el-brazo hat geschrieben:Aber King Kong ist weit mehr als nur ein mutiertes Rieseninsekt. Er ist menschenähnlich, zeigt Gefühle und weckt sie auch beim Zuschauer. Er ist nicht nur eine Mörderbestie, sondern, wie schon das Thema "Beauty and the Beast", das den ganzen Film (auf eine allerdings recht verquaste Weise) durchzieht, anzeigt, eine tragische Gestalt von Format.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass eine solche Darstellung des Charakters des King Kong beabsichtigt war.
Ich weiß auch nicht, welche Version du kennst aber ich habe hier im Regal die rekonstruierte Version, die bereits vor rund 10 Jahren auf VHS erschienen ist. Du weißt ja sicher, dass sie damals bei der Kinofassung etliche Szene rausschneiden mussten. Dazu gehören auch Szenen, wo King Kong Menschen aus Wut zerstapft, zerkaut oder wegwirft.
Die primäre Absicht des Filmes war (auch anhand der infernalischen Schreie der Opfer) damals glasklar: Angst einjagen und Horror erzeugen vor dem Monster King Kong.
Der Film schildert seinen Niedergang (zuerst ist er ein Gott, dann ein sterbliches Tier, wenn auch allen anderen in seiner Umgebung überlegen, am Ende dann eine bloße Sensation, gefangen in einer Welt, gegen deren mächtige Gebäude er zwergenhaft und unbedeutend wirkt) ohne Triumph, sein Tod auf dem Empire State Building ist nicht ohne bewusst rührende Momente in Szene gesetzt.
Selbstverständlich ist King Kong eine tragische Gestalt aber diese Tragik wird am Ende mit Genugtuung zur Kenntnis genommen und nicht mit Mitgefühl und auch so dem Publikum vermittelt.
Es gibt im Original keine Ann Darrow, die sich angesichts der angreifenden Flugzeuge schützend vor King Kong stellt.
Man hat ihn erlegt wie einen Elefanten - der Mensch, die Krone der Schöpfung, hat heldenmutig die Wildheit der Natur in ihrer extremsten Form besiegt. Das ist für mich die Botschaft von 1933. Vielleicht nicht die ganze Botschaft aber der größte Teil davon.
Und nun zu den Menschen, in denen du durchweg die Guten siehst. Auch das ist m.E. nicht richtig, denn es gibt in KING KONG sowohl einen Helden als auch einen Anti-Helden. Der Held ist Jack Driscoll, den du leider als "harten Macho" falsch dargestellt hast: Was Driscoll über Frauen auf Schiffen sagt, entlarvt sich bereits nach kurzer Zeit im Film als das Gerede eines Mannes, der einfach keine Erfahrungen mit ihnen hat und daher verunsichert ist.
Naja, er ist und bleibt immer der Retter und Beschützer der hilflosen Frau, die sich nicht selber wehren kann und das entspricht der typischen Rollenverteilung der damaligen Zeit. Das habe ich ja auch nicht bestritten.
Ich finde es aber halt erfrischender, dass Driscoll in der 2005er Version ein stiller Schreiberling ist, der erst über sich hinauswachsen muss. Ich bevorzuge Filme, in denen die Charaktere im Laufe der Handlung eine Wandlung durchlaufen und nicht mehr dieselben sind, die sie am Anfang waren. Das gibt einfach mehr her.
Dieses Element fehlt in der 1933er Fassung vollkommen und so bleiben die Charaktere halt schablonenhaft - was du ja auch bestätigst.
Zu Denham: Ich weiß nicht, ob du die Orignalversion in Englisch oder eine deutsche Synchronversion kennst aber die Art, wie Denham im Original spricht, dieses stakkato-mäßige, draufgängerhafte (Weg da, jetzt komm ich!) in immer derselben Tonlage ohne jeglichen stillen Unterton, stellt für mich eindeutig eine Heroisierung dieses Charakters dar.
Man könnte es zwar auch als Skrupellosigkeit interpretieren. Dem entgegen steht aber die Tatsache, dass Cooper die Figur des Carl Denham sich selber nachempfunden hat. Ich glaube daher, dass die 1933er Darstellung des Carl Denham so geraten ist, wie sich Merian C. Cooper wohl selber gerne gesehen hat: Heroisch, draufgängerisch und risikobereit (was im Übrigen auch in die Zeit der Depression passt, denn damals brauchte man wohl solche Persönlichkeiten).
Damit schließe ich nicht aus, dass Denham auch 1933 diese tragische Komponente des letztendlich kompletten Versagens und des damit verbundenen finanziellen Ruins aufweist (von zu erwartenden Gerichtsverfahren ganz zu schweigen). Allerdings kommt das in der 2005er Version wesentlich deutlicher heraus.
Die 2005er Version nimmt durchgehend die in der 1933er Version oft nur in ganz schwacher Andeutung enthaltenden Elemente und verstärkt sie, erzeugt dadurch mehr Plausibilität des Ganzen.
