Rezension: Gruselkabinett - 98 - Der Schimmelreiter
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Rezension: Gruselkabinett - 98 - Der Schimmelreiter
Gruselkabinett - 98 - Der Schimmelreiter
Zum Inhalt:
Obwohl es ihm seine ärmliche Herkunft eigentlich nicht gestattet, weiß der junge, ehrgeizige Hauke Haien doch, daß er eines Tages Deichgraf sein wird. An seiner Tüchtigkeit besteht kein Zweifel, und als er dann noch die Tochter des amtierenden Deichgrafen ehelicht, erfüllt sich sein Traum. Nachdem ihm seine Frau Elke neun Jahre später ein Kind gebiert, ist auch das häusliche Glück vollkommen. Alles scheint in schönster Ordnung, bis eines Nachts ein gewaltiger Sturm alles Leben in Nordfriesland bedroht und auch Hauke Haiens Schicksal sich erfüllt.
Zur Produktion:
Schon lange haben sich zahlreiche Gruselkabinett-Fans gewünscht, es würden häufiger Werke deutscher Autoren in dieser Reihe erscheinen, und "Der Schimmelreiter" stand ganz oben auf ihrer Liste. Es dürfte in Deutschland wohl kaum jemanden geben, der sich nicht schon im Schulunterricht mit Theodor Storms (14.09.1817 - 04.07.1888) berühmter Novelle auseinandersetzen musste. Storm selbst hatte sich bereits längere Zeit mit der dem Stoff zugrundeliegenden Sage beschäftigt, bevor er 1886 schliesslich begann, die Geschichte niederzuschreiben.
Erst im Februar des Jahres 1888 vollendete er sein Werk, welches schon zwei Monate später, im April 1888, in der Zeitschrift 'Deutsche Rundschau', Bd. 55 erstveröffentlicht wurde. Es liegt wohl an den diversen Verfilmungen, daß man glaubt, der Schimmelreiter erscheine auch im Buch immer dann, wenn der Deich in Gefahr ist. Dieser Punkt kommt so jedoch beim Autor nicht vor, allerdings ist er Teil der Geschichte "Der gespenstige Reiter. Ein Reiseabenteuer"(1838), die Storm als Grundlage für seine Novelle diente.
Ich hatte mich schon etwas gewundert, daß diese Folge ursprünglich als Einzel-CD angekündigt wurde und mich gefragt, wie es Skriptautor Marc Gruppe wohl gelungen wäre, die umfangreiche Handlung dermaßen zu straffen. Nun, trotz mancher Streichungen aus der Vorlage, hätte das rund 93-minütige Hörspiel nicht auf eine CD gepasst. Normalerweise verteilt Titania längere Geschichten immer auf zwei CDs, die auch jeweils eigene Nummern erhalten. Das ging in diesem Fall nicht mehr, denn die nachfolgenden Titel waren ja bereits angekündigt.
Ich ziehe deshalb meinen Hut vor Stephan Bosenius und Marc Gruppe, daß sie die für den Kunden günstigste Alternative gewählt und eine Doppel-CD veröffentlicht haben, anstatt weitere Kürzungen vorzunehmen. Es war sicher nicht leicht, diese wuchtige Novelle überhaupt für das Medium Hörspiel umzuschreiben, aber ich finde, Marc Gruppe hat gute Arbeit geleistet. Sicher, die erste der ursprünglich drei Erzählebenen, also die des Autors selbst, fällt zwar unter den Tisch, aber ansonsten orientiert sich Gruppe dicht an der literarischen Vorlage. Theodor Storms heutzutage etwas umständlich wirkende Ausdrucksweise bleibt größtenteils erhalten, wobei einige Begriffe mit Bedacht "modernisiert" wurden. So kommen beispielsweise statt des Ausdrucks "Dirne", der in unserer Zeit automatisch mit Prostitution in Verbindung gebracht wird, die Wörter Dirn oder Magd. Darüber hinaus hat Gruppe auch darauf geachtet, jedesmal, wenn vom "Wirt" die Rede ist, diese Bezeichnung gegen "Deichgraf" auszutauschen, denn genau den meint Storm auch. Etwas unglücklich finde ich hingegen, daß "Demat", ein damals gebräuchliches Flächenmaß, hier teilweise mit "Kröten", also Geld, gleichgesetzt wird.
