Rezension: Gruselkabinett - 175 - Der Student von Prag
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Rezension: Gruselkabinett - 175 - Der Student von Prag
Gruselkabinett - 175 - Der Student von Prag
Zum Inhalt:
Obwohl der lebenslustige Prager Student Balduin als bester Fechter der Stadt geachtet wird, plagen ihn die Sorgen. Sein geerbtes Vermögen hat er bereits mit Wein, Weib und Freunden verprasst. Nun ist guter Rat teuer. Da kommt ihm das seltsame Angebot des Wucherers Scalpinelli gerade recht. Dieser bietet ihm hunderttausend Goldstücke und verspricht gleichzeitigen gesellschaftlichen Aufstieg. Dafür verlangt er lediglich etwas, das sich im Zimmer des Studenten befindet. Da er keinerlei wertvolle Gegenstände besitzt, willigt Balduin sofort ein. Doch als er begreift, was ihm der undurchsichtige Salpinelli da abkauft, ist es bereits zu spät, und das Schicksal nimmt seinen verhängnisvollen Lauf...
Zur Produktion:
Hanns Heinz Ewers (03.11.1871 - 12.06.1943), der mit Zweitnamen eigentlich Heinrich hieß, gehört mit Sicherheit zu den interessantesten Autoren, deren Werke Titania Medien als Hörspiele vertont. Das liegt wohl auch daran, daß seine Geschichten meist phantastische und erotische Elemente enthalten, was ihn bereits zu Lebzeiten zum skandalumwitterten Bestsellerautoren machte. Dabei wechselte er immer wieder seine Ansichten, was erklärt, warum er einerseits für die Gleichberechtigung der Juden war, andererseits aber 1931 der NSDAP beitrat und deren Propagandaarbeit unterstützte. Joseph Goebbels wollte, daß Horst Wessel zum Märtyrer der Nazis aufgebaut werden solle, und da Ewers ein ehemaliger Kommilitone und guter Bekannter war, sollte er diese Aufgabe übernehmen.
Zwar verfasste Ewers einen entsprechenden Roman, doch der gefiel weder ihm selbst noch Goebbels. Nach dem Röhm-Putsch 1934 durfte bis auf "Reiter in deutscher Nacht" keines seiner Werke mehr veröffentlicht werden. Zu Ewers Ehrenrettung muss aber auch gesagt werden, daß er ab 1935 seine jüdischen Freunde unterstützte, indem er ihnen Visa in die USA und nach Großbritannien verschaffte. Gesundheitliche Probleme sowie berufliche und persönliche Krisen schwächten ihn derart, daß er schließlich 1943 in seiner Berliner Wohnung verstarb.
Ewers war jedoch nicht nur Autor, sondern auch bekennender Freund des noch jungen Mediums Film. Ab 1913 arbeitete er zusammen mit dem berühmten Darsteller Paul Wegener für die "Deutsche Bioscop G.M.B.H.", eine Produktionsfirma, welche Filme mit künstlerischem Anspruch produzierte. Ihre erste Zusammenarbeit für den Film "Der Verführte" blieb zwar hinter den damaligen Erwartungen zurück, doch bereits das zweite Werk, "Der Student von Prag", gilt bis heute als erster Kunstfilm überhaupt und wurde nicht nur deshalb zu einem Meilenstein der Filmgeschichte.
Ewers verfasste das Drehbuch, und Paul Wegener übernahm zusammen mit Stellan Rye die Regie. 1913 war das erfolgreichste Jahr des Autors, und er gewann sogar einen Preis - bemerkenswerterweise in einer Schönheitskonkurrenz für Männer.
Doch zurück zum "Student von Prag". Bereits 1926 erschien eine Neuverfilmung, die wiederum auf Ewers' Drehbuch basierte und von Regisseur Henrik Galeen nur unwesentlich verändert wurde. Wer einen Blick auf das Hörspielcover geworfen hat, weiß, das außer Hanns Heinz Ewers auch noch Leonard Langheinrich-Anthos (17.05.1890 - 07.06.1944) als Autor genannt wird. Langheinrich-Anthos war Journalist, Literaturkritiker, Schriftsteller und Rundfunkmoderator. In letztgenannter Position gilt er als Pionier bei der Vermittlung literarischer Inhalte im Rundfunk. Ewers' Drehbuch von "Der Student von Prag" diente ihm 1930 auch als Basis für seine gleichnamige Novelle, die damit wohl das allererste "Buch zum Film" gewesen sein dürfte.