Das macht der Film so sehr deutlich, dass ich mich wundere, wie du es übersehen konntest. Es gibt eine Szene in KING KONG, wo es ganz klar wird: Driscoll hat gerade Ann erfolgreich aus allen Gefahren gerettet und stößt auf Denham und den Rest der Expedition. Driscoll hat nichts anderes im Sinn als Ann so schnell und so weit wie möglich aus der Gefahrenzone zu bringen, doch Denham passt dies nicht, da er einzig und allein an King Kong interessiert ist. Er fordert daher, ihn einzufangen. Driscoll lehnt ab. Er hält es für nicht machbar, worauf Denham vorschlägt, Ann als Köder zu benutzen, was Driscoll brüsk zurückweist.
Das ist Interpretationssache. Nachdem alle wieder glücklich zusammen sind und sich zum Gehen wenden, entspinnt sich folgender Dialog:
Denham: Wait a minute, what about Kong?
Driscoll: Well, what about him?
Denham: We came here to get a moving picture. But we found something worth more than all the movies in the world!
Capt. Engelhorn: What?
Denham: We've got those gas bombs and we can capture him alive!
Driscoll: Are you crazy! Besides that he's on a cliff where a whole army couldn't get at him.
Denham: Yeah, if he stays there... But we've got something he wants.
Driscoll: Yes, something he won't get again.
Matrose (von der Mauer herunter):
HEY LOOK OUT! IT'S KONG! KONG's COMING!
Einen Grund, Ann als Köder zu benutzen, gibt es also nicht, denn Kong kommt von ganz alleine.
Denhams Aussage, sie hätten etwas, dass Kong wolle, dient daher meines Erachtens nicht als Vorschlag, sie als Köder zu benutzen, sondern als Hinweis auf die Tatsache, dass sie das bereits ist!
Denham hat begriffen, dass Kong auf jeden Fall kommen wird - er regt meines Erachtens lediglich an, diesen Sachverhalt zu einem Vorteil umzumünzen.
Denn irgendwie aufhalten müssen sie ihn ohnehin - ansonsten hätten sie keine Chance, lebend das Schiff zu erreichen.
Dass Denham in dieser Szene durchgeknallt ist, kann ich nicht erkennen. Allenfalls ist er berechnend.
Wie "moralisch" der Film ist, zeigt sich am Schluss: Ann und Driscoll erleben als einzige ein Happy End. Wir erfahren bei der Premiere, dass die beiden heiraten wollen und es spricht nichts gegen die Annahme, dass sie es nach dem Ende des Films auch tun werden. Der Grund, weshalb Ann und Driscoll in dem Film so merkwürdig "flach" dargestellt werden, liegt darin, dass es über beide im Grunde nichts zu sagen gibt: Ann ist die typische "Dame in Gefahr", Driscoll der typische Held. Ihre Story im Film verläuft völlig geradlinig: Sie verlieben sich, überleben eine Reihe von Gefahren und bleiben am Ende zusammen.
Kein Happy End hingegen gibt es für Denham und King Kong, deren Schicksale auf tragische Weise miteinander verflochten sind. King Kong muss am Ende sterben - das gebietet die Moral -, weil er Menschen tötete. Und Denham kommt auch nicht ungeschoren dabei weg, denn in dem Moment, in dem King Kong tot vom Dach des Empire State Buildings stürzt, sind auch Denhams hochfliegende Pläne und der Traum von der materiell mehr als nur abgesicherten Zukunft völlig zerstört.
Du sagst also, am Ende werden die "Bösen" bestraft und die Guten kriegen sich.
Das stimmt zwar aber was willst du damit belegen? Das ist bei 99 % aller anderen Filme auch so.
Dass der Film kurz vorher bewusst Sympathie für den sterbenden King Kong weckt, ist ein Teil der moralischen Aussage: Denham muss am Ende scheitern, weil er des Geldes wegen nicht nur am Tod von Menschen, sondern auch an dem King Kongs schuldig war.
Ich kann nicht sehen, dass Denham am Ende als derjenige dargestellt wird, der die Schuld am Tod von Menschen trägt. Diese Schuld wird allein King Kong zugeschustert. Zwar trägt Denham letztendlich die Verantwortung aber das Ganze wird dem Publikum nicht anders vermittelt, als wenn beispielsweise ein Löwe aus dem Zoo ausgebrochen wäre und dabei ein paar Menschen zerfleischt hätte.
Ansonsten hätte man wohl auch kaum das philosophische Schlusswort Carl Denham überlassen, sondern ihm mit dem moralischen Zeigefinger noch eins übergebraten und gezeigt, wie er in Handschellen abgeführt wird.
