Nummer 6
(The Prisoner / UK / 1967)
[17-teilige TV-Serie]
Die Bezeichnung, die mir zu dieser britischen Fernsehserie auf Anhieb passend erscheint ist das Wort „psychedelisch“. Das trifft es vielleicht nicht ganz, doch es beschreibt viele Szenen sehr passend.
Eine Inhaltsangabe abzugeben fällt mir sehr schwer. Man könnte vielleicht das offensichtlichste anführen. Dass ‚Nummer 6’ ein Agent war, der, nachdem er seinen Job überraschend kündigte, von einer geheimnisvollen Organisation entführt wird und in einer eigenen kleinen Welt aufwacht. Einem Ort, der nur ‚The Village’ genannt wird und wo seltsame Gesetze herrschen. Eine absonderliche Gesellschaft, die von ihren Führern bis ins kleinste Detail überwacht und sogar gesteuert wird.
Die Organisation die hinter dem Ganzen steht will erfahren, weswegen der Ex-Agent seinen Job niederlegte. Sie geben ihm die Nummer 6, denn alle im Dorf haben nur Nummern und keine Namen.
Doch Nummer 6 wehrt sich gegen die ständigen Fragen und setzt alles daran diesen Ort zu verlassen, an dem er wie ein Gefangener ist.
Die Organisation gibt sich nicht geschlagen und von Stund an wird alles daran gesetzt aus Nummer 6 herauszulocken, was er weiß.
Die Serie entstammt aus dem Kopf von Patrick McGoohan, welcher auch gleichzeitig der Hauptdarsteller ist.
Was die Serie auszeichnet ist das optische Design. Die seltsamen Gebäude und technischen Dinge verleihen ihr ein besonderes aussehen.
Und inhaltlich wird einiges geboten.
Der Darstellercast ist zudem ungemein interessant.
Besonders hervorzuheben sei Patrick McGoohan, der seiner Figur eine unheimliche Intelligenz verleiht und einen Tiefgang, wie ich ihn selten erlebt habe. Besonders nicht bei einer Fernsehserie. Der Tiefgang wird aber nicht durch besonders viele Informationen über seine Person erreicht, nein ganz im Gegenteil. Im Grunde erfährt der Zuschauer über Nummer 6 fast gar nichts, denn es stellt sich bei den herausgelockten Informationen stets die Frage, ob sie nicht von ihm extra gesetzt wurde um die Organisation in die Irre zu führen. Es ist sehr feinstofflich und sehr intelligent eingebracht.
Patrick McGoohan ist vielen wohl eher bekannt in seiner Rolle des König Edward I. in Braveheart, wo er eine nahezu magische Darstellung abliefert, die aus dem König einen wahren Bösewicht macht.
McGoohan, so erfuhr ich aus einem Interview, ist ein Einzelgänger und ungemein intelligenter Mensch mit einem sehr hohen Intellekt. Er ist stets lernbegierig, was das Verhalten von Menschen angeht und pflegt eher intellektuelle Konversation. Das einfache Gespräch liegt ihm nicht und das ist es was ich so an ihm mag. Die Charakterzeichnung, die ich aus dem Interview erfuhr zeichnet mir einen sehr intelligenten Menschen. Die Art Mensch, mit der ich mich viel lieber unterhalten möchte, da ich hier noch einiges lernen kann. Ich mag Menschen mit Intellekt, die Konversation auf hohem Niveau führen können, da ich mich selbst als intellektuell sehe. Leider konnte ich noch keinen passenden Gesprächspartner finden um auszutesten, ob ich wirklich einer bin, oder nur oberflächlich meine einer zu sein. Da wäre ein Gespräch mit Patrick McGoohan sicher sehr lehrreich.
Zudem entstammt die Serie aus McGoohans Kopf und ich denke das Ergebnis sagt schon viel über diesen Menschen aus.
Was da ungemein interessant ist, sind die vielen wechselnden Nummer 2. In beinahe jeder Folge gibt es einen anderen Schauspieler in diesem Part zu bewundern, der einen neuen Plan ausprobiert um Nummer 6 zum Reden zu bringen. Im Verlauf der Serie gelingt es Nummer 6 des Öfteren den Spieß umzudrehen und da stellt sich dann immer die Frage, wer wird am Ende brechen, Nummer 6 oder 2. Ein sehr spannendes Element, das das Interesse oben hält.
Man übergibt das Heft dabei in hochwertige Hände. Zu erwähnen sei da besonders Leo McKern, der den Part mehr als einmal spielt und dabei in den besten Folgen in Erscheinung tritt. McKern erlebte ich das erste Mal in „XX – UNBEKANNT“ einem frühen Hammer SF Film, in dem er als Inspektor McGill zu sehen ist. Im Film „SHERLOCK HOLMES CLEVERER BRUDER“ war er Moriarty, also Gene Wilders Gegenspieler und in einer Folge der Fernsehserie „MONDBASIS ALPHA 1“ war er zu sehen, ebenso wie in dem Fantasyfilm „DER TAG DES FALKEN“, wo er der Pater war, der um den Fluch von Isabeau und Navarre wusste den beiden soweit es ging half.
