Rezension: Krieg der Welten Teil 2
Verfasst: Mi 11.07.2018, 15:22
Krieg der Welten - Teil 2 von 3
Zum Inhalt:
Mittlerweile haben erste Gerüchte über die unglaublichen Ereignisse in Ottershaw London erreicht, und Stuart, Simon Shusters jüngerer Bruder, beginnt sich Sorgen zu machen. Da bereits sowohl die Bahnverbindungen als auch die Telegraphenleitungen unterbrochen sind, gelingt es ihm nicht, seine Familie zu erreichen. Nachdem die ersten "Kometen" in den Vororten von London einschlagen, beschließt er, zusammen mit seinen Kommilitonen Angus und Lester die Stadt zu verlassen...
Zur Produktion:
Der sehr ansprechende Auftakt des Dreiteilers "Krieg der Welten" nach Herbert George Wells (21.09.1866-13.08.1946), den englischsprachigen Originaltext kann man im Internet unter https://en.wikisource.org/wiki/The_War_of_the_Worlds finden, machte bereits Appetit auf mehr.
Teil 1 endete ja mit dem 12. Kapitel des in zwei "Bücher" unterteilten Romans, und eigentlich hätte nun die Begegnung mit dem Pfarrer erfolgen müssen. Stattdessen wird dieses Kapitel (13) komplett ausgelassen, und Skriptautor Christian Gailus beginnt seine Version mit Kapitel 14 (In London).
Das macht Sinn, denn auch Wells schwenkt ja ab dieser Szene erst einmal perspektivisch auf den Bruder des Erzählers und schildert die Ereignisse in der Hauptstadt aus dessen Sicht. Ich bin mir aber jetzt schon sicher, daß diese "Kürzung" nur vorübergehend sein wird und Gailus den Handlungsstrang mit dem Geistlichen lediglich zurückgestellt hat, um ihn im dritten und letzten Teil wieder aufzugreifen. Hier ist ja das gesetzte Ziel auch keine möglichst wortgetreue Adaption des Romans, sondern eine eigenständige Erzählung, die trotzdem der literarischen Vorlage treu bleibt.
Ich finde, diese Umsetzung ist C.Gailus bisher auch hervorragend gelungen. Alle wesentlichen Elemente der Kapitel 14 bis 17, so wie sie auch bei Wells zu finden sind, wurden übernommen und zu einem neuen, leicht variierten Handlungsstrang verknüpft. Durch den langsamen Aufbau (man erfährt hier erst nach und nach durch den Protagonisten Stuart Shuster von der Bedrohung) und die von Teil 1 beinahe völlig losgelöste Geschichte, eignet sich die Folge sogar für diejenigen, die möglicherweise erst hier in den Dreiteiler einsteigen.
Das Geschehen wird extrem temporeich geschildert, und der Hörer bekommt keine noch so kleine Verschnaufpause. Auch wenn es hier vordergründig um außerirdische Invasoren geht, nutzt der Autor die Gelegenheit, den Fokus auf das menschliche (Fehl-)Verhalten in Extremsituationen zu lenken. So schrecklich die Taten der Marsianer auch sind, das wahre Monster ist der Mensch. Denn wenn die bestehende Ordnung zusammenbricht, reduziert sich das Miteinander ganz schnell wieder auf die Grundbedürfnisse des Einzelnen, und deren Erfüllung rechtfertigt dann scheinbar alles, von Bedrohung bis hin zum Mord. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die empfohlene Altersfreigabe ab 16 Jahren hinweisen, denn die sehr realistische Inszenierung der Ereignisse, u.a. das qualvolle Ersticken der Menschen und die erfreulicherweise nicht zu explizit dargestellte Vergewaltigung, sind keinesfalls für zartbesaitete Gemüter geeignet. Im Gegensatz dazu endet das Hörspiel diesmal aber mit einer etwas versöhnlicheren, hoffnungsvolleren Note.
Die Produktion von Alex Stelkens und Oliver Döring ist ein wahrer Festschmaus für die Ohren. Jede Szene wurde so lebendig inszeniert, daß man als Hörer meint, unsichtbar mit dabei zu sein. Das fängt schon beim akustisch weit "aufgezogenen" Vogelgezwitscher an, das einen unmittelbar in einem kleine Park sitzen lässt. Besonders beeindruckend ist auch der fallende Regen. Ganz so wie in der Natur auch, variiert dessen Heftigkeit, und wenn das Unwetter langsam abzieht, wird auch der grollende Donner leiser eingespielt. Ebenfalls sehr gut haben mir die unterschiedlichen "Menschenmengen" am Bahnhof, auf der Straße und im Pub gefallen. Highlight sind natürlich die alles vernichtenden Laserstrahlen der Marsianer, die so arrangiert wurden, daß man fast meint, die Außerirdischen würden im heimischen Wohnzimmer agieren.
