Rezension: Gruselkabinett - 96 & 97 - Madame Mandilips Puppe
Verfasst: Di 17.03.2015, 10:29
Gruselkabinett - 96 & 97 - Madame Mandilips Puppen
Zum Inhalt:
Eines Abends im November 1931, erhält Dr. Lowell, ein renommierter Facharzt für Geisteskrankheiten, ungewöhnlichen Besuch. Julian Ricori, ein stadtbekannter Gangsterboss, bringt seine rechte Hand Thomas Peters zu ihm. Peters ist nicht mehr ansprechbar, und trotz eingehender Untersuchung können weder Dr. Lowell noch sein Assistent Dr. Braile feststellen, was dem Mann fehlt. Kurz darauf stirbt Peters, nur um drei Minuten später in ein wahnsinniges Gelächter zu verfallen. Geschockt beschwört Ricori den Arzt, der Ursache dieser unheimlichen Geschehnisse nachzugehen. Dr. Lowell willigt ein, ohne zu ahnen, was damit auf ihn zukommt...
Zur Produktion:
Autor Abraham Merritt(20.01.1884 – 21.08.1943) war mir bis zu diesem Hörspiel nur als Verfasser von Fantasy-Geschichten bekannt.
Merritt, ein damals sehr populärer, vielbeschäftigter Journalist, betrieb die Schriftstellerei eher als Zeitvertreib und fungierte von 1937 bis zu seinem Tod als Herausgeber des angesehenen Magazins "The American Weekly".
Seine eigenen Geschichten wurden jedoch in diversen "Groschenheft"-Magazinen, wie "All-Story", "Argosy All-Story", "Argosy" und "Argosy Weekly" (die alle unter der Leitung von Frank Munsey standen) veröffentlicht. "Burn, Witch, Burn!" so der Originalname der dem Hörspiel zugrundeliegenden Erzählung, erschien ursprünglich ab dem 22.10.1932 als Vierteiler im "Argosy Weekly". Interessanterweise wurden im Laufe der Jahre zwar mehrere Horrorfilme unter dem gleichen Titel veröffentlicht, aber keiner davon basiert auf Merritts literarischer Vorlage. Lediglich der 1936 entstandene Film "The Devil Doll" verweist zumindest auf Merritts Werk als Quelle, auch wenn man diese Adaption, genau wie das Remake "Attack of the Puppet People"(1958) kaum noch als solche erkennen kann.
Umso befriedigender war für mich die Feststellung, daß Titania, bzw. Skriptautor Marc Gruppe, relativ dicht am Urtext bleibt, ohne diesem jedoch sklavisch zu folgen. So lässt er z. B. einige Handlungen von anderen Akteuren ausführen, als bei Merritt vorgesehen. Stellvertretend sei hier die Szene genannt, in der statt Dr. Lowell, die Krankenschwester versucht, Peters Augen zu schließen.
Wie diverse seiner zeitgenössischen Autoren, ist auch Merritt nicht frei von der Verwendung damals häufiger, rassitischer Stereotype.
So spricht etwa der italienische Leibwächter das übliche Kauderwelsch-Englisch, aber Gruppe hat solche heutzutage als politisch unkorrekt geltende Darstellungen konsequent vermieden.
Da die Geschichte sehr lang ist, mussten, trotz der üppigen Laufzeit von über 124 Minuten, einige Sequenzen wegfallen.
Den Großteil machen dabei Beschreibungen und Dialoge aus, welche die Handlung nicht wirklich voranbringen und auch nicht unbedingt zur Atmosphäre beitragen. Während diese "Kürzungen" noch durchaus akzeptabel sind, finde ich es aber sehr bedauerlich, daß sich Marc Gruppe entschlossen hat, das letzte Kapitel, in dem die Historie der Puppen beschrieben wird, komplett zu streichen. Aus dramaturgischer Sicht ist sein Vorgehen allerdings verständlich, da diese "Erklärungen" eher wie ein Antiklimax wirken und das Hörspiel so, im Gegensatz zu Merritts Geschichte, mit dem Höhepunkt enden kann.
Wer nun selbst einen Vergleich anstellen möchte, der kann die Story übrigens im Internet unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0607481h.html auf Englisch nachlesen.
Genauso gut wie die Geschichte selbst, haben mir auch Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe gefallen.
Jede Szene wurde mit einer Vielzahl unterschiedlicher, immer natürlich wirkender Geräusche unterlegt. Ob es der ums Haus heulende Wind ist oder auch "nur" ein aufflammendes Streichholz, die vielfältigen Töne tragen dazu bei, ein für den Hörer absolut glaubwürdiges, sehr detailliertes Klangbild zu erschaffen. Als akustisches Highlight empfand ich aber die Musik. Je nach Bedarf ertönen manchmal nur einzelne Instrumente, wie Klavier oder Geige, um dann wieder von einem kompletten Orchester oder stimmungsvollen Chorälen abgelöst zu werden. Leider verstehe ich von Musik zu wenig, um mich festlegen zu können, aber ich vermute, daß es sich bei der Schallplatte, die Madame Mandilip in ihrer Werkstatt abspielt, um eine Aufnahme von Maria Callas handelt. Unabhängig davon, wen man nun hört, unterstreicht diese musikalische Untermalung perfekt die Zeitlosigkeit der Puppenmacherin.
Zu den Sprechern:
Hans-Georg Panczak(Dr. Lowell), der hier auch als Erzähler fungiert, ist eine gute Wahl. Seine manchmal etwas kratzige Stimme passt ausgezeichnet auf den zunächst absolut rationalen Doktor, dessen anfänglicher Spott schnell von Ratlosigkeit verdrängt wird.
Jan Makino(Dr. Braile) spielt den Assistenzarzt dermaßen natürlich, daß man zu keiner Zeit das Gefühl hat, es handele sich "nur" um eine Hörspiel-Rolle. Ebenso glaubhaft agiert Antje von der Ahe(Schwester Harriet Walters), welche der Krankenschwester, mit viel Emotion in der weichen Stimme, Leben verleiht. Helmut Krauss(Julian Ricori) ist die ideale Besetzung des harten und zurecht sehr nervösen Gangsterbosses, genau wie seine beiden Leibwächter Dietmar Wunder(McCann) und Louis Friedemann Thiele(Paolo). Während D. Wunder der Inbegriff des toughen, coolen Kriminellen ist, bleibt L. Friedemann, im genauen Kontrast dazu, stets nervös und unruhig. Marc Gruppe(Thomas Peters) stöhnt und röchelt zwar hauptsächlich apathisch vor sich hin, setzt aber dann mit seinem dämonischen Gelächter einen deutlichen Akzent.
Die unvergleichliche Reinhilt Schneider(Schwester Robinson) brilliert in ihrem Part als Mitbewohnerin von Harriet Walters, und es verblüfft mich auch heute noch, wie es ihr allein durch eine leichte Stimmnuancierung gelingt, das von ihrer Figur empfundene Grauen darzustellen.
Bodo Wolf(Dr. Hoskins) ist amüsant als aufgeräumter, dann aber doch sehr verblüffter Pathologe, und Uschi Hugo(Laschna) beeindruckt als hilfsbereite, von Madame Mandilip geknechtete junge Frau. Der freundliche, aber etwas unsichere Polizist wird von Simon Jäger(Tim Shevlin) gesprochen, und Kaspar Eichel(Feiner Herr) intoniert den von Panik ergriffenen Mann. Sprecherisches Highlight ist für mich aber eindeutig Doris Gallart(Madame Mandilip), die mehr als nur unheimliche Puppenmacherin. Ihr Spiel wirkt absolut makellos, und mit ihrer alles durchdringenden Stimme erinnert sie in bester Weise an Hexenmütter im Stil von Dario Argento.
Für ein wenig humoritische Auflockerung sorgen dagegen die beiden aufgeregten Gangster Claus Thull-Emden(Larson) und Hans Bayer(Costello) mit ihren kleinen Kabbeleien. Maria Koschny(Mollie) hat zwar nur einen kurzen, dafür aber feinen Auftritt als Peters Schwester, die mit den Nerven völlig am Ende ist. Ebenfalls zu hören sind natürlich die gruselig kichernden Puppen Liv Auhage(Anita), Johannes Bade(Puppe), Marcel Barion(Puppe) und Kai Naumann(Puppe), wobei die letzten drei kaum zu unterscheiden sind, da ihr Stimmen künstlich verfremdet wurden und sie ihren Text nur flüsternd vortragen.
Fazit:
Die bisher beste Umsetzung von A. Merritts gruseliger Geschichte.
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