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Rezension: Gruselkabinett - 101 - Verlorene Herzen

Verfasst: Mi 20.05.2015, 15:32
von MonsterAsyl
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Gruselkabinett - 101 - Verlorene Herzen

Zum Inhalt:
Der elfjährige Stephen Elliot hat Glück im Unglück, denn sein älterer Cousin Mr. Abney nimmt den Waisenjungen bei sich in Aswarby Hall auf. Unterstützt von der Haushälterin Mrs. Bunch, gewöhnt sich Stephen auch schnell an die neue Umgebung. Alles scheint in bester Ordnung, doch eines Nachts macht er eine unheimliche Entdeckung: In einem ehemaligen Badezimmer hört er ein Mädchen schluchzen...

Zur Produktion:
Nach "Der Eschenbaum" und "Zimmer 13" (Gruselkabinett 71 & 92) ist dies die dritte Vertonung einer Geschichte des englischen Schriftstellers Montague Rhodes James (01.08.1862 – 12.06.1936). "Lost Hearts", so der Originaltitel, erschien 1904 in der Sammlung "Ghost Stories of an Antiquary" und gehört vermutlich zu den bekannteren Werken des Autors. Wenn man die literarische Vorlage im englischen Original im Internet nachliest (https://ebooks.adelaide.edu.au/j/james/ ... pter2.html) und mit dem Hörspielskript von Marc Gruppe vergleicht, fallen einem sofort die Unterschiede in der Erzählstruktur auf. Während sich die Spannungskurve bei James bis zum grausigen Höhepunkt steigert und somit gradlinig verläuft, gelingt es Gruppe, allein durch Abänderung der Szenenreihenfolge, bereits in der Mitte des Hörspiels einen ersten Klimax zu schaffen. Auch der Einstieg in die Handlung könnte verschiedener nicht sein. Wo James mit einer eher drögen Erzählpassage beginnt, um den passenden Hintergrund zu schaffen, bekommt der Hörer bei Gruppe alle notwendigen Informationen in Form eines Dialoges zwischen Stephen und seinen Mitreisenden. Diese Eröffnungssequenz, in der vieles nur angedeutet wird und die den jungen Reisenden doch sehr bedrückt, erinnert stark an die Kutschenszene einer bekannten, alten Dracula-Vertonung und bietet einen wesentlich effektiveren Zugang zum Geschehen. Im weiterern Verlauf gibt es dann immer mal wieder Dialoge und Passagen, die so zwar nicht bei James vorkommen, die Geschichte aber zügig vorantreiben. Gerade diese "neuen" Gespräche zwischen den Protagonisten sind es nämlich, die einiges zu der schaurigen Grundstimmung beitragen. Interessanterweise ändert Gruppe gegen Ende hin noch einmal die Reihenfolge zweier Szenen. Im Hörspiel wird nämlich zunächst Mr. Abneys Schicksal präsentiert und dann folgt die Erklärung dafür, bei James ist es genau umgekehrt. Welchen Ablauf man nun bevorzugt, bleibt wahrscheinlich Geschmackssache, denn beide Versionen fuktionieren. Ich persönlich finde die von Gruppe interessanter, obwohl es bestimmt auch Hörer gibt, die eine nachträgliche Erklärung als aufgesetzt empfinden.
Produktion und Regie fallen für mich makellos aus. Die eingesetzten Melodien sind, entsprechend der Handlung, eher tragend, manchmal aber auch regelrecht wuchtig ausgefallen. Neben dem Synthesizer kommen vor allem traditionelle Instrumente, wie Geige, Harfe und Klavier zum Einsatz; sogar ein Orgel ist zu hören, und es ertönt gleich zu Beginn ein sehr stimmungsvoller Choral.
Zu dem satten Klangbild gehören aber auch jede Menge stets natürlich wirkender Geräusche. Da ist die Kutsche mit Gespann, Vögel zwitschern, Geschirr klappert und das obligatorische Käuzchen schreit ebenfalls kurz. Besonders gut gefallen hat mir, daß für Herd- und Kaminfeuer unterschiedliche Sounds verwendet wurden. Selbstverständlich gibt es auch auch einige akustische Effekte, so werden beispielsweise weiter entfernte Personen leiser, quasi aus dem Hintergrund, eingespielt, und Sätze hinter verschlossenen Türen klingen absichtlich dumpf.

Zu den Sprechern:
Timmo Niesners(Erzähler) Stimme hat einen warmen Klang und passt gut als erwachsene Ausgabe des kleinen Stephen. Die Besetzung von Kinderrollen ist nicht ganz einfach, da den jungen Sprechern meist die Erfahrung und Ausdrucksstärke ihrer älteren Kollegen fehlt. Alexander Mager(Stephen Elliot) hat zwar schon etwas Bühnenerfahrung sammeln können und war auch schon für Titania bei den Hörspielen "Das Gespenst von Canterville" und "Die Schneekönigin" tätig, aber trotzdem steht er erst am Anfang seiner Karriere, und das gilt es zu berücksichtigen. Dies ist seine erste größere Sprechrolle, und ich finde, er macht seine Sache recht ordentlich. Gerade seine noch vorhandene und teilweise durchaus hörbare Unsicherheit, beziehungsweise seine etwas schüchterne Art, den Text zu sprechen, passen zu seiner Rolle als Elfjähriger, der gerade beide Eltern verloren hat und nicht weiß, was ihn im Haus seines älteren, völlig unbekannten Kusins nun erwartet. Uli Krohm(Mr. Abney), Stephens Kusin, wirkt gegenüber seinem Mündel immer freundlich, doch der seltsame Unterton, der dabei in seiner Stimme mitschwingt, steht in starkem Kontrast zu seiner vordergründig netten Art. Kaspar Eichel(Mr. Parkes) ist ausgezeichnet als heiser klingender Diener, ebenso wie Dorothea Walda(Mrs. Bunch) als mütterliche, alte Haushälterin, die den Jungen gleich unter ihre Fittiche nimmt. Liv Auhage(Phoebe Stanley) kann mit ihrem Schluchzen Steine erweichen, und in ihren Warnungen liegt auch immer etwas Drohendes. Mindestens ebenso gut ist Lando Auhage(Giovanni Paoli) als einsamer, hungriger Waisenjunge, den ein grausames Schicksal ereilt. Helmut Krauss(Mitreisender) und Ulrike Möckel(Mitreisende) sind die beiden freundlich interessierten Fahrgäste in der Kutsche, deren Anmerkungen und Kommentare den kleinen Stephen doch etwas beunruhigen. Detlef Bierstedt hat einen Kurzauftritt als ungeduldiger Kutscher.

Fazit:
Mitreißende und bis zum Schluss spannend erzählte Gruselgeschichte.

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