Rezension: Das Imperium der Ameisen
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Rezension: Das Imperium der Ameisen
Das Imperium der Ameisen
Zum Inhalt:
Lukas Holroyd, Angestellter eines großen Unternehmens, wird von seinem Vorgesetzten Mr. Chambers genötigt, in den Dschungel Perus zu reisen, um dort nach dem verschollenen Mitarbeiter John Perkins zu suchen. Dieser hatte eine neue, hochgiftige Ameisenart entdeckt, sich aber seitdem nicht mehr gemeldet. Bereits auf dem Weg dorthin bekommt Holroyd die seltsamsten Geschichten über die ungewöhnlich großen Insekten und ihr rätselhaftes Verhalten zu hören.
Noch ahnt er nicht, daß seine eigenen Erlebnisse alle Schilderungen bei weitem übertreffen werden...
Zur Produktion:
Nach ihrem überragenden Einstieg in die Reihe von Hörspielen nach H.G. Wells (21.09.1866-13.08.1946) durch die zweiteilige Hörspieladaption von "Die Zeitmaschine", führt Folgenreich diese nun mit einer weiteren Produktion aus dem Hause IMAGA fort. Die Kurzgeschichte "Empire of the Ants", so der englische Originaltitel, wurde erstmals 1905 im britischen "Strand Magazine" veröffentlicht.
Oberflächlich betrachtet, handelt es sich um eine Abenteuergeschichte mit phantastischen Elementen. Doch wie bei Wells üblich, stecken weitaus fundamentalere Dinge dahinter, in diesem Fall der Stellenwert der menschlichen Rasse innerhalb der natürlichen Ordnung und ihren fragilen Anspruch auf absolute Dominanz.
Obwohl die literarische Version weitestgehend in Vergessenheit geraten war, beschloss Hollywood, die Geschichte 1977 unter dem reißerischen Titel "In der Gewalt der Riesenameisen" zu verfilmen. Bedauerlicherweise hat der fertige Film aber nur noch rudimentär etwas mit Wells' Werk zu tun und dient allenfalls als, im wahrsten Sinne des Wortes, billige Alternativversion.
Wie man es richtig macht, zeigt Oliver Döring mit seinem Hörspielskript. Behutsam hat er die über 100 Jahre alte Geschichte modernisiert und in die heutige Zeit der Smartphones und Satelliten versetzt, ohne dabei Wells' Vorlage inhaltlich groß zu verändern. Allerdings hat sich der Skriptautor die Freiheit genommen, den Anfang und das Ende zu erweitern. So eröffnet Döring seine Geschichte mit einer aufregenden Sequenz, die sich im Original nicht finden lässt, die den Hörer aber sofort neugierig auf das weitere Geschehen macht. Anschließend stellt er kurz den Protagonisten und Erzähler vor, bevor der Hörer dann quasi "live" an der aufregenden Reise ins Unbekannte teilnimmt. Die Handlung bleibt bis zum Schluß spannend und wird so eindrücklich geschildert, daß man als Hörer ganz überrascht ist, wie schnell die rund 56 Minten Laufzeit vorüber sind. Auf die genauen Unterschiede bezüglich des Endes möchte ich nicht eingehen, da ich sonst zu viel verraten würde. Es genügt anzumerken, daß dieses Finale durchaus passend, wenn auch für Horrorfans nicht sonderlich überraschend, ausfällt. Wer selbst einen Vergleich anstellen möchte, findet die im Internet frei verfügbare englischsprachige Kurzgeschichte unter https://en.wikisource.org/wiki/Empire_of_the_Ants.
Daß Oliver Döring, neben dem Buch, auch für Regie (mit Unterstützung von Ila Panke) und Produktion (unterstützt durch Alex Stelkens) zuständig ist, trägt sicher nicht unerheblich dazu bei, alles wie aus einem Guss klingen zu lassen. Dabei bin ich immer wieder von der unglaublichen Sorgfalt beeindruckt, mit der die Produzenten jede einzelne Szene gestalten. Nach der kurzen, aber sehr dramatischen Eröffnungsszene, deren Eindringlichkeit durch eine Vielzahl von Geräuschen noch verstärkt wird, folgt akustische "Ernüchterung" in Form des beinahe vollkommen geräuschlos ablaufenden Gesprächs zwischen Holroyd und seinem Vorgesetzten. Derart "entwöhnt" trifft die anschließende Szene, der Beginn der Reise auf dem Fluß, den Hörer mit der gleichen Intensität wie die Hauptfigur Holroyd, die sich zum ersten Mal mit tropischen Temperaturen und den fremden Lauten der neuen Umgebung konfrontiert sieht. Die Geräuschkulisse ist jederzeit passend und der Dschungel mit seinen vielen Vogel- und Insektenarten klingt genauso natürlich wie der Schiffsmotor, die angeschalteten Neonröhren oder der satte Ton des Flammenwerfers. Effekthighlight ist für mich der sich langsam nähernde Hubschrauber, der dann quasi über den Hörer "hinwegfliegt".
