Rezension: Gruselkabinett - 113 - War es eine Illusion?
Verfasst: Di 16.08.2016, 13:41
Gruselkabinett - 113 - War es eine Illusion?
Zum Inhalt:
Im Jahr 1865 wird Schul-Inspektor Frazer in den Norden Englands versetzt. Dort soll er unter