King Kong (2005)
Der neue KING KONG ist großes Kino, das gilt vor allem im quantitativen, aber glücklicherweise zum großen Teil auch im qualitativen Sinn. Schon die Exposition sprengt den Rahmen des Originals bereits bei weitem. Der Zuschauer wird in die Zeit der amerikanischen Depression eingeführt, was 1933 nicht nötig war, aber in einem heutigen Film durchaus angebracht ist, und lernt dabei schon einmal zwei der menschlichen Protagonisten des Films, Carl Denham und Ann Darrow, näher kennen, bevor diese das erste Mal aufeinandertreffen. Das bekommt vor allem der Figur der letzteren sehr gut. Später auf der Schiffsreise wird dieser Stil dann fortgesetzt. Peter Jackson läßt sich Zeit, die eine ganze Reihe von Charakteren dem Publikum zumindest so nahe zu bringen, daß es mitfühlen kann, wenn die Crew später auf der Insel dezimiert wird. Außerdem wird auf der Fahrt eine Menge Seemannsgarn gesponnen, das die kommenden Gefahren sehr stimmungsvoll andeutet. Diese Zutaten machen die Einführung in meinen Augen zum gelungensten Teil des Films, der den Ur-King-Kong tatsächlich in manchen Beziehungen in den Schatten stellen kann.
Die Episode auf Skull-Island, im Original mein liebster Abschnitt des Films, fällt dagegen merklich ab, was aber nicht bedeutet, das sie wirklich schlecht wäre. King Kong wirkt charakterlich wie eine Mischung aus seinem 33er und seinem 76er Pendant. Er ist auf der einen Seite ein schreckliches Untier, trägt auf der anderen aber auch wirklich liebenswerte Züge. Auf dieser Basis bleibt Ann nicht einfach das verschleppte Opfer, sondern es entwickelt sich eine regelrechte Romanze zwischen den beiden, die Anns Beziehung zu Jack Driscoll, die sich auf dem Schiff näher gekommen waren, beinahe in den Hintergrund drängt. Das mag sich fürchterlich anhören, funktioniert aber erstaunlich gut, ja, es ist geradezu die Seele des Films. Peter Jacksons KING KONG ist in seinem Grundton ein eher besinnlicher Film. Was es an der Insel-Episode für meinen Geschmack auszusetzen gibt, steht hiermit in engen Zusammenhang. Die Sequenzen, die der Verfolgung des Expeditionsteams durch den Brontosaurus und dem Kampf zwischen Kong und dem Tyrannosaurus entsprechen - ich will nichts vorwegnehmen - passen in ihrer Inszenierung einfach nicht in diese Atmosphäre. Hier hat Jackson offenbar seinem Spieltrieb keinen Einhalt gebieten können und zwei endlos lange visuelle Achterbahnfahrten in Szene gesetzt, die bestimmt gut in einer IMAX-Show unterbracht wären, aber im klassischen erzählenden Kino, und vor allem in diesem Film eher deplaziert wirken. Hier wäre weniger einmal wieder mehr gewesen.
Wenn die Szene nach New York wechselt, legt der Film jedoch wieder deutlich zu. Kongs zerstörerischer Streifzug durch die Metropole schafft den Balanceakt, rasante Action zu liefern und dabei dennoch das für die eigentliche Geschichte Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren, und das Finale des Films wirklich rührend. Jackson erzählt seinen KING KONG als ein zu Herzen gehendes Märchen ohne Happy-End. Leider hat er dabei manchmal die eingeschlagene Linie verlassen, aber im großen und ganzen doch einen sehr schönen Film abgeliefert. Viel dazu bei trägt Naomi Watts, die eine Ann gibt, bei der man die Gefühle von Kong und Jack durchaus nachvollziehen kann. Ein weiterer Pluspunkt sind die häufigen, teilweise sehr witzigen Anspielungen auf das große Vorbild, das 33er Original. Leider mußte ich im Kino feststellen, daß es kaum jemanden im Saal gab, der sie verstanden hat. Für die meisten ist KING KONG vermutlich nichts anderes als der neue Blockbuster von Peter Jackson, und als solcher funktioniert er wahrscheinlich gerade in den Momenten besonders gut, die ich hier kritisiert habe, und wirkt in dem, was mir gefallen hat, vielleicht etwas schwülstig. Denn nach dem Mischungsverhältnis im Publikum zu urteilen ist KING KONG eher ein Männerfilm, und längst nicht jeder ist so ein Bollywood-verweichlichtes Ei wie ich.
Gruß
Gezora