Rezension: Gruselkabinett - 105 - Mitternachstweg

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 105 - Mitternachstweg

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Gruselkabinett - 105 - Mitternachtsweg

Zum Inhalt:
Peter Maydell, Redakteur der Lübecker Zeitung, erhält eines Tages ein Manuskript seines jungen Protégés Johannnes Kielland, von dem er schon längere Zeit nichts mehr gehört hatte. Im Anschreiben erklärt ihm Kielland, ein Spezialist für Geschichten mit mysteriösem Hintergrund, daß dieser Text sein letzter sein wird. Nach Beendigung der Lektüre macht sich Maydell sofort zu dem jungen Mann auf den Weg. Kann er ihn noch retten?

Zur Produktion:
Mit "Mitternachtsweg" beschreitet das Label Titania insofern Neuland, als daß es sich hierbei um die erste Vertonung eines aktuellen Buches der deutschen Gegenwartsliteratur handelt. Der gleichnamige Roman von Benjamin Lebert (geb. 9.01.1982) erschien erst im letzten Jahr und ist bereits der siebte Roman des jungen Autors. Sein Debutroman "Crazy" von 1999, wurde in 33 Sprachen übersetzt und ist auch bereits verfilmt worden. Erstaunlicherweise passt "Mitternachtsweg" aber verblüffend gut in den Kanon der Gruselkabinett-Reihe, unter anderem, weil es Lebert gelungen ist, die Schauerromantik perfekt in unsere Zeit zu transportieren. Da ich das Buch selbst nicht gelesen habe, kann ich, wie schon bei der vorangegangenen Folge (104 - Allerseelen), auch hier keinen Vergleich zwischen der Vorlage und dem Hörspielmanuskript ziehen. Aber die Art und Weise, wie Marc Gruppe die Geschichte erzählt, hat mir auf jeden Fall sehr gut gefallen. Die Handlung bleibt bis zum Schluss durchweg spannend, und das Grauen steigert sich kontinuierlich. Besonders gelungen finde ich den "Twist" am Schluss. Sicher, manche haben ihn wohl schon kommen sehen, mich hat er jedoch überrascht. Nicht ganz so begeistert war ich von der Tatsache, daß viele Dinge nur erzählt werden, statt sie in Spielszenen wiederzugeben. Doch das lässt sich wohl gar nicht vermeiden, wenn man den Inhalt eines 240-seitigen Romans innerhalb von knapp 79 Minuten schildern will.
Auch Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe fallen ein wenig anders aus als sonst, vor allem was die Musik angeht. Während gewöhnlich tragende und manchmal etwas melancholische Melodien vorherrschen, bedient man sich hier, ganz der Vorlage entsprechend, eher bei zeitgenössischer Musik. So ist es schon ein wenig ungewohnt, Technobeats oder Discomusik zu hören, statt der gewohnten "klassischen" Stücke. So ganz verzichten die beiden dann aber doch nicht auf die vertrauten Klänge, und so kommen auch Klavier und Geige in einigen Szenen zum Einsatz. Da das Geschehen sich hauptsächlich in Meeresnähe abspielt, sind überwiegend dessen charakteristische Geräusche, wie Brandung, Möwengekreische und Wind zu hören. Aber auch "kleinere" Szenen, so z.B. das Gespräch zwischen Helma und Johannes, werden mit adäquaten Tönen, wie dem Klappern von Geschirr oder dem prasselnden Kaminfeuer unterlegt. Natürlich hat man nicht vergessen, den einen oder anderen Effekt mit einzubauen. Beispielsweise die Discomusik, deren Akustik genauso klingt, wie man das kennt, oder den leichten Hall, mit dem bereits Gesagtes als Erinnerung dargestellt wird.

Zu den Sprechern:
Überraschenderweise hat Matthias Lühn(Erzähler) in seiner Funktion gar nicht so viel Text, da eben viele der Protagonisten selbst Teile der Handlung berichten. Das, was man von ihm hört, ist jedoch überzeugend, da er ein gutes Gespür für die "richtige" Betonung hat.
Marius Clarén(Johannes Kielland) ist einfach klasse als junger Schriftsteller, den seine Neugier in einen Alptraum führt. Mindestens ebenso passend wirkt Melanie Hinze(Helma Marie Brandt) als geheimnisvolle Schönheit, die, allein durch subtile Nuancen in ihrem Tonfall, schon ein leicht mulmiges Gefühl beim Hörer aufkommen lässt. Highlight ist für mich aber Eckart Dux(Peter Maydell) in der Rolle des Zeitungsredakteurs. Es macht einfach Spaß, seiner brummigen Stimme zu lauschen, und es ist ein akustischer Genuss, wenn er verzweifelt nach dem Wort "Grufti" sucht. Cathlen Gawlich(Pförtnerin) gefällt als freundliche Empfangsdame, und Lutz Reichert(Kommissar Fleissner) spricht den abgeklärten Kommissar mit leicht norddeutschem Akzent. Ganz im Gegensatz dazu agiert Sven Dahlem(Wirt), der den aufgeräumten Gastwirt mit starkem Hamburger Einschlag intoniert. Herma Koehn(Frau Maydell) hat einen eher kurzen Auftritt als verschlafene Ehefrau. Die Stimme von Anita Lochner(Pfarr-Sekretärin) bekommt man nur verfremdet bei einem Telephonat zu hören, genau wie Judy Winter(Ruth Uhlmann) als einsame Mutter, der es hörbar schwerfällt, über die Vergangenheit zu sprechen. Jochen Schröder(Tham Nickels) ist prima als alter Schuster, der sich wundert, daß sich jemand so für die alten Zeiten interessiert, und Sabine Trooger(Rezeptionistin) glänzt als auskunftsfreudige Dame vom Empfang. Beinahe so sehr wie bei Dux, hat mich die Darbietung von Reinhard Scheunemann(Lorenz Christiansen) als alter Zimmermann überzeugt. Es ist schon beachtlich, mit welcher Intensität er diesem schuldbehafteten, desillusionierten Charakter Leben verleiht. Julia Stoepel(Malou Sainte-Luce) hat eine sehr sympathische Stimme, und man nimmt ihr die fröhlich plaudernde Freundin sofort ab. Gleiches gilt auch für Dana Fischer(Kellnerin), die sich ein wenig über ihren Gast wundert. Die Auftritte von Jonas Baeck(Martin Uhlmann) als Helmas Ex-Freund und Constantin von Jascheroff(Barkeeper) als netter Barmixer fallen extrem kurz aus, da sie sich jeweils auf nur ein bis zwei Sätze beschränken.

Fazit:
Moderner und dennoch sehr atmosphärischer Grusel an der Nordseeküste.

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Keeper of the Monsters

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