Dass KING KONG dem eher banalen Handlungsstrang zwischen Ann und Driscoll kaum tieferes Interesse entgegen bringt, betont, dass der Originalfilm mehr an den beiden tragischen Anti-Helden Denham und King Kong interessiert ist. Sie sind Gestalten wie aus der klassischen Tragödie, in der die Handelnden den anonymen Mächten des Schicksals, das sie zusammenbringt, aber auch ihren eigenen Leidenschaften unterworfen sind und deshalb ein böses Ende nehmen müssen: King Kong ist tot, aber er starb nicht als Bestie, die er war, sondern um der unerfüllten Liebe wegen (das zeigt der Film kurz vor seinem Tod, als King Kong Ann fern jeglicher Triebhaftigkeit noch einmal traurig ansieht und zärtlich streichelt). Denham lebt zwar weiter, aber nicht etwa als die reiche und bewunderte Berühmtheit, als die er sich gerne gesehen hätte, sondern als ein Gescheiterter, der eine schreckliche Katastrophe verursacht hat. Es spricht für KING KONG, dass er aus Denham keinen ganz platten Bösewicht macht, sondern seine Motive andeutet und zum Teil sogar rechtfertigt. Denhams bisherige unbefriedigende Lebenssituation wird in den Szenen vor der Premiere gezeigt, die das Verhältnis zwischen ihm und dem Publikum beleuchten und den Zuschauer von KING KONG ahnen lassen, weshalb Denham um jeden Preis den Erfolg und großen Durchbruch suchte.
Man kann all diese Elemente im 1933er King Kong natürlich finden, wenn man genau sucht.
Aber das ist gerade der Punkt: Sie sind nur versteckt und zaghaft angedeutet vorhanden. Dem breiten Publikum bleibt King Kong als gruseliger Horrorfilm in Erinnerung.
Das Tiefe, Balladenhafte an King Kong hat daher meines Erachtens Peter Jackson besser ausgearbeitet - und der kann ja nun wohl guten Gewissens als King-Kong-Experte bezeichnet werden. Er hat damit aber auch dafür gesorgt, dass die Unschärfen, Widersprüche und Andeutungen der 1933er Version klarer hervortreten.
Nochmals: Ich halte den 1933er King Kong für einen Meilenstein und ein Meisterwerk aber eher in filmtechnischer und filmhistorischer Hinsicht (soviel ich weiß der erste Film mit einem maßgeschneiderten Musikscore) und weniger in Bezug auf Handlung und Erzählweise!
Auf lange Sicht hätte er meines Erachtens ohne die Neuverfilmung nicht das Potential gehabt, folgende Generationen zu fesseln.
Mein Fazit ist deshalb, dass a) KING KONG auch heute durchaus nicht überholt ist und b) Jackson für seine Nacherzählung bereits im Original eine massive Substanz vorfand, auf der er aufbauen konnte (wie es ja bereits schon 1976 geschah).
Punkt a) stimme ich uneingeschränkt zu, das habe ich aber auch so undifferenziert nie behauptet. Punkt b) stimme ich ebenfalls zu, er hat aber die vorhandene Substanz genutzt, ausgebaut und in jeder Hinsicht verfeinert. Zu Punkt c) kann ich nicht viel sagen, da ich die 1976er Version das letzte Mal vor 20 Jahren oder so im Fernsehen gesehen habe. Der größte Fehler dieser Version war aber meines Erachtens, das Geschehen in die damalige Zeit zu verfrachten, das machte die ganze Geschichte ein wenig lächerlich. 1933 war es noch eher denkbar, dass es da irgendwo noch unerforschte Inseln in den Weiten der Ozeane gibt, die ihre Geheimnisse noch nicht preisgegeben haben. An mehr kann ich mich bei der 1976er Version ehrlich gesagt nicht erinnern.
Das Original war bereits vielschichtig; großes Spektakel, spannender Abenteuerfilm und moralisches Drama in einem. Im Endeffekt hat die Neuverfilmung lediglich die Gewichtung etwas verschoben und manches für das heutige Publikum überarbeitet - am eigentlichen Kern aber wurde kaum gerührt.
Das gleiche Fazit würde ich auch ziehen. Ich würde es aber positiver bewerten, als du
Jetzt noch etwas anderes (das muss ich noch loswerden, damit nicht der Eindruck entsteht, ich widerspreche dir in allem
![Razz :-P](./images/smilies/icon_grin.gif)
): Du hast in einem deiner Postings über den Widerwillen mancher Kritiker gegenüber "gefühlsduseligen" Filmen gesprochen. Darin kann ich dir nur zustimmen
Nicht nur der Kritiker, auch mancher Zuschauer. Manchmal entsteht da eine seltsame Eigendynamik, der sogenannte "McDonald's-Effekt": Alle finden es (angeblich) scheiße aber jeder geht hin. Bestes Beispiel ist "Titanic". Der Film war kein Senkrechtstarter, sondern lief extrem lange und mit konstantem Erfolg im Kino. Mit der landläufigen Modemeinung, der Film sei irgendwie schlecht, kann also was nicht stimmen. Es ist halt ein herrlicher Schmachtfetzen - ja und?
Ich persönlich habe nichts gegen emotionales Kino einzuwenden, aber an KING KONG 2005 hat mich neben der Länge die offen zur Schau gestellte Bemühtheit genervt, mit der der Film andauernd und auf allen Ebenen den "großen Momenten" hinterher hechelte.
Das habe ich so nicht empfunden. Eine Bemühtheit kann ich nicht erkennen, sehr wohl aber viel Spaß am Filmemachen. Peter Jacksons King Kong insgesamt ist ein Tribut an das Filmemachen an sich - in jeder Beziehung. Und die Geschichte des King Kong dient im Grund nur als Metapher dafür.
Gruß,
Frank