Da eine ausführliche Analyse bzw. ein Vergleich der beiden Stummfilmversionen den Rahmen dieser Rezension sprengen würde, belasse ich es bei der Anmerkung, daß sich Langheinrich-Anthos' Novelle eher an der Neuverfilmung, als am Original orientiert. Das wird besonders durch den Anfang und den Schluß deutlich, den es so nur in der Version von 1926 gibt und den auch Skriptautor Marc Gruppe für sein Hörspiel übernommen hat.
Da mir die Novelle bedauerlicherweise nicht vorliegt, kann ich diesmal auch keinen Vergleich zwischen Hörspiel und literarischer Vorlage anstellen.
Übrigens handelt es sich nach Gruselkabinett 28,87,151 und 163 bereits um die fünfte Vertonung eines Werkes von Ewers.
Fakt ist, daß Gruppe hier komplett darauf verzichtet hat, den sprachlichen Duktus zu modernisieren. Dementsprechend finden sich im Hörspiel auch so altertümliche Begriffe wie Busennadel, Oheim, Kalesche, Vestibül, Schießeisen und Zimbel. Das mag zwar den modernen Hörer zunächst ein wenig irritieren, doch fast alle Ausdrücke lassen sich allein schon aus dem Kontext erschließen. Darüber hinaus sind es solche Wörter, die dafür sorgen, daß der Hörer nicht nur komplett in die Handlungszeit von 1820 eintauchen, sondern auch die gesamte Laufzeit von fast 90 Minuten darin verweilen kann.
Die Handlung an sich läuft zwar recht unprätentiös ab, ist aber auf Grund der eingestreuten, sich langsam steigernden Gruselelemente (Stichwort "Schwarze Messe") so spannend, daß man gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht.
Wie gewohnt wissen Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe zu gefallen. Die eingesetzte Musik ist abwechslungsreich und passt immer zum Geschehen. Neben den klassischen Instrumenten wie Klavier, Geige, diverse Blasinstrumente und Harfe, kommt hier auch ein Spinett zum Einsatz. Die Melodien sind mal fröhlich und ruhig, dann wieder aufwühlend und fast schon peitschend.
Besonders gut gefallen haben mir die orchestralen Stücke und natürlich der Choral. Für Dramatik sorgen dabei der Synthesizer mit seinen düsteren Tönen sowie die fast atonal angeschlagenen Klaviertasten. Highlight sind aber mit Sicherheit die Musikstücke, die klingen, als wären sie einem Horrorfilm entnommen worden. So stimmig die beinahe konstante Musikuntermalung auch ist, manches Mal hätte ich mir doch gewünscht, daß an der einen oder anderen Stelle keine Musik eingespielt worden wäre, einfach um die Szene für sich wirken zu lassen.
Die üppige Geräuschkulisse ist erneut ein Ohrenschmaus! In der Eröffnungsszene krächzen die Krähen, das welke Laub raschelt unter der Füßen des Erzählers, dazu weht ein leichter Wind. So bombastisch inszeniert wie die Eingangsszene, ist auch der Rest des Hörspiels. Im Wirtshaus hört man die diversen Gäste durcheinanderreden, in der Ferne vernimmt man Hundegebell, ein Zweispänner fährt vor, die Pferde wiehern aufgeregt, und auch das klappernde Zaumzeug ist deutlich zu hören. Selbstverständlich wurden die kleinen Zwischentöne ebenfalls nicht vergessen. Wenn Figuren ihren Platz verlassen, werden Stühle gerückt, es quietscht ein wenig, als über den Spiegel gewischt wird, und die Reitgerte peitscht dermaßen realistisch, daß der Hörer beinahe das Gefühl bekommt, selbst geschlagen zu werden. Ausgezeichnet dargestellt sind auch die Nachtszenen, bei denen die Zikaden zirpen, diverse Nachtvögel (unter anderem das "berühmte" Käuzchen) rufen und in der Ferne die Kirchenglocke schlägt. Apropos Vögel, in diesem Hörspiel taucht auch ein exotischer Vogel, der Kakadu, auf. Viele Produzenten hätten ihn wohl einfach weggelassen, aber Titania Medien lässt es sich natürlich nicht nehmen, auch diesen authentisch klingend mit einzubauen.