Die Musik fällt hier extrem düster aus. Wie ich schon weiter oben erwähnte, wird dem Hörer während der rund 50 Minuten Laufzeit keine Pause gegönnt. Meist herrschen treibende Melodien vor. Selbst ruhige Stücke klingen durch den Einsatz diverser Streichinstrumente immer irgendwie unterschwellig bedrohlich und sorgen damit für zusätzlich Anspannung.
Zu den Sprechern:
Bei rund 38 (!) Sprechern kann ich unmöglich zu jedem Stellung nehmen, zumal der überwiegende Teil ohne Rollenzuweisung bleibt. Von daher werde ich mich zwar bemühen, alle Namen zu nennen, aber nur auf einzelne Sprecher näher eingehen. Interessanterweise hat man sich dazu entschlossen, die meisten Hauptrollen mit unbekannteren Namen zu besetzen, während kleinere Auftritte, wie Beamte oder Passanten, von bekannten Größen, so beispielsweise Frank Glaubrecht oder Dietmar Wunder, gesprochen werden. Das ist gleich in zweierlei Hinsicht begrüßenswert. So sehr man die Veteranen des Mediums zweifellos schätzt, so schön ist es doch, immer wieder auch neue, unverbrauchte Stimmen zu hören. Davon abgesehen, finde ich, daß es, ähnlich wie bei Spielfilmen, die Spannung erhöht, wenn man nicht schon anhand der Besetzung vorher sagen kann, wer den "Krieg der Welten" wohl überleben wird und wer nicht.
Hauptdarsteller Nico Sablik(Stuart) ist perfekt in der Rolle des jungen Studenten, der gleich merkt, daß etwas nicht stimmt, während sein Freund Jan Rohrbach(Lester) absolut gelassen bleibt und erst beim Eintreffen der Marsianer beginnt, den Ernst der Lage zu begreifen. Wirklich gut gefallen hat mir auch Christina Puciata(Mary) mit ihrem Portrait der verängstigten Ehefrau, die ihren Mann sucht. Ich finde zwar, daß sie sich in einigen Szenen etwas zu schnell wieder im Griff hat, aber das könnte man auch als willensstarken Charakter interpretieren. Roland Wolf(Angus), Stuarts anderer Freund, legt viel Mitgefühl in seine Stimme und wirkt dadurch sehr sympathisch, während Uwe Büschken(Portier) zwar höflich ist, sich aber gleichzeitig als sturer (wenn auch bestechlicher) Prinzipienreiter aufspielt. Besonderen Spaß hatte ich an Marianne Gross(Mrs. Chandler) als überkandidelte Britin, die unerschütterlich davon ausgeht, daß sie und alle anderen Bewohner Londons unantastbar sind. In weiteren kurzen, aber immer überzeugenden Auftritten bekommt man noch Sascha Rotermund(Bodo), Alexander Doering(Putner), Bernd Rumpf(Seller) und Douglas Welbat(Lucas) zu hören. Die zahllosen Nebenrollen, wie Schalterbeamte (Telegraph), Schalterbeamte (Bahn), das Paar am Bahnhof, Lautsprecherdurchsage am Bahnhof, Polizist, Feuerwehrmann, Simon, panische Einwohner Londons, Mutter mit Kind, Wirt, diverse Gasthauskunden, Schlachter, 2 Angreifer, Männer und Frauen im Menschentreck, Angreifer, Dorfbewohner, der skrupellose Kapitän und seine Passagiere, werden von Matthias Haase, Jan Spitzer, Erich Räuker, Bernd Vollbrecht, Frank Glaubrecht, Robert Frank, Dietmar Wunder, Michael Iwannek, Oliver Kalkofe, Thomas Nero Wolff, Ila Panke, Gerrit Schmidt-Foß, Roman Shamov, Julia Kaufmann, Julien Haggége, Hans-Georg Panczak, Thomas Nokielski, Alxander Weise, Heiko Obermöller, Martin Baden, Daniel Montoya, Stephan Busch, Sabrina Strehl, Juliane Ahlemeier, Christian Gailus, Marcus Staiger, Christoph Walter und Joachim Kerzel intoniert.
Fazit:
Nicht nur der Sommer, auch der "Krieg der Welten" wird immer heißer.
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