Elysium (USA, Kanada, Mexico, 2013)
Die Erde im Jahr 2154 ist hoffnungslos überbevölkert, vermüllt und zu einem einzigen Slum verkommen, in dem die Menschenmassen ein trostloses und unwürdiges Alptraumdasein fristen. Die
Happy Few haben sich derweil gottgleich auf die Raumstation Elysium abgesetzt, die unerreichbar und wie ein Traum über den Köpfen der Habenichtse schwebt.
Max Da Costa ist einer von ihnen und hat das zweifelhafte Glück, zumindest noch für einen Hungerlohn in einer Rüstungsfabrik arbeiten zu dürfen. Einer der Polizeiroboter, an deren Fertigung er alltäglich beteiligt ist, bricht ihm auf eine ironische Bemerkung hin den Arm. Jederzeit künd- und erpressbar, erscheint er nach einem Abstecher ins Krankenhaus dennoch auf der Arbeit, wo die Lautsprecher zu nur einem einzigen erlaubten Toilettengang pro Schicht ermahnen. Unter Druck seines Vorgesetzten, ihn bei Weigerung ohne Probleme austauschen zu können, lässt Max sich zu einer lebensgefährlichen Reparaturarbeit drängen, bei der er radioaktiv verstrahlt wird und nurnoch fünf Tage zu leben hat. Von einigen Rebellen und Schleusern zur Kampfmaschine umgebaut, verschafft er sich mit Hoffnung auf Heilung durch die überlegenen medizinischen Gerätschaften auf Elysium Zutritt zur Raumstation und wird schließlich zum Erlöser der geknechteten Menschheit.
Neill Blomkamp drehte
Elysium in ausdrücklich gesellschaftskritischer Absicht, die auf ein persönliches Erlebnis an der mexikanischen Grenze zurückgeht, in dessen Folge ihn „
dieses Bild von den mexikanischen Slums und dem Schutzwall der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft“ nicht mehr losließ. Die Kritik stufte Elysium sodann als einen „
linksliberalen Blockbuster“ (Spiegel) ein und sprach von einer „
stramm linken, leider immer wieder plakativ-naiv formulierten Message“ (Süddeutsche).
Genau genommen, bleibt
Elysium sowohl hinter dem eigenen Anspruch als auch hinter dem, was die Kritik erwarten ließe, zurück. Die unüberwindliche Klassenschranke soll hier typisch amerikanisch-individualistisch durch einen Einzelkämpfer durchbrochen werden, der seine Bestimmung, Großes zu vollbringen, schon in Kindheitsjahren von einer Betschwester prophezeit bekommt – eine Prise christlicher Kitsch darf schließlich auch nicht fehlen. Zum einen haben Aufstände nur durch geordneten Austausch und einen hohen Grad an Organisiertheit der Unterdrückten untereinander Aussicht auf Erfolg, zum anderen bedarf es keines auserkorenen Charakters, sondern bloß gesunden Menschenverstand, Solidarität und einen Funken Courage, um sich gegenüber den vorgefundenen Herrschaftsverhältnissen wehrhaft zu zeigen. In diesen Punkten bleibt
Elysium ein entsetzlich irreführender und megalomanischer Kleinjungentraum, der einer kurzfristigen Adrenalinausschüttung im Kinositz so viel schmeichelt, wie ihm ein ernstzunehmender Appell zum schlagkräftigen Zusammenschluss der prekarisierten Massen abgeht.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft Blomkamps selbsternannte Zielscheibe, die „
amerikanische Wohlstandsgesellschaft“, die er in Kontrast mit den mexikanischen Slums, in denen tatsächlich gedreht wurde, stellt. Hier wird eher in die Sozialneid-Kerbe geschlagen, als dass die Gegenpole in einem Klassenkampf gezeigt werden würden. Über welchen Wohlstand soll sich einer der unzähligen
Car Dweller oder die Durchschnittsfamilie in den USA erfreuen, die sich mühsam mit mehreren befristeten Jobs über Wasser hält? Sollen diese um ein annehmliches Leben gebrachten Existenzen sich noch besonders privilegiert fühlen? „Anderen geht es immerhin noch schlechter, da kann man noch froh sein!“ ist hier das immer gleiche, Abwärts- statt Aufwärtsvergleiche fördernde Mantra. Ihnen bleibt aber ebenso wie ihren mexikanischen Pendants in den Slums durch Geburtszufall die Chance auf Produktionsmittelbesitz – zumindest im Diesseits und im Wachzustand- verwehrt. Die auf dem Weg nach Elysium abgeschossenen Schleuser-Raumschiffe verweisen assoziativ zudem für die hiesigen Zuschauer auf die „Festung Europa“, womit erneut am eigentlichen Klassengegensatz vorbeigeschossen wird und ein Konflikt zwischen Flüchtlingen und EU-Bürgern, die sich wiederum
relativ privilegiert fühlen sollen, betont wird.
Davon ab, liefert
Elysium dennoch ein paar sehr anschauliche Metaphern für die Lebensumstände der breiten Masse unter globalisierten und US-monoimperialistischen Bedingungen. Das schikanierende Klogang-Limit in Max De Costas Rüstungsfabrik ist dabei noch am wenigsten bildlich – so dürfen Mitarbeiter in einer
Fabrik in Chicago nicht länger als sechs Minuten auf dem stillen Örtchen verbringen, ohne dass es zur Abmahnung kommt.
Besonders eindringlich ist der armbrechende Polizeiroboter, den Max selber fertigt. In Form der regulären Steuer ist man gezwungen, die eigene Unterdrückung in Form eines wuchernden Polizei- und Überwachungsapparat zu finanzieren, ebenso wie die dem Art. 26 GG Hohn redende, kriegstreiberische Unterdrückung von Leidensgenossen in anderen Staaten. Dank der GEZ-Propagandasteuer darf man auch noch das eigene Belogenwerden unterstützen, man denke aktuell nur an die Ukraine-„Berichterstattung“ oder die damaligen Massenvernichtungswaffen im Irak.
Ein terrestrisches Elysium stellen für die, die sich leisten können, die
Gated Communitys, wie etwa Alphaville in São Paulo dar, in denen ein Inseldasein, abgeschottet von dem Elend der besitzlosen Masse, möglich ist. Auch in Europa wird zunehmend öffentlicher Grund und Raum im Rahmen des
Crossborder-Leasings an amerikanische Privatinvestoren verschachert, womit transatlantisch über die Infrastruktur europäischer Städte entschieden werden kann.
Zuletzt bleiben noch die medizinischen Wunderheilungsmaschinen in Elysium anzuführen. Der Abbau von Kassenleistungen und Vorsorgeuntersuchungen und eine Gewöhnung an nebenwirkungsreiche Billigmedizin, die Zusatzversicherungen und private Investitionen in die eigene Gesundheit fast unerlässlich machen, stehen in starkem Kontrast zu den bereits realen medizinischen Möglichkeiten, wie etwa der bei vielen Krebserkrankungen lebensrettenden Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die von den Gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen wird.
Unter’m Strich kann
Elysium durchaus unterhaltsam auf die im wahrsten Sinne himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit hinweisen, greift aber bei weitem zu kurz und zu falsch und bleibt somit ein verwechselbarer Blockbuster, der sich zu unrecht mit einer freiheitlichen Stoßrichtung schmückt.