hat der Film einen klaren Schwachpunkt, denn ihr spiel wirkt übertrieben und ihre Rolle damit unglaubwürdig. Möglicherweise war das so gewollt um den Zuschauer im Unklaren über den wahren Täter zu lassen. Wenn, dann hat man nicht ganz die richtigen Hebel gezogen. Auch alle anderen Rollen bleiben eher blass, trotz das Hintergründe vermittelt werden. Das macht den Film in der Gesamtheit betrachtet oberflächlich.
Oberflächlich auch, weil dem aufmerksamen Zuschauer schon sehr früh Zweifel in gewissen Szenen kommen und sich Charaktere in höchstem Maße verdächtig machen. Auch hier kann man Absicht vermuten. Weniger wäre aber mehr gewesen.
Ganz verkehrt ist Avnets Stil aber nicht. Die Kameraführung und der Schnitt machen den Zuschauer beinahe genauso paranoid wie den Hauptdarsteller. Überall vermutet man den Täter, oder wenigstens jemanden der in der Sache mit drinnen steckt. In dem Fall, in kurzen Momenten das zu zeigen was Gramm an einem anderen auffällt, oder an einem Ort auffällt, ist ein guter Schachzug und es schafft eine ganz gelungene Thriller Atmosphäre.
Untermalt wird das Geschehen von einem unauffälligen Score, der in den Autoszenen, in denen das Geschehen oft im Weitwinkel von oben gefilmt wird, in eine gelungene Melodie wechselt, die zusätzliche Atmosphäre schafft. In diesem Punkt kann Komponist Ed Sheamur gut überzeugen.
Das Highlight von „88 MINUTES“ sehe ich im Finale. In der Auflösung, in welcher alles auf den Tisch kommt und auch der wahre Täter sein Fett weg kriegt. Hier können alle Stars überzeugen und stimmen Dramatisierung und Handlung sehr gut überein. Und dieses Finale macht auch so manch verpatzte Szene vergessen.
„88 MINUTES“ ist ein unterhaltsamer Thriller, der durchaus bis zum packenden Finale kurzweilig zu unterhalten versteht. Die sehr gute Darstellerriege kann oft Akzente setzen aber leider nicht jeden Patzer von Drehbuch und Regie abfangen. So wirkt der Film an manchen Stellen oberflächlich, da das Drehbuch nicht bis ins Detail ausgearbeitet wurde und Jon Avnet an manchen Stellen zu sorglos mit der Inszenierung umgeht und somit Übertreibungen und Unglaubwürdigkeiten dem Film schaden. Es macht ihn auch zum etwas minderen Kinofilm, der sicher schon bald wieder vergessen ist.
Ich wurde trotz allem angenehm unterhalten, denn im großen Ganzen ist der Film gelungen. Er hat eine gute Atmosphäre, gute Schauspieler und einen guten Score und ist in einem guten, optischen Stil gehalten.
Der Punkt mit den ständigen Handy Telefonaten stört mich hingegen etwas. Zum einen schätze ich solche Szenen nie wirklich, da sie für mich ein gewisses Defizit auszeichnen. Zum anderen macht es den Film zum Zeitprodukt, zum eindeutigen Produkt seiner Entstehungszeit.
Wertung:
Die DVD
Die DVD Auflage würde ich als gut bezeichnen. Das Bild und der Ton können überzeugen und die Extras sind solide, wenn auch nicht sonderlich reichhaltig. Kinotrailer in Deutsch und Englisch, ein Werbe Making-of, eine Bildergalerie, Biografietexttafeln zu Al Pacino und Trailer zu anderen Titeln aus dem Programm von Kinowelt, sind nicht wirklich berauschend, aber dennoch solide.
Wertung: 