McKern war stets ein Darsteller der zweiten Reihe, doch er war ein Top Schauspieler, der mich zutiefst mit seinem Spiel in „NUMMER 6“ beeindruckte und der in meiner absoluten Lieblingsfolge mitspielt „Pas des deux“ (vorletzte Folge), auf die ich später noch zu Sprechen komme.
Aber auch die anderen Nummer 2 drücken der Rolle ihren ganz persönlichen Stempel auf. So begeistert Mary Morris als einzige weibliche Nummer zwei als verschlagenes Stück. Sie hab ich schon im 1940er „DER DIEB VON BAGDAD“ gesehen, wo sie selbstverständlich noch um einiges jünger war.
Patrick Cargill, der vornehmlich fürs Fernsehen tätig war, begeistert als schizophrene Nummer 2 und zeigt wirklich glaubwürdige psychotische Anfälle von Verfolgungswahn. Ein Genus für Auge und Ohr.
Peter Wyngarde, ein Fernsehschauspieler, der mit seinem markanten Äußeren schon beeindruckt lief seinerzeit durch alle großen britischen Fernsehserien, wie „MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE“, „SIMON TEMPLAR“ und amerikanische Serien wie „TENNISSCHLÄGER UND KANONEN“ und kann auch in „NUMMER 6“ mit einer herrlichen Darstellung punkten.
Derren Nesbitt, der in der Folge „DAS AMTSSIEGEL“ nach dem Thron der Nummer 2 greift war in vielen britischen Serien und Filmen zu sehen. In „DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS“ spielte er noch eine Statistenrolle, doch schon im Hammer Studios „DAS SCHWERT DES ROBIN HOOD“ wurde sein Part etwas größer und wuchs stetig an, bis er in Serien wie „SIMON TEMPLAR“ mitspielen durfte und in einer Folge von „U.F.O.“ zu sehen war.
Kenneth Griffith, ein erstklassiger Mime, durfte seinerseits zweimal eine Rolle in „NUMMER 6“ spielen und war zuvor schon in einer anderen Serie (Danger Man) zu sehen, in der Patrick McGoohan die Hauptrolle spielte. Er war genauso eher ein Nebendarsteller, jedoch ein sehr guter, der stets viel beschäftigt war und auf dessen Konto einige interessante Projekte gingen.
Alles in allem war die Serie hochkarätig besetzt. Vielleicht nicht mit riesigen Stars, aber doch stets mit Darstellern die ihr Handwerk verstanden und mit zur Glaubwürdigkeit beitrugen.
Kommen wir noch einmal zum optischen Part.
Ich erwähnte eingangs das Wort „psychedelisch“ und als solches kann man die optische Inszenierung ohne weiteres bezeichnen. Mit schnellen Schnitten und ungewöhnlichen Perspektiven und Kamerafahrten entsteht nicht selten ein Trance- oder Rauschzustand, der, wenn man nicht genau aufpasst durchaus verstören kann. Jedoch ist das Ganze so intelligent eingesetzt, dass man beinahe nie die Übersicht verliert, vorausgesetzt man lässt die Aufmerksamkeit nicht schleifen.
Wie ich ja schon erwähnte trägt das Setting da sehr maßgeblich zur ungewöhnlichen Optik mit bei. Es ist dabei nicht immer erklärend, denn das an eine Wippe erinnernde, sich drehende Gebilde, dass im Überwachungsraum steht, sich permanent dreht und bewegt und auf dem auf beiden Seiten je ein Mann sitzt, erschließt sich mir nur dahingehen, dass es sehr futuristisch wirkt und somit gut ins Bild passt.
Der Wächter, der die Bewohner am Fliehen hindert und zur Bestrafung eingesetzt werden kann, ist dabei ein intelligentes Gebilde, dass trotz seiner Schlichtheit bedrohlich wirkt, was der passenden Inszenierung und Einführung zu verdanken ist. Denn ohne die hätte der Ballon, der durch die Gegend hüpft sicher nur lächerlich gewirkt. So schlicht in der Erscheinung und letztendlich doch so bedrohlich. Alles andere wäre nur halb so überzeugend gewesen.
Das Dorf „THE VILLAGE“ gibt es tatsächlich. Es befindet sich in Wales und erlangte durch die Serie zu einiger Berühmtheit. Wirklich interessant, dass man durch die Settings laufen könnte und sich sicher fühlen würde wie im richtigen „THE VILLAGE“ (mit Abstrichen).
Zur Akustik sei gesagt, dass besonders die Eröffnungsmelodie fesselt. Eine herrliche Melodie, die zudem hübsch die Zeit in der die Serie entstand widerspiegelt. Und auch sonst begeistert die Untermalung mit angemessenen und schönen Melodien und nutzt besonders in bestimmten Szenen Lieder der Zeit. Ich erinnere nur an den Gang zur Anhörung in der letzten Folge.
