Rezension: Gruselkabinett - 95 - Die Falle
Verfasst: Do 20.11.2014, 12:36
Gruselkabinett - 95 - Die Falle
Zum Inhalt:
Weil die Heizung in der Schule ausgefallen ist und er ohnehin nur drei Schüler hat, beschließt der neue Lehrer, Ben Canevin, die Jungen zu Hause zu unterrichten. In seiner Wohnung fällt den dreien sofort der ungewöhnliche Wandspiegel auf, den Carnevin von den Jungferninseln mitgebracht hat. Besonders Robert Grandison ist von dem Gegenstand ganz fasziniert, und da er nach dem Unterricht frei hat, bleibt er noch ein wenig länger bei seinem Lehrer. Als Carnevin nach kurzem Aufenthalt aus der Küche zurückkommt, scheint der Junge jedoch einfach nach Hause gegangen zu sein. Zunächst ärgert sich der Lehrer über dessen wortlosen Abschied, bis sich abends herausstellt, wohin Robert verschwunden ist.
Zur Produktion:
"The Trap", wie die Geschichte im englischen Original heißt, erschien erstmals im März 1932 in dem amerikanischen Roman-Magazin "Strange Tales of Mystery and Terror". Für Autor Henry S. Whitehead(05.03.1882 – 23.11.1932) ist dies, nach Gruselkabinett - 82 - Der Zombie, nunmehr der zweite Auftritt innerhalb der Reihe. Zunächst war ich ein wenig verblüfft darüber, daß Titania es unterlassen hat, den berühmten Brieffreund und Co-Autor Howard P. Lovecraft ebenfalls zu nennen. Schließlich dürfte dessen Name einen viel größeren Kaufanreiz bieten, als der weitaus weniger geläufige Name Whiteheads. Vergleicht man jedoch das Hörspielmanuskript von Marc Gruppe mit der ursprünglichen Vorlage, die jeder Interessierte unter http://www.hplovecraft.com/writings/fiction/trap.aspx selbst nachlesenkann, wird schnell klar, warum so entschieden wurde. Der geübte Leser wird bei der Lektüre sofort alle Passagen, welche von Lovecraft stammen, erkennen. Es handelt sich vor allem um die Beschreibungen der bizarren Spiegelwelt, die aber nicht für das Hörspiel verwendet wurden. Überhaupt werden Puristen an dieser Adaption wohl nicht viel Freude haben, denn das Ganze mutet eher wie eine Nacherzählung, als eine werkgetreue Vertonung an. Aus Gründen der Dramaturgie ist die zeitliche Abfolge von Ereignissen geändert bzw. gestrafft worden, einige wurden sogar ganz weggelassen. Im Gegenzug gibt es dafür neue Szenen, besonders am Anfang und Ende des Hörspiels, sowie zusätzliche Protagonisten. Darüber hinaus bemüht sich Gruppe nach Kräften, der Handlung durch kleine Kniffe zusätzliche Dramatik zu verleihen, indem er z.B. aus Roberts Mutter eine Witwe macht und dessen Vater wegfallen lässt. Trotzdem bleibt das Geschehen, wie bereits in der literarischen Vorlage, zu harmlos, als daß es auch nur eine Gänsehaut erzeugen könnte. Stattdessen fühlte ich mich, nicht nur inhaltlich, sondern vor allem durch das ein wenig überzogen wirkende Intro und Outro, unwillkürlich an die Grusel-Heftromane der 1970er Jahre erinnert, die ich freilich immer als aufregend, aber selten als wirklich gruselig empfand. Daß es Marc Gruppe geschafft hat, eine spannende Geschichte zu präsentieren, der man gerne bis zum Schluß folgt, ist allein seinem schriftstellerischen Können zu verdanken.
Die Produktion selbst siedelt, wie gewohnt, am obersten Ende der Skala. Stephan Bosenius und Marc Gruppe setzen für die Musik hauptsächlich Klavier sowie Flöt- und Streichinstrumente ein, ohne dabei auf langezogene Synthesizersounds zu verzichten. Die orchestralen Stücke sind durchweg sehr dramatisch angelegt, so daß selbst Szenen, in denen eigentlich nicht viel passiert, düster und bedrohlich wirken. Das ist zwar der Stimmung schon sehr zuträglich, aber ich könnte mir vorstellen, daß man auch mit etwas dezenter gehaltenen Melodien eine ähnliche Wirkung erzielt hätte. Da die Spiegelwelt als solche akustisch nicht dargestellt wird, sind es vor allem alltägliche Geräusche, wie heulender Wind, der knisternde Kamin oder Käuzchenrufe, welche zum atmosphärischen Ablauf beitragen.
Zu den Sprechern:
Frank Schaff(Ben Canevin) kann in seiner Rolle der noch unerfahrenen, freundlichen Lehrkraft vollends überzeugen. Zunächst von den Ereignissen verunsichert, beweist er später gegenüber seinem Widersacher eine geradezu bissige Entschlossenheit. Sascha Wussow(Julian Browne) spielt den Leiter der Privatschule mit viel Enthusiasmus und Herzlichkeit, und der einzigartige Andreas Mannkopff(Schuldiener Mayer) amüsiert, wenn er den älteren Schulangestellten mit zittriger Stimme und trockenem Humor intoniert. Daniel Schlauch(Robert Grandison) ist großartig in seiner Darstellung des neugierigen Schülers, dessen Faszination für den Spiegel ihm zum Verhängnis zu werden droht. Es ist beeindruckend, seine Wandlung vom anfänglich interessierten, unbedarften Pennäler, hin zum völlig verstörten Jungen zu verfolgen, dessen Angst sich bis ins nackte Entsetzen steigert. Mindestens genauso gut fand ich die Leistung von Lutz Riedel(Axel Holm) als dunkler Magier, der seinen Text derart finster spricht, daß man glaubt, die Boshaftigkeit aus jeder Silbe tropfen zu hören. Cornelia Meinhardt(Mrs. Grandison) ist gut als Roberts von den Ereignissen vollkommen überforderte Mutter, genau wie Jacques Breuer(Magnus), dessen freundliche Stimme man als Gesprächspartner am Telephon hört. Jannik Endemann(Brian) und Timmo Niesner(Clark) spielen Roberts fröhliche Mitschüler, die sich gern ein bisschen über ihn lustigmachen.
Fazit:
Weniger gruselige, als vielmehr fesselnde Unterhaltung.
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