Rezension: Gruselkabinett - 71 - Der Eschenbaum

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 71 - Der Eschenbaum

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Gruselkabinett - 71 - Der Eschenbaum

Zum Inhalt:
Ende des 17. Jahrhunderts beobachtet Sir Matthew Fell in mehreren Nächten, wie Mrs. Mothersole, eine Frau, die man verdächtigt, eine Hexe zu sein, irgendetwas an der Esche vor seinem Schlafzimmerfenster macht. Es gelingt ihm zwar nicht, sie bei einer Untat zu ertappen, doch seine Zeugenaussage reicht bereits für ihre Hinrichtung. Kurz bevor das Urteil vollstreckt wird, teilt Mrs. Mothersole Fell mit, er werde "Gäste" auf seinem Anwesen 'Castringham Hall' haben.


Zur Produktion:
So sehr ich mich auch immer freue, wenn das Label Titania sich der Geschichten mir bekannter und geschätzter Autoren annimmt, ist mein Vergnügen eigentlich noch größer, sobald es sich um mir bisher unbekannte Verfasser handelt. Zu diesen zählt auch der britische Gelehrte M.R. James(01.08.1862-12.06.1936), welcher sich mit der englischen Geschichte des Mittelalters beschäftigte. Nebenbei schrieb er zahlreiche Geistergeschichten, die zunächst nur dafür gedacht waren, sie am Weihnachtsabend Freunden vorzulesen. James gilt als Wegbereiter der modernen Gruselgeschichte, da er sich von den bis dahin vorherrschenden Klischees der 'Gothic Novel' verabschiedete und die Erzählungen stattdessen in einer realistischeren, zeitgemäßeren Umgebung ansiedelte. "The Ash-Tree", wie die diesem Hörspiel zugrundeliegende Kurzgeschichte im Original heißt, erschien erstmals 1904 in dem Sammelband "Ghost Stories of an Antiquary". James legte seine Werke meist nach dem heute klassischen Muster an. Zunächst wirkt alles harmlos und friedlich, doch dann geschehen nach und nach immer mehr unheimliche Vorfälle, die schließlich in einem grausigen Höhepunkt gipfeln. Skriptautor Marc Gruppe wählte für seine Adaption einen anderen Weg. Üblicherweise bleibt er dicht an der Vorlage, doch in diesem Fall behält er lediglich deren Grundgerüst bei. Während James seine Erzählung mit einer ruhigen Beschreibung des Anwesens beginnt, ist man bei Gruppe direkt mitten im Geschehen. Das hat vielleicht nicht mehr allzu viel mit der ursprünglich von James intendierten Erzählweise gemein, sorgt aber von Anfang an für Aufregung. Doch Gruppe lässt dem Hörer auch Raum zum Verschnaufen, und so ist die Spannungskurve eher wellenförmig als steil angelegt. Das tut dem Vergnügen allerdings keinen Abbruch, zumal das Ganze in einen wirklich gruseligen Höhepunkt mündet. Wer möchte, kann auch diese Geschichte im Internet unter http://www.hypnogoria.com/html/ashtree.html nachlesen.
Produktionstechnisch ziehen Stephan Bosenius und Marc Gruppe mal wieder alle Register. Von Anfang an herrscht eine unheimliche Grundstimmung, die durch die akustische Untermalung noch verstärkt wird. Musikalisch setzen die beiden hier eher auf einzelne dunkle Töne als auf durchgängige Melodien, und neben den klassischen Instrumenten wie der Geige kommen auch düstere Synthesizer-Sounds zum Einsatz. Komplementiert wird die gruselige Atmosphäre durch zahlreiche Geräusche, die jede einzelne Szene unterstreichen. Da gibt es beispielsweise pfeifenden Wind, rauschende Blätter und natürlich ein anständiges Gewitter, sowie einen sehr durchdringenden Glockenschlag. Während des Prozesses gegen Mrs Mothersole werden die Stimmen mit Hall verfremdet, um die räumlichen Dimensionen der Halle zu verdeutlichen. Am beeindruckensten sind aber die seltsamen Geräusche, die man zu Beginn und am Ende des Hörspiels hört, da sie sich nicht so leicht einordnen lassen ud so das Gefühl der Bedrohung noch verstärkt wird.


Zu den Sprechern:
Hasso Zorn passt für mich nicht nur von seiner Stimme her perfekt als Erzähler. Seine ruhige aber sorgfältige Art, verbunden mit seiner einprägsamen Artikulierung, sorgen jederzeit für einen stimmungsvollen Einstieg in die verschiedenen Szenen. Frank-Otto Schenk(Sir Matthew Fell) ist großartig als selbstgerechter, ein wenig überheblicher Lord, der entschlossen ist, gegen die Hexe vorzugehen, und das gilt auch für den Pfarrer, gespielt von Hans-Jürgen Dittberner(Vicar Crome). Mit seiner brummigen Stimme ist er der ideale Dorfpriester, der manchmal soviel Angst vor den unheimlichen Begebenheiten hat, daß er nur noch flüstert oder krächzt. Highlight ist aber Katarina Tomaschewsky(Mrs. Mothersole) als bösartige Hexe. Selbst wenn sie mit noch so sanfter Stimme spricht, hört man einen drohenden Unterton. Es ist aber vor allem das dämonische Lachen, welches ihren Charakter so richtig gruselig macht. Ebenso überzeugen können Peter Weis als harter und unerbitterlicher Hexenjäger und Louis Friedemann Thiele als freundlicher und dann zu Tode erschreckter Diener.Sebastian Schulz(Sir Richard Fell) macht seine Sache als Enkel des ursprünglichen Lords ganz ausgezeichnet, da er in der Lage ist, so unterschiedliche Emotionen wie Verblüffung, Ungeduld und verärgerung jederzeit glaubwürdig zu vermitteln. Ronald Nitschke(Totengräber) hat mir in seiner Rolle als heiserer Totengräber ebenso gut gefallen wie Sonja Deutsch(Mrs. Chiddock) als Hausdame mittleren Alters, die nichts als das Beste für ihren Herrn will. Ihr etwas unsischere Art, gepaart mit einer manchmal zittrigen Stimme, passt ausgezeichnet zu ihrem Part. Martin Kautz(William Crome) intoniert den Enkel des Dorfpriesters mit kräftiger Stimme, während Lutz Mackensy(Bischof von Kilmore) seine Figur eher tragend zum Besten gibt. Filipe Pirl(Gärtner) hat zwar einen relativ kurzen, aber duchaus prägnanten Auftritt als junger Bursche, der etwas Entsetzliches findet. Die jammernden Dämonen am Ende werden im Booklet leider nicht aufgeführt.


Fazit:
Schöne Horrorgeschichte, die weitaus aufregender ist als ihre literarische Vorlage.

Das Hörspiel Gruselkabinett - 71 - Der Eschenbaum gibt es bei
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Keeper of the Monsters

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