Rezension: Gruselkabinett - 176 - Das Lächeln des Toten
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Rezension: Gruselkabinett - 176 - Das Lächeln des Toten
Gruselkabinett - 176 - Das Lächeln des Toten
Zum Inhalt:
Sir Hugh Ockram liegt im Sterben, aber bevor es soweit ist, möchte sein Sohn Gabriel noch den Segen des Vaters für die geplante Vermählung mit seiner Kusine Evelyn. Diese verweigert der alte Mann jedoch, ohne eine Begründung dafür zu liefern. Stattdessen lächelt er nur teuflisch, und obwohl ihn die bereits 100jährige frühere Amme Mrs. Macdonald noch bis zu seinem endgültigen Ableben bedrängt, schweigt er beharrlich. Gabriel befürchtet, daß es etwas mit der ungewöhnlichen Bestattungsart seiner Familie zu tun haben könnte...
Zur Produktion:
Die hier zu Grunde liegende Kurzgeschichte, "The Dead Smile", so der englischsprachige Originaltitel, wurde erstmals im August 1899 in der Zeitschrift "Ainslee's" abgedruckt, aber es sollte tatsächlich hundert Jahre dauern, bevor es 1999 zu einer deutschen Veröffentlichung in dem Buch "Lovecrafts dunkle Idole" kam.
Der amerikanische Autor Francis Marion Crawford (02.08.1854 - 09.04.1909), der sich einen Namen mit klassischen Gruselgeschichten machte, wurde im Laufe der Jahre so bekannt, daß man posthum sogar eine Hauptstraße im italienischen Sant'Agnello, die Stadt, in der er starb, nach ihm benannte. Seine Erzählungen sind auf gewisse Weise absolut zeitlos und jagen auch heutigen Lesern noch Schauer über den Rücken. Die nach seinen Vorlagen entstandenen Hörspiele von Titania Medien (Gruselkabinett 34 - Die obere Koje, 64 - Der schreiende Schädel, 160 - Denn das Blut ist das Leben) werden dementsprechend von den Hörern zu Recht ganz besonders geschätzt, und ich bin mir sicher, daß viele auch diese Folge mit zu den Besten der Reihe zählen werden.
Daß die Geschichte so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt an der kongenialen Art, mit der Skriptautor Marc Gruppe diese für das Medium Hörspiel adaptiert hat. Von Anfang an herrscht eine mehr als unheimliche Stimmung, die den Hörer bis zum Schluß in ihrem Bann hält. Gruppe hat zwar etliche Beschreibungen gekürzt oder auch ganz wegfallen lassen, aber diese sind für die Handlung unwichtig und dienten Crawford nur dazu, die romantischen Aspekte des Geschehens zu verstärken. Durch die Minimierung dieser Elemente verläuft die Erzählung nicht nur wesentlich rasanter, sondern wirkt auch sehr viel beklemmender und unheimlicher, als es bei Crawford der Fall ist. Wer jetzt aber trotzdem auch diese Teile noch nachlesen möchte, findet die Kurzgeschichte im englischsprachigen Original unter der Adresse https://www.gutenberg.org/files/40386/4 ... 0386-h.htm im Internet. Da Crawford keine veralteten Begriffe verwendet, musste Gruppe den sprachlichen Duktus auch nicht modernisieren. Seine Übersetzung ins Deutsche ist, bis auf einen etwas ungelenkt klingenden Satz ("...so sehr krank ist", statt des heute eher geläufigen "sterbenskrank") überaus gelungen und in den Fällen, wo er sich vom ursprünglichen Text löst und frei übersetzt ("on his head" wird bei ihm "mit ins Grab") übertrifft er sogar die literarische Vorlage. Nicht so passend bzw. etwas irritierend finde ich dagegen eine kurze Sequenz am Anfang des Hörspiels, als gleich drei der Protagonisten das gerade Gesagte wörtlich wiederholen. Das ist aber auch schon mein einziger Kritikpunkt, und der spielt, da es nur einmal geschieht, im Endeffekt auch nicht wirklich eine Rolle. Trotz der vorgenommenen Kürzungen, hat Gruppe im Großen und Ganzen darauf verzichtet, zusätzliche Dialoge mit einzubringen. Neu ist lediglich ein Gespräch über Träume zwischen dem Kammermädchen und Mrs. Macdonald, sowie die erweiterte Unterhaltung von Gabriel und Evelyn am Ende des Hörspiels. Ebenfalls hinzugekommen sind einige wenige schmückende Begriffe wie "nackt und schutzlos" oder "zu Willen sein", welche das grauenhafte Geschehen noch zusätzlich unterstreichen. Die zeitliche Verortung der Handlung in das Jahr 1911 korrespondiert übrigens mit den ersten Kurzgeschichtensammlungen Crawfords in Buchauform ("Uncanny Tales" & "Wandering Ghosts"), die im gleichen Jahr erschienen und beide diese Geschichte enthalten.
