Arrrghhh ist das gemein!
Da besorgt man sich ein Hörspiel, bei dem man nach all den vergurkten Preview-Soundschnipseln, seltsamen Ankündigungen und ersten Hörermeinungen überzeugt ist, es mit einer Megagurke zu tun zu haben. Man überlegt sich den ganzen Tag fiese kleine Bonmots für einen genüßlichen Verriß angesichts der Kultschändung und schiebt schließlich zu nächtlicher Stunde die erste Scheibe in den Player in der festen Überzeugung, nun echtes Hörgift in die Ohren zu bekommen... und was passiert? Ich höre ein Hörspiel, das mir richtig gut gefällt! All die Vorarbeit glatt umsonst, grrr...!
Aber was soll', natürlich bin ich froh darüber, dass mir die Wiederbelebung des alten Kults nun doch so viel Spaß macht - auch wenn ich vielleicht so ziemlich der einzige bin, dem es gefällt (viele Stimmen in den Hörspiel-Foren legen das jedenfalls nahe) :lol2:
Was das Marketing für die Macabros-Wiederbelebung angeht, hat Hörspiele-Welt wohl wirklich so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Erst gab es endlos lang gar keine News, dann tauchten plötzlich ein paar Teaser-Schnipsel auf, die dermaßen unprofessionell klangen, dass man nur in stiller Verzweiflung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen konnte. Macabros schien zu einem extrem unrühmlichen Ende verdammt zu sein, als dann auch noch herauskam, dass ausgerechnet ein schauspielerisch praktisch unbeleckter "Comedy-Kasper" wie Simon Gosejohann (Comedy Street, TV-Total, Elton vs. Simon, etc.) den Björn Hellmark/Macabros geben sollte
; passenderweise würde die "Fit for Fun-Mieze" Nandini Mitra seine Freundin Carminia spielen. Das konnte ja nichts werden... und dann noch diese unsägliche Staubsauger-Szene aus dem Teaser... neeeeee... Wenn die Doppel-CD nicht mit 7,99 € so billig gewesen wären, hätte ich mir das wohl sicherlich erspart.
Ich sollte vielleicht noch vorrausschicken, dass ich als Jugendlicher sowohl die Heftrommane (allerdings stieg ich da erst recht spät ein) und die alten Welbat/EUROPA-Hörspiele geradezu verschlungen habe. Die Hörspiele fand ich damals zwar sehr geil, allerdings waren sie für mich nie wirklich gelungene Romanumsetzungen, sondern etwas ganz eigenes mit ebenso eigenem Reiz. So konnte ich mich in der ersten Folge der Hörspiele auch zunächst nur schwer mit dem ironisch/lanokischen Douglas Welbat als Macabros anfreunden - aber das gab sichnatürlich sehr schnell.
Die Macabros-Romane sind halt wirklich fetter Fantasy-Horror-Trash, bei dem Autor Dan Shocker (Jürgen Grasmück) seiner Fantasie keinerlei Fesseln anlegte; fernab jeglicher Schreibkunst machen die Romane (genau wie japanische Monsterfilme
) einfach nur Spaß. Der spezielle Witz dieser Romane (der von Douglas Welbat in der Bearbeitung ja noch gesteigert wurde) erschließt sich aber wohl wirklich nur wahren Trash-Fans
Andere werden das ganze wahrscheinlich einfach nur für billiges, doofes Geschreibsel halten
Man sollte also schon einen etwas seltsamen Geschmack (ähnlich wie Godzilla-Fans) haben, um sich mit Macabros auf die Reisen in verdammt seltsame Welten zu begeben - für "seriösere" Zeitgenossen gibt es ja zum Glück noch den eher biederen John Sinclair (oder dessen Vorbild Larry Brand).
Aber zurück zum ersten der neuen Hörspiele. Wie bereits geschrieben erwartete ich die absolute Katastrophe, eine unsägliche Schändung sowohl der Kult-Romane als auch der Kult-Hörspiele. Ich wurde jedoch sehr angenehm überrascht, denn "Der Monstermacher" ist hervorragend produziert und machte mir, trotz Überlänge, von der ersten bis zur letzten Minute einfach Spaß. Gosejohann klingt natürlich (gerade im Vergleich zu Douglas Welbats markanter Stimme) wirklich verdammt jung... aber er macht seine Sache keinesfalls schlecht und klingt wirklich nicht amateurhaft, wie ich zunächst befürchten mußte. Zwar könnte er manche Betonungen anders setzen, aber er klingt nie unnatürlich oder ablesend. Man sollte auch nicht vergessen, dass Hellmark im ersten Roman ein gerade mal 26jähriger Playboy ist, dessen Leben bislang nur aus Spaß bestand - zum abgebrühten Helden wird er ja erst mit der Zeit (und alles andere als freiwillig
). Gosejohann ist sicher nicht der beste Sprecher für die Rolle, geht aber meiner Ansicht nach durchaus als okay durch. Ur-Macabros Douglas Welbat spielt übrigens in der neuen Serie den Vater von Björn - und klingt wirklich nicht mehr wie 26, auch wenn mancher Fan das offenbar anders sieht; in jedem Fall ist es schön, Welbat auch in der neuen Hörspielen zu hören. Nandini Mitra als Carminia erweist sich im übrigen sogar als Idealbesetzung, die ihre Rolle perfekt ausfüllt. Auch die übrigen Sprecher passen zu ihren Rollen und leisten meist vorzügliche Arbeit (nur der Taxifahrer wirkte etwas daneben).
