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Gruselkabinett - 87 - Alraune
Zum Inhalt:
Die Pflanze Alraune und die Mythen, die sich um sie ranken, bringen Frank Braun und seine Freunde der feinen Gesellschaft auf die Idee, eine menschliche Alraune zu erschaffen. Alles, was sie dafür benötigen, ist der letzte Samen eines eines Gehängten und eine Prostituierte, die mit der künstlichen Befruchtung einverstanden ist. Dank des nicht unbeträchtlichen Vermögens der Gruppe und der Geldgier ihrer Mitmenschen, können sie beides problemlos beschaffen, und so beginnt ein unheilvolles Experiment. Schnell stellt sich heraus, daß sich Alraune schon im Kindesalter sehr seltsam verhält.
Zur Produktion:
Nachdem das Label Titania bereits 2009 "Die Spinne"(GK 38) von Hanns Heinz Ewers als Hörspiel herausgebracht hat, warteten Fans ungeduldig auf eine Adaption seines wohl bekanntesten Romans "Alraune", der 1911 erstmals publiziert wurde. Um das illustre Leben und Wirken von Hanns Heinz Ewers(03.11.1871-12.06.1943) zu beschreiben, reicht diese Rezension nicht aus. Interessierte seien auf das Internet und die dort veröffentlichten Artikel verwiesen. Bei "Alraune" handelt es sich erst um das zweite Buch der Autors überhaupt, und hier vermischt er die von ihm bevorzugten Genres Erotik und Phantastik. Aufgrund der verruchten Thematik, entwickelte sich das Buch innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller. Der Erfolg war so groß, daß Ewers selbst ein Drehbuch für das noch junge Medium Film verfasste. Da ich Ewers Werk, und somit auch seinen Stil, nicht kenne, mag man es mir nachsehen, daß ich keinen Vergleich zwischen dem Roman und dem Hörspielskript von Marc Gruppe anstelle. Wie schon bei der Folge "Der Mönch" (GK 80&81), spielen die erotischen Elemente eine weitaus größere Rolle als die gruseligen. Dabei ist die Hinrichtung des Lustmörders, trotz ihrer Kürze, durchaus schreckenerregend und das Schicksal von Alraunes Eltern mehr als makaber, aber danach beruht das Grauen allein auf Alraunes unglaublich gefühlloser Art und den daraus resultierenden Toden in ihrer näheren Umgebung. Obwohl Titania mit der Spielzeit von über 89 Minuten die maximale Laufzeit einer CD ausnutzt, kommt das Ende dann doch recht abrupt und hat, zumindest auf mich, etwas als Antiklimax gewirkt. Möglicherweise lag das aber auch nur daran, daß ich mir einfach nicht vorstellen konnte, welches Los Alraune ereilen würde.
Ich muss sagen, mir gefällt es sehr, daß die beiden Produzenten Stephan Bosenius und Marc Gruppe sich entschlossen haben, die Hintergrundmusik ein wenig leiser einzuspielen. So ist es leichter, sich ganz auf die Stimmen zu konzentrieren und die musikalische Untermalung trotzdem unterschwellig wahrzunehmen. Während beim überwiegenden Teil der Melodien diverse Streichinstrumente und das Klavier zum Einsatz kommen, gibt es eine Stelle, an der ein Lied zu hören ist, das von einem Orchester aus den 1920er Jahren zu stammen scheint und das sehr zum authentisch klingenden Setting beiträgt. Darüber hinaus sorgt gerade die Geräuschkulisse für eine Vertiefung der Atmosphäre. Egal ob es sich dabei um singende Vögel im Park, das Stimmengemurmel in der Kneipe oder den heulenden Wind (der einfach in keinem Gruselhörspiel fehlen darf) handelt, alles klingt vollkommen natürlich.
