Rezension: Gruselkabinett - 112 - Der Ebenholzrahmen
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Rezension: Gruselkabinett - 112 - Der Ebenholzrahmen
Gruselkabinett - 112 - Der Ebenholzrahmen
Zum Inhalt:
Philipp Devigne kann sein Glück kaum fassen. Seine reiche Tante Dorcas hat ihn zum Alleinerben gemacht. Philipp erhält nicht nur eine stattliche "Rente" in Höhe von 700 englischen Pfund pro Jahr, sondern auch das schöne Anwesen in Chelsea. Bei dessen Besichtigung fällt ihm im Esszimmer ein minderwertiger Druck auf, umgeben von einem prunkvollen Ebenholzrahmen. Die Hausdame Jane erklärt ihm, daß seine Tante das ursprüngliche Bild, ein scheinbar vollkommen schwarzes Gemälde, ausgetauscht und auf den Speicher gebracht hat. Neugierig geworden, sucht Philipp den Dachboden danach ab...
Zur Produktion:
"The Ebony Frame", so der englische Originaltitel der Geschichte, erschien ursprünglich 1893 in dem Buch "Grim Tales". Die britische Autorin Edith Nesbit (15.08.1858 - 04.05.1924) wurde eigentlich durch ihre sehr phantasievollen Kinderbücher berühmt. Im Gegensatz zu ihren literarischen Vorgängern, war sie die Erste, bei der diese Geschichten, trotz des Auftretens von Märchen- oder Fabelwesen, nicht komplett in einem Phantasiereich spielten, sondern mit der realen Welt kombiniert wurden. Darüber hinaus gilt sie auch als Erfinderin der Abenteurgeschichten für Kinder.
Nesbits Erzählungen für Erwachsene sind dagegen weitaus weniger bekannt. Für Fans der Gruselkabinett-Reihe ist sie jedoch keine Unbekannte mehr, da das Label Titania bereits zwei ihrer Werke vertont hat (Gruselkabinett - 59 - Das violette Automobil & Gruselkabinett - 74 - Die Macht der Dunkelheit). Obwohl Skriptautor Marc Gruppe meist dicht an der Originalgeschichte zu bleiben, hat er diesmal diverse kleine Änderungen gegenüber dem Original vorgenommen. Bereits zur Eröffnung gibt Gruppe als Jahr der Handlung 1923 an, während Nesbit auf eine konkrete zeitliche Einordnung verzichtet. Eigentlich ist das genaue Jahr für den weiteren Verlauf auch eher unwichtig, betrachtet man die Geschichte aber in ihrer Gesamtheit, hätte ich persönlich ein Setting im 19. Jahrhundert passender gefunden. Das Intro, welches bei Nesbit mit wenigen Sätzen abgehandelt wird, fällt hier sehr viel ausführlicher aus. Das bewirkt zwar einerseits, daß der Hörer sich ein besseres Bild des Protagonisten Philipp machen kann, andererseits dauert es so aber auch länger, bis die Handlung an Fahrt aufnimmt. Im Gegenzug bringt Gruppe aber zusätzliche Dynamik ins Geschehen, indem er Philip unverzüglich auf den Speicher gehen und nicht, wie bei Nesbit, bis zum nächsten Morgen damit warten lässt. Interessanterweise hat sich Marc Gruppe dazu entschlossen, die Schlüsselzene während eines heftigen Gewitters spielen zu lassen. Dies steht in Kontrast zu Nesbit, denn dort ist von einem Unwetter nicht die Rede. Ich muss sagen, ich hätte hier Nesbits Variante vorgezogen, da ich ein Freund des leisen Grauens bin. Gleichwohl gebe ich zu, daß Gruppes Setting viel dramatischer daherkommt. Auch in der Schlussszene gibt es eine gravierende Änderung. Als Philip zu dem brennenden Haus kommt, scheint dieses bei Gruppe leer zu sein, während bei Nesbit klar ist, daß sich Mildred noch darin befindet. Diese Abänderung kann ich nur begrüßen, da ihr "Erscheinen" so nicht nur völlig überraschend kommt, sondern zunächst auch noch Raum für andere Interpretationen bleibt.
Die Geschichte befindet sich ebenfalls im englischsprachigen Public Domain und ist im Internet unter http://www.gutenberg.org/files/40321/40 ... 0321-h.htm nachzulesen.
Für die Produktion und Regie sind Stephan Bosenius und Marc Gruppe zuständig, und die beiden geben alles, um die Geschichte möglichst effektvoll zu inszenieren. Bereits während der eher friedlichen Eröffnung erklingt düstere Musik, welche den Hörer auf den kommenden Schrecken vorbereitet. Im Laufe des Hörspiels wechseln sich dann dunkle Weisen mit ruhigen, fast heiteren Melodien ab und sorgen so für adäquate Übergänge und Untermalung. Besonders beeindruckt hat mich die dichte Geräuschkulisse. Neben dem effektvoll gestalteten Gewitter mit krachenden Blitzen, peitschendem Regen und bedrohlichem Donnergrollen, ist auch jede andere Szene mit einer Vielzahl an Geräuschen versehen. Diese sind zwar allesamt "trivialer" Natur, wie beispielsweise das Rascheln von Papier, das Rücken von Stühlen oder das Klappern von Besteck, aber allein ihre Menge verleiht jeder Sequenz des Hörspiels eine natürliche Lebendigkeit. Effekte, wie der leichte Hall in der Zelle oder die dumpf klingenden Stimmen im Nebenzimmer, sorgen noch für zusätzliche Realitätsnähe.
Zu den Sprechern:
Herbert Schäfer(Philipp Devigne), der auch als Erzähler fungiert, überzeugt voll und ganz in seiner Rolle des jungen Mannes, der bereit ist, alles für seine Liebe zu tun. Egal ob ihn die Ereignisse fassungslos machen und er seinen Text stotternd vorträgt, oder ob er den Verschlafenen spielt, man glaubt ihm jedes Wort. Eva-Maria Werth(Mrs. Mayhew) ist gut als ältere Zimmerwirtin, die in Philipp schon ihren künftigen Schwiegersohn sieht, genau wie Janina Sachau(Mildred Mayhew) als ihre kecke Tochter. Die Art und Weise, wie Sachau hier agiert, erklärt für mich auch, warum Marc Gruppe das Setting auf 1923 verlegt hat, denn 1893 hätte wohl kaum eine junge Frau aus der Mittelschicht so mit einem Mann geredet. Beate Gerlach(Hausdame Jane) macht viel Spaß in ihrer Rolle der freundlichen, besorgten älteren Hausangestellten, genau wie Daniela Bette(Mistress) als mysteriöse Frau mit verführerischer Stimme. Bette spricht ihren Part sehr leidenschaftlich, und ihr Jammern und Flehen ist dermaßen eindringlich, daß man als Hörer sofort Mitleid bekommt. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Matthias Lühn(Teufel). Lühns etwas raue Stimme wirkt auch, wenn er, so wie hier, seinen Text sanft aber eindringlich spricht, und ganz so, wie es sich für den Leibhaftigen gehört, scheint jedes Wort mit einem schmeichlerischen Unterton versehen zu sein. Florian Jahr(Feuerwehrmann) hat nur einen kurzen Auftritt als autoritärer Brandbekämpfer. Die Rolle der verzweifelten Mutter der Mistress bleibt seltsamerweise unerwähnt, obwohl die Sprecherin einen weitaus größeren Auftritt hat als Jahr. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, daß es sich hier ebenfalls um Eva-Maria Werth handelt. Ihr intensiv gespieltes Portrait hat mich jedenfalls beeindruckt.
Fazit:
Romantiker dürften hier zwar etwas mehr auf ihre Kosten kommen, aber auch die Schauer- und Gruselfreunde gehen nicht leer aus.
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