Gleichauf mit dem gelungenen Skript ist die packende Inszenierung von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, welche dieses Hörspiel zu einem ausgefeilten Gruselerlebnis werden lässt. Da wäre zunächst die musikalische Untermalung zu nennen, bei der einerseits klassische und damit zum Handlungszeitpunkt angemessene Instrumente wie Geige, Klavier und Orgel zu vernehmen sind, und andereseits moderne Klänge wie die des Synthesizers, welcher für die unheimlichen und düsteren Töne verantwortlich ist. Dazu kommen noch zwei Chöre, ein rein weiblicher, dessen anfänglicher Singsang in eine eindrucksvolle Melodie übergeht, und ein gemischter Chor, der das Grauen noch unterstreicht. Erst am Schluß, als eine harmonische Weise eingespielt wird, ändert sich die unheilschwangere Grundstimmung und verabschiedet den Hörer mit einer positiven Note.
Ebenso passend wie die Musik, sind aber auch die vielfältigen Geräusche, die das Geschehen einmal mehr perfekt akzentuieren. Der bedrohlich wehende Wind, das Krächzen der Krähen, das prasselnde Kaminfeuer, die rufenden Nachtvögel, das Maunzen und Schreien der alten Katze, die knarrende Schranktür und die hellschlagende Uhr sowie das tropfende Wasser in der Gruft, sind nur einige Beispiele für die sorgfältige Produktionsweise, die hier an den Tag gelegt wird. Zu den akustischen Highlights gehören für mich ganz klar die Enthauptung, welche geschickterweise nur durch das geschwungene Schwert verdeutlicht wird und damit dem Hörer Raum für die eigene Phantasie lässt, wie auch die markerschütternden Schreie des Geistes, bei denen ich mich mehrmals erschrocken habe, da diese so unvermittelt eingespielt werden. Geradezu beängstigend ist auch das geisterhafte Stöhnen und das schaurige Gelächter des Toten, die beide mit einem Halleffekt versehen wurden.
Zu den Sprechern:
Matthias Lühn(Gabriel Ockram) ist gleichzeitig Hauptdarsteller und Erzähler und kann in beiden Bereichen punkten, da er seine Stimme jeweils entsprechend anpasst. Wenn er als Erzähler aktiv ist, fällt sein Vortrag eher nüchtern aus, aber wenn er spielt, geht er ganz in seinem Part auf. Am Totenbett flüstert er seinen Text, wenn er überrascht ist, ruft er laut, und als er fast wahnsinnig wird, verfällt er in herzergreifendes Schluchzen. Herbert Tennigkeit(Sir Hugh Ockram) ist in der Rolle des Vaters geradezu der Inbegriff von Boshaftigkeit. Selbst während er Evelyn mit krächzender Stimme Komplimente macht, lässt einen sein Unterton frösteln. Highlight seiner Darstellung ist aber mit Sicherheit das hämische Lachen, welches keinen Zweifel daran lässt, daß er ein Grauen erregendes Geheimnis verbirgt. Geradezu ein Inbegriff der Lieblichkeit ist hingegen die wohlklingende Stimme von Fabienne Hesse(Evelyn Warburton) als leicht verhuschte und entfernte Kusine Gabriels, die sich vor ihrem zukünftigen Schwiegervater gruselt, auch wenn sie ihm zu Ehren noch ein "Vater unser" betet. Beate Gerlach(Mrs. Macdonald), die ihre leicht raue Stimme der 100jährigen Amme leiht, ist exzellent in ihrem Part der ein wenig herrisch agierenden goßen alten Dame, die ahnt, welch düsteres Geheimnis Sir Ockram mit in sein Grab nehmen will. Auch wenn ihre Rolle wesentlich kleiner ausfällt, kann Sigrid Burkholder(Kammermädchen) als freundliche, fürsorgliche Zofe von Mrs. Macdonald ebenfalls überzeugen. In weiteren Nebenrollen sind noch Janina Sachau(Krankenschwester) als junge, hingebungsvolle Pflegerin sowie Bodo Primus(Miller, ein Pächter) als jovialer Liegenschaftsmieter, der eine feierliche Rede hält, und Marc Gruppe(Diener) als völlig verängstigter Hausangestellter zu hören. Der schrecklich schreiende Geist bleibt bedauerlicherweise ungenannt.
Fazit:
Die fast 58minütige Reise in das Reich des Grauens wird sowohl bei langjährigen Fans als auch bei Neueinsteigern eine wohlige Gänsehaut erzeugen.
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