
Gruselkabinett - 58 - Pickamns Modell
Zum Inhalt:
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entsetzen die Bilder des Künstlers Richard Upton Pickman die Bostoner Kunstszene, denn seine bevorzugten Motive sind Gestalten, die aus Alpträumen entsprungen zu sein scheinen und unaussprechliche Taten begehen. Nur Henry Thurber, ein Mitglied des Kunstvereins, den die Bilder beeindrucken, verdammt den Künstler nicht. Er beginnt, sich mit Pickman anzufreunden und nach und nach vertraut sich der Maler ihm an.
Zur Produktion:
Da H.P. Lovecraft zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört, freue ich mich jedesmal riesig, wenn Titania sich wieder der Herausforderung stellt, eine seiner Geschichten als Hörspiel zu adaptieren. Bis heute gibt es kaum Verfilmungen seiner Stoffe, schon gar keine adäquaten. Ähnlich sieht es mit Vertonungen aus, die größtenteils aus durchaus gut gelesenen Hörbüchern bestehen. Umso größeren Respekt verdient Marc Gruppe für die Erstellung eines Hörspielskripts. Um die Geschichte zu transportieren, musste er auch diesmal einige minimale Veränderungen an der Textvorlage vornehmen. Die beeindruckende Sequenz zu Beginn ist von ihm frei erfunden, bietet aber durch ihre spannende Gestaltung einen guten Einstieg in die eigentliche Handlung. Auch bei den agierenden Personen hat sich Marc Gruppe ein paar Freiheiten nehmen müssen. Dr Reid, Eliot Granger und der Schaffner sind Charaktere, die sich in der Kurzgeschichte nicht verbal äußern, und der Taxifahrer fehlt ganz. Auf diese Weise erhält das Ohr jedoch die nötige Abwechslung, da man, ginge es streng nach Lovecraft, nur zwei Sprecher zu hören bekommen hätte.
Im übrigen ist der Aufbau des Hörspiels mit der Erzählung auch im Wortlaut mehr oder weniger identisch. Die Gruselkurve steigt stetig an, obgleich dem Hörer schon früh klar ist, worin das eigentliche Grauen besteht. Das ist allerdings nicht Gruppes Schuld, sondern die Lovecrafts, der mit dem von ihm gewählten Titel den eigentlichen Clou vorwegnimmt. Das Ergebnis hat mir jedenfalls gefallen, und mit den kleinen Zugeständnissen an das Medium kann ich gut leben.
Hinsichtlich der Produktion gibt es eigentlich nichts zu bemängeln. Die einzelnen Szenen sind mit zahlreichen Geräuschen unterlegt und vermitteln ausgezeichnet die jeweils darzustellende Atmosphäre. Einsamkeit wird in Form eines unheimlich heulendem Wind, verbunden mit Blätterrascheln, erzeugt, und wenn der Hauptdarsteller in Gesellschaft ist, hört man nicht nur Stimmengemurmel, sondern auch Kleiderrascheln und zahlreiche andere Geräusche, die das Zusammensein einer größeren Menge Menschen suggerieren.
Als besonders gelungen empfand ich die Überblendung maschineller Geräusche mit tierischen Lauten in der Anfangsszene. Was die musikalische Untermalung angeht, bin ich allerdings etwas zwiegespalten. Einige Sequenzen, vor allem der Einsatz der Geigen gegen Ende, schienen mir sehr gelungen und passend zu sein, an anderen Stellen hingegen empfand ich die Musik als zu pompös beziehungsweise aufgeblasen und somit eher angemessen für ein Fantasyabenteuer statt eines Gruselhörspiels. Aber das sind natürlich Geschmacksfragen, die jeder Hörer für sich entscheiden muss.
Zu den Sprechern:
Wer die Hörspiele aus dem Hause Titania kennt, weiß das er immer mit einer ausgezeichneten Sprecherriege rechnen kann. Da bildet auch die 58te Folge keine Ausnahme, denn die Cast ist klein, aber extrem fein. Dietmar Wunder(Henry Thurber) hat den größten Sprechanteil und macht seine Sache ganz ausgezeichnet. Seine Darstellung des zunächst von Pickmans faszinierten Kunstkenners, dessen Bewunderung sich allmählich in Grauen und Ekel wandelt, ist eine hervorragende Leistung. Wunders Spiel bleibt immer nuanciert, und er vermittelt eindrucksvoll die sich stetig steigernde Angst, die schließlich in Aggressivität und Phobien gipfelt. Stefan Kaminski(Eliot Granger), das Sprachmorphwunder, bleibt hier ein wenig unterfordert. Nichtsdestotrotz gibt er eine überzeugende Vorstellung als besorgter Freund Thurbers, dessen anfängliche Skepsis erst in Irritation und dann in Entsetzen umschlägt. Sascha Rotermund(Richard Upton Pickman) kann und darf seine Rolle komplett ausleben. Schon seine Einführung mit einem beinahe wahnsinnig klingenden Gelächter sorgt für Gänsehaut und vermittelt etwas Dämonisches. Es ist Rotermunds sprachlichen Fähigkeiten zu verdanken, daß seine fanatischen Ausführungen, an denen er sich geradezu berauscht, nicht ins Lächerliche abrutschen. Ebenso passend wirkt Matti Klemm(Dr. Andrew D. Reid) der den Akademiker in seinem kurzen Auftritt mit anfänglich herablassender Distinguertheit agieren lässt, welche jedoch schnell in Unsicherheit umschlägt, die er mit herrischem Gehabe zu überspielen versucht. Die kurzen aber prägnanten Gastrollen werden von Hans Teuscher(Schaffner) herrlich knurrig und Friedrich Georg Beckhaus(Taxifahrer) mit brummiger Stimme gesprochen. Nicht genannt ist der Sprecher von Murray, einem Gast der Kunstgesellschaft, der auch nur einen kleinen Satz im Hintergund von sich gibt. Vermutlich hat Stefan Kaminski mit seiner wandelbaren Stimme hier kurz ausgeholfen.
Fazit:
Glänzende Umsetzung der schwierigen literarischen Vorlage.
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