Die ca. 5-6 cm großen Ameisen werden mit Hilfe von "zirpenden" bzw. "knurpselnden" Geräuschen in Szene gesetzt und erinnern dabei ein wenig an die Laute der (Riesen-)Ameisen aus dem Film "Formicula". Um die Handlung auch musikalisch zu untermalen, setzen die Produzenten eine Vielzahl an unterschiedlichen Instrumenten und Melodien ein. So kommt der Synthesizer mit "Carpenter-esquen" treibenden Beats zum Einsatz, um die latente Bedrohung durch die Ameisen hervorzuheben, oder es erklingt eine südamerikanische Panflötenmelodie, welche das Lokalkolorit unterstreicht. Besonders gefallen haben mir der langezogene, düstere Choral und der unerwartete Einsatz einer Harmonika.
Zu den Sprechern:
Hauptdarsteller Julien Haggége(Holroyd) ist großartig als freundlicher, junger Mann, der zurecht wenig von seinem Auftrag angetan ist. Man hört ihm den stets vorhandenen Ekel beinahe in jedem Satz an, und es ist mitreißend, wie seine fast noch jugendliche Naivität anhand der dramatischen Geschehnisse immer mehr schwindet und düsteren Vorahnungen Platz macht. Mindestens ebenso gut ist auch Carlos Lobo(Gerilleau) in seiner Rolle des Capitan der Marine. Lobo wirkt zwar zunächst sehr zuvorkommend, aber durch seinen leicht lauernden Unterton lässt er den Hörer schnell merken, daß er längst nicht so harmlos ist, wie er zu sein scheint. Der spanische Akzent klingt bei ihm genauso natürlich, wie seine auf Spanisch gehaltenen Gespräche mit den Matrosen. In diesem Zusammenhang muss ich Herrn Döring noch ein großes Kompliment machen, denn er hat darauf geachtet, daß der Capitan, genau wie bei Wells, den Namen Holroyds immer ohne "H" auspricht, und auch den Satz "Was kann man tun?", Gerilleaus "Credo" im Buch, hat er nicht vergessen. Es sind diese "Kleinigkeiten", die seine Achtung gegenüber der literarischen Vorlage illustrieren. Den Part von Douglas Welbat(Ernest) gab es vorher nicht. Döring hat ihn erschaffen, um die ursprünglich als Monologe geschriebenen Texte in hörspielfreundliche Dialoge wandeln zu können. Welbats leicht raue Stime passt ausgezeichnet zu der Figur des schlauen, kaltblütigen Engländers, der die Situation realistisch einschätzt. Auch wenn die Auftritte von Boris Tessmann(John), dem vermissten Mitarbeiter, recht kurz ausfallen, gelingt es ihm doch, mit beinahe abgehackt ausgestoßenen Sätzen einen bleibenden Eindruck des hochkonzentrierten, von den Ameisen dominierten Wissenschaftlers zu hinterlassen. Daß Daniel Montoya(Da Cunha) einen großen Teil seines Textes in lupenreinem Spanisch vorträgt, verleiht seinem Portrait des tapferen, aber unbesonnenen spanischen Matrosen derartige Authentizität, daß man als Hörer förmlich überrascht ist, als er dann doch noch deutsche Worte von sich gibt. In einer Nebenrolle ist Oliver Stritzel(Richard) zu hören. Ohne Rollenzuordnung und deshalb mit einem Fragezeichen versehen, sind Julia Kaufmann als Johns völlig verzweifelte Freundin Jenna(?), Robert Frank als knallharter Vorgesetzter Chambers(?), Natascha Geisler als Holroyds spöttische Freundin Ann(?), Martin Baden als gelassener Taxifahrer Carlos(?) und Marcus Steiger als Bill(?). Das Intro wird, wie bei "Die Zeitmaschine", von Joachim Kerzel gesprochen.
Fazit:
Erstklassig in Szene gesetzte und bis zum Schluß packende Hörspieladaption einer heutzutage weitgehend unbekannten Geschichte.
Das Hörspiel Das Imperium der Ameisen
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Re: Rezension: Das Imperium der Ameisen
Deine Hörspielrezensionen sind super! Weiter so!
- MonsterAsyl
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Re: Rezension: Das Imperium der Ameisen
Vielen Dank für das Kompliment.
Ich werde mich bemühen.
Ich werde mich bemühen.