Zu den Sprechern:
Um der Geschichte gerecht zu werden, benötigte Titania auch eine umfangreiche Besetzungsliste. Johannes Raspe(Frank Braun), der gleichzeitig auch als Erzähler fungiert, ist gut besetzt als jugendlicher Draufgänger, der ebenso unbedarft mit dem Leben anderer umgeht, wie der Rest der feinen Gesellschaft. Als etwas verwirrend empfand ich aber den Schluß der Geschichte, da Braun zum Ende hin, für mich völlig unmotiviert, sehr wohl sein Gewissen entdeckt. Hans Bayer(Geheimrat Jakob ten Brinken) hatte wohl eine der unangenehmsten Gestalten seiner Sprecherkarriere zu verkörpern. Mit seiner brummigen Stimme assoziert man eher einen Märchenonkel, und umso schockierender fallen dann die pädophile Gelüste aus. Überhaupt weichen einige der Beteiligten etwas von der, zumindest damals, üblichen sexuellen Norm ab. Dazu zählt auch Liane Rudolph(Fürstin Wolkonski) als adlige Dame mit einem Hang zu Lesbentum und Sadismus. Sie spielt diesen schwierigen Part jedoch vollkommen souverän, und insbesondere ihre finale Konfrontation mit Alraune bleibt dem Hörer nachhaltig im Gedächtnis. Gabrielle Pietermann(Olga, ihre Tochter) hat bereits als junges Mädchen eine Liebschaft mit ihrer besten Freundin Jacqueline Belle(Frieda Gontram), aber letztlich sind beide sofort bereit, sich von der anderen zu trennen, um mit Alraune eine Liaison zu beginnen. Wolfgang Welters(Justizrat Gontram) bereits älter klingende Stimme passt hervorragend zu der von ihm gespielten Figur des machtvollen Beamten, gleiches gilt für Kathrin Ackermann(Frau Gontram) als seine etwas herrisch wirkende Ehefrau, die Alraune von Anfang an ablehnt. Ebenfalls gut gefallen hat mir Bene Gutjan(Wolf Gontram) als leidenschaftlicher Jüngling, der Alraune seit seiner Kindheit verfallen ist. Solveig Duda(Alma Raune) überzeugt mit ihrem Portrait der verdorbenen Prostituierten, der zu spät die Konsequenz ihres gierigen Verhaltens klar wird. Die Figur des skrupellosen Arztes, der sich hörbar an der Wehrlosigkeit seines Opfers erfreut und der ebenfalls für Geld zu jeder Schandtat bereit ist, wird von Pascal Breuer(Dr. Karl Petersen) gespielt. Tobias Lelle(Rechtsanwalt Manasse) ist klasse als etwas undurchsichtiger Rechtsanwalt, der dem Hörer das nötige Hintergrundwissen über die Alraune-Pflanze vermittelt und dessen Warnungen immer wieder ignoriert werden. Und dann ist da natürlich noch Sabine Bohlmann(Alraune ten Brinken) deren Rolle dem Begriff "Femme fatale" eine ganz eigene Bedeutung verleiht. Bohlmann spielt die gefühllose Frau, deren einzige Freude das Unglück anderer Menschen zu sein scheint, mit einer beeindruckenden Intensität, und die Art und Weise, mit der sie eiskalt auf den Tod der ihr Verfallenen besteht, löst beim Hörer so manchen Schauder aus. Auch die Besetzung der verbliebenen Nebenrollen kann man nur als gelungen bezeichnen. Hasso Zorn(Aloys, Diener) macht als Bediensteter, der schon ein wenig in die Jahre gekommen ist, und den die Ereignisse doch ziemlich mitnehmen, genauso viel Spaß wie sein ebenfalls sehr beunruhigter "Kollege" Manfred Lehmann(Froitsheim, Diener). Regina Lemnitz(Franks Mutter) hat einen kurzen aber prägnanten Auftritt als ihrem Sohn gegenüber durchaus mütterlich agierende Frau, die aber nicht weniger abgebrüht ist als dieser. Harald Dietl(Henker) verkörpert wunderbar die Rolle des gewissenlosen Scharfrichters mit der dreckigen Lache, ebenso wie Marc Gruppe(Gehilfe) seine als dessen rechte Hand. Zuletzt sei noch Johannes Steck(Lustmörder Noerrissen) erwähnt, dem es trotz seiner extrem kleinen Rolle gelingt, das Mitleid des Hörers zu wecken.
Fazit:
Geschmackvolle Umsetzung einer doch relativ reißerisch angelegten literarischen Vorlage.
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