Die Serie aus Patrick McGoohans Kopf ist wirklich beeindruckend. Nicht nur wegen der ungewöhnlichen Optik, sondern wegen dem immensen Anspruch, den sie besitzt. Sie ist keine einfache Serie, die man mal so eben konsumiert, wie etwas „MIT SCHIRM CHARME UND MELONE“ oder „SIMON TEMPLAR“. Hier ist mitdenken angesagt und aufpassen, denn wie schnell entgeht einem was und verliert man am Ende die Zusammenhänge. Zudem erreicht man Grenzen, und hier sei nun meine Lieblingsfolge „Pas des deux“ erwähnt, die beinahe gänzlich in einem Raum spielt. Aber nicht so sehr das Setting beeindruckt mich hier, sonder die unheimlich intensive Art des Spieles. Dieses „psychedelische“, das ich mehrfach ansprach, ist hier allgegenwärtig. So ist das Geschehen in der Tat sehr rauschartig und bewusstseinserweiternd. Es wirkt verstörend, doch ebenfalls sehr tiefsinnig. Ich mag die Folge ungemein, da sie doch den Anspruch in sich bündelt. Weiß man um die Hintergründe bei der Entstehung bekommt sie noch mehr Gewicht, denn McGoohan und McKern verschmolzen mit ihren Charakteren und steigerten sich dermaßen in ihre Darstellung, dass McKern ernste gesundheitliche Schwierigkeiten bekam. McGoohan gewann die Überhand und der Geist bekam Einfluss auf den Körper. Dies beweißt somit eine Überzeugung, die ich schon seit Jahren habe. Geist besiegt Materie. In der Hinsicht ist es bewusstseinserweiternd und hinsichtlich der eigentlichen Geschichte sieht man, wozu Schauspieler fähig sein können und wie glaubhaft sie ein psychisches Duell machen können.
Beim Ende der Serie stieß ich hingegen an meine Grenzen. Oder war es der Tribut dessen, dass ich hier und da die Aufmerksamkeit hab schleifen lassen, ebenso in der letzten Folge? Mag sein, doch Tatsache ist, dass ich das Ende nicht verstanden habe. Mich machte dies jedoch nicht sauer, oder enttäuscht, sondern regte mich sehr zum Nachdenken an, auf was McGoohan eigentlich hinaus wollte. Durch die verschiedenen Masken kam mir der Gedanke, dass er mit den Erwartungen des Zuschauers spiele und jedem das „Ich habs gewusst“ geben wollte. Aber dennoch gibt er keine wirkliche Erklärung ab. Derjenige, der den passenden Intellekt besitzt wird es verstehen. Eine Grenze also für mich? Ich weiß es nicht. Ich fand es aber sehr gelungen.
Dass McGoohan nach Sendung der letzten Folge untertauchen musste, da die Öffentlichkeit wegen des Endes sauer war, kann ich nicht nachvollziehen. Es war aber wohl das beste Beispiel dafür, dass sie es nicht verstanden haben.
„NUMMER 6“ hat mich tief beeindruckt. Die Serie hat nichts anderes Verdient als vier Daumen nach oben. Sie ist unheimlich intelligent, sehr unterhaltsam und in Optik und Akustik beeindruckend. Sie regt zum Nachdenken an und ist Unterhaltung auf höchstem Niveau. Besonders zu überzeugen versteht da Patrick McGoohan, der eine darstellerische Leistung präsentiert, wie ich sie selten erlebte, oder noch nie erlebt habe.
Wertung:
Ein kurzes Wort zur DVD Box:
Koch Media hat sich unheimliche Mühe gegeben, auch wenn mir das Cover der Box nicht zusagt. Im Kontext der Serie hätte es verstörender und Fragen aufwerfender sein sollen, doch ob das Marktwirtschaftlich gewesen wäre ist fraglich. Die Fans hätte es jedenfalls gefreut.
Was jedoch vollends überzeugt ist der Inhalt. Bild und Ton sind sehr gut und die deutschen Untertitel sind erstklassig. Sie lassen sich flüssig lesen und sind super getimt. Ich erwähne das, weil einige Folgen nur im englischen Original vorliegen, da sie seinerzeit in Deutschland nie gezeigt worden. Schlechte Untertitel könnten da einiges zerstören, erst recht bei einer so Textintensiven Serie, bei der dieser Part enorm wichtig ist.
Die Extras sind sehr gelungen. Aus dem beiliegenden Booklet erfährt man massig interessantes zur Serie und auf der Bonus DVD gibt es zwei Folgen in anderer Schnittfassung, sowie ein sehr aufschlussreiches Interview mit einem Verantwortlichen der Serie. Und es gibt Trailer zu allen Folgen, Bildergalerien usw.
Alles in allem wird hier die Serie ansprechend präsentiert, so wie es sich gehört. Eine wirklich gelungene Box. Da sie schon einige Zeit erhältlich ist würde es mich nicht wundern, wenn sie demnächst ‚Out of Print’ ginge.
Wertung: 1/2