Damit der Hörer nicht aus der Handlung gerissen wird, beschränken sich die Effekte auf den Hall, mit dem das hämische Lachen von Scapinelli unterlegt ist, und das Leiser- bzw. Lauterwerden der Sprecher, wenn sie sich voneinander entfernen oder aufeinander zugehen.
Zu den Sprechern:
Peter Weis(Erzähler) ist hier nicht nur in der Funktion des Erzählers tätig, sondern agiert auch als Figur, welche die Geschichte eröffnet und beschließt. Dank seiner sauberen Betonung und den in seinem Vortrag jederzeit mitschwingenden Emotionen, gelingt es ihm mühelos, dem Hörer eine bildhafte Schilderung der Lokalitäten und Ereignisse zu liefern. Sprecherisches Highlight ist zweifellos Tim Schwarzmeier(Balduin/Spiegelbild) mit seiner Darstellung des lebenshungrigen Studenten und dessen skrupellosem Spiegelbild. Als Hochschüler klingt er unbeschwert und fröhlich, während er als sein Spiegelbild hart, düster und grausam erscheint. Dadurch, daß er zusätzlich seine Stimme noch ein wenig absenkt, vermittelt er gekonnt die Illusion, es handele sich tatsächlich um zwei verschiedene Persönlichkeiten. Höhepunkt seiner Darstellung sind sein Schluchzen und die damit verbundene Verzweiflung über sein Schicksal, die er so eindrucksvoll präsentiert, daß man als Hörer ganz ergriffen ist. Jonas Minthe(Zavrel) und Patrick Bach(von Dahl) spielen seine Kommilitonen. Während Minthe als der forsche, draufgängerische, leicht erregbare Charakter auftritt, ist Bach mit seiner ruhigen, besonnenen Art dessen Gegenpol. Beiden gemeinsam ist jedoch die spöttische Art, mit der sie die Ereignisse kommentieren. Beate Gerlach(Bozena) ist einfach großartig in der Rolle der leutseligen, leicht ordinären, lebenserfahrenen Wirtin, und Willi Röbke(Scapinelli) brilliert als undurchsichtiges altes Männchen, welches sich entweder mit schmeichlerischen Worten anbiedert oder überlegen, ja geradezu schadenfroh, lacht. Auch die weiblichen Sprecher sind ausgezeichnet besetzt. Janina Sachau(Lyduschka) intoniert die heißblütige, sorglose junge Zigeunerin, die Balduin zumindest so lange abgöttisch liebt, bis sie hinter sein düsteres Geheimnis kommt. Quasi im Kontrast zu dieser Figur, leiht Sigrid Burkholder(Komtesse Margit) ihre Stimme der lieblichen, ein wenig eitlen jungen Adligen, die zwar bereits verlobt, aber insgeheim doch in Balduin verliebt ist. Ihr zur Seite steht Horst Naumann(Graf Schwarzenberg) als würdevoller älterer Herr, der Balduin zunächst sehr dankbar ist, bis er das Glück seiner Tochter bedroht sieht. Nicolas König(Baron Waldis Schwarzenberg) spricht den eifersüchtigen, gegenüber Balduin arrogant auftretenden Vetter und Verlobten Margits. In weiteren Kurzrollen treten noch Bernd Kreibich(Fax) als treu ergebener Diener Balduins und Marc Gruppe(Diener) als würdevoller Lakai auf. Nicht unerwähnt bleiben sollen Dana Fischer(Kapellenbesucher), Silke Horvath(Kapellenbesucher) und Marc Gruppe(Kapellenbesucher) als schamlos agierende Orgienteilnehmer.
Fazit:
Perfekte Hörspieladaption der Vorlage, die regelrecht als Tonspur für die Stummfilmversion von 1926 dienen könnte.
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