Viel Haue mußte Erzähler Hans-Jörg Karrenbrock einstecken, dessen Erzählweise häufig als langweilig und unbetont bezeichnet wurde. Ich bin völlig anderer Ansicht! Karrenbrock gibt einen sicherlich gewöhnungsbedürftigen Erzähler ab, ich finde seine Art zu sprechen, mit dem seltsamen Akzent und der ganz eigenen Betonung jedoch sehr reizvoll und zum Hörspiel passend. Auf mich machte es fast den Eindruck, als hätte die Regie versucht, ihn selbst wie einen Erzähler aus dem alten Xantilon wirken zu lassen, dessen Muttersprache nicht die unsere ist. Offen gestanden hatte ich bei seinen Erzählertexten häufig den Woodoo-Priester aus "James Bond - Leben uns sterben lassen" vor meinem geistigen Auge
Für mich war das eine sehr wohltuende Abwechlung zu "Märchenonkeln" a la Kerzel (den ich zwar sehr schätze, aber mir doch etwas übergehört habe).
Interessant ist auch die Entscheidung, viele ausländische Rollen (Franzosen und Japanern) mit ausländischen oder sehr perfekt ausländisch klingenden Sprechern zu besetzen, die einen starken Akzent haben, was dem Hörspiel viel Flair verleiht (besonders hervorzuheben sind hierbei Iris Rohmann als Journalistin Chantalle Durimand, sowie die Sprecherinnen der japanischen Freudenmädchen). Es wundert zwar etwas, dass dieses Konzept nicht konsequent durchgehalten wurde (andere Sprecher klingen wieder absolut europäisch), aber mich störte das eigentlich nicht sonderlich.
Der Sound unterstreicht großartig die fremdländische Atmosphäre (offenbar hat man - laut Booklet - tatsächlich in Frankreich und Japan Außenaufnahmen eingefangen, was sich definitiv gelohnt hat). Anders als bei John Sinclair setzt man bei den Geräuschen nicht auf möglichst viel "Kra-Wumms, sondern auf Natürlichkeit; mich hat die klangliche Atmosphäre des Hörspiels jedenfalls vollkommen überzeugt, der "Film im Kopf" funktionierte großartig. Technisch gibt es allerdings zu bemängeln, dass bei manchen Dialogszenen ein leises Rauschen hörbar wird; da in verschiedenen Studios produziert wurde, hat man wohl irgendwo gepatzt. Kein wirklich schlimmer Faux Pax (und wohl nur mit guten Kopfhören so deutlich wahrnehmbar), aber doch etwas schade und sicher zu vermeiden gewesen. Teilweise wurden weiter entfernte Personen etwas leiser eingespielt, wohl um Raumgefühl zu erzeugen... diese an sich recht gute Idee funktioniert in der Praxis aber leider nicht so gut, wie man annehmen sollte; glücklicherweise wird dieser "Effekt" nur sehr selten eingesetzt.
Ein echter Hammer ist die Musik, die wirklich grandios zu Macabros passt und dem Hörspiel das Tüpfelchen aufs I setzt. Meist geht es recht hardrockig mit viel "Wumms" zu, aber es finden sich auch Hommages an die alte EUROPA-Serie. Gerade das kleine Stück, dass dort nach der legendären Title-Sequenz "Der March brennt! Er brennt!" gespielt wurde, findet sich fast unverändert auch hier und erklingt während des Hörspiels noch des öfteren - eine sehr schöne Verbeugung vor der Kult-Serie, die mir gut gefiel und keinesfalls aufgepropft wirkte.
Fazit:
Macabros - Der Monstermacher ist meines Erachtens ein richtig geiles Hörspiel geworden, das für mich qualitativ und atmosphärisch zwischen "U666 - Taufahrt des Grauens" und "Caine" anzusiedeln ist. Anders als viele andere Hörspiele ist es aber doch sehr stark geschmacksabhängig, ob man mit Dan Shockers seltsamen Welten etwas anfangen kann. Wer aber auf die Macabros-Romane steht, dem sollte dieses Hörspiel wirklich verdammt viel Spaß machen. Wenn Hörspiele-Welt die kleinen Patzer in den Griff bekommt und Simon Gosejohann tatsächlich als Sprecher markanter wird, um der Rollenentwicklung gerecht zu werden, kann man sich auf die weiteren Hörspiele wirklich freuen. Abzuwarten bleibt dabei allerdings, ob Hörspiele-Welt mit dem gewöhnungsbedürftigen Objekt der Begierde und der eigenwilligen Umsetzung wirklich genügend Käufer finden wird... ich drücke jedenfalls beide Daumen, empfehle Simon Gosejohann viel Wiskey und Zigarren zur Stimmentwicklung
und freue mich auf die weiteren Macabros-Hörspiele.
Für mich lebt Macabros (nach Romanen und Europa-Kult) nun definitiv zum dritten Mal!
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PS: Wie mir erst nach dem Hören (nach einem Blick ins Booklet) wirklich klar wurde, stammt die sehr sehr geile Titelmusik von meinem Firmen-Kollegen Matthias Lemcke! War wirklich gut, dass ich ihm von dem Titelmusik-wettbewerb erzählte