Trotz der großzügig angelegten Laufzeit und der Aufteilung in jeweils 10 Kapitel pro CD, wurden bedauerlicherweise etliche Passagen gestrichen, und so müssen für das Spiel auf dem Eis, welches Storm sehr ausführlich beschreibt, ein bis zwei Sätzen ausreichen. Auch die religiösen Bezüge, die in der Novelle immer wieder auftauchen, sind im Hörspiel so gut wie nirgends zu finden. Von diesen Kritikpunkten einmal abgesehen, bin ich aber schon der Meinung, daß die Umsetzung nicht viel besser hätte gelingen können.
Wer Storms Werk wieder einmal lesen möchte, findet es im Internet unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-sc ... ter-3488/1.
Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe fallen, wie gewohnt, makellos aus. Abgesehen von der bombastisch angelegten Musik am Anfang, setzt man diesmal eher auf leise Töne, und es erklingen längst nicht so viele Melodien wie sonst. Passend zur Handlung werden hauptsächlich klassische Intrumente, wie Geige oder Flöte eingesetzt, dramatische Szenen aber noch zusätzlich mit düsteren Synthesizersounds versehen, welche die beklemmende Stimmung unterstreichen. Die Geräuschkulisse ist opulent gestaltet, und neben dem heulenden Wind und dem Wiehern des Schimmels, die bei dieser Geschichte einfach Pflicht sind, wird auch die restliche Landschaft durch krächzende Möwen, Vogelgezwitscher oder den Wellenschlag passend dargestellt. Überhaupt sind es die Tierlaute, die mich diesmal am meisten beeindruckt haben. Ob die wütend fauchende Katze oder der erbärmlich winselnde Hund, beide klingen wie aus dem Leben gegriffen.
Zu den Sprechern:
Genauso sorgfältig wie bei der Produktion, ging man auch bei der Sprecherwahl vor. Claus Thull-Emden(Reisender) spielt den aufgeregten Fremden, dem der Schimmelreiter einen gehörigen Schrecken einjagt und der auch als erster Erzähler fungiert. Die eigentliche Geschichte wird aber von Peter Weis(Schulmeister) mit rauer Stimme eindringlich vorgetragen. Marc Gruppe(Wirt) hat einen kurzen Gastauftritt als freundlicher Gastronom, und Max Schautzer(Deichgraf) verkörpert den wohlmeinenden, aber in seinen Fähigkeiten beschränkten Deichgrafen. Hans Bayer(Tede Haien) ist mit seinem brummigen Organ genau der Richtige für die Rolle des zwar gütigen, aber auch strengen Vaters, der nur das Beste für seinen Sohn will. Als sprecherisches Highlight empfand ich aber ganz klar Johannes Raspe(Hauke Haien). Einfach großartig, wie er die Entwicklung vom einfachen Bauernsohn, hin zum mächtigen Deichgrafen, allein durch leichte Veränderungen seiner Stimme glaubhaft darstellen kann. Beinahe ebenso gut agiert Horst Naumann(Tede Volkerts), der den beleibten, heiser klingenden Vorgänger Haukes spricht. Auch Kristine Walther(Elke Volkerts) ist ausgezeichnet in ihrer Darstellung seiner liebliche Tochter, deren herzergreifendes Gestammel im Fieberwahn nur noch von ihrem verzweifelten Schluchzen übertroffen wird. Hans-Georg Panczak(Ole Peters) spielt den Großknecht, der aus seiner Rivalität zu Hauke keine Hehl macht und Zwietracht sät, wo er nur kann. Roland Hemmo(Oberdeichgraf) intoniert seinen Part mit dem passenden Maß an Großmütigkeit in der Stimme. Louis Friedemann Thiele(Iven John) erweckt den Anschein, als sei er besonders mutig, aber wenn es hart kommt, schickt er dann doch lieber Hannes Maurer(Carsten), den verängstigten Dienstjungen vor. Hasso Zorn(Jewe Manners) ist bestechend als weiser Deichbevollmächtigter, der sich jedes Wort wohl überlegt, und Wilfried Herbst(Fremder) gelingt es trotz seiner nur wenigen Sätze, einen bleibenden Eindruck als schauerlich lachender, reichlich mysteriöser Vorbesitzer des Schimmels zu hinterlassen. Besonders hervorgehoben seien noch zwei weitere Sprecherinnen, die unvergleichliche Dagmar von Kurmin(Trin' Jans), die einfach jede Emotion akustisch genau auf den Punkt bringen kann und hier mit ihrem Portrait der einsamen alten Frau besticht, und Clara Fischer(Wienke Haien), welche die zurückgebliebene kleine Tochter von Hauke bewusst langsam spricht. In weiteren Nebenrollen treten Johannes Bade, Marcel Barion und Kai Naumann als rufende Männer in diversen Massenszenen auf.
Fazit:
Angemessene Umsetzung der berühmten Schauermär von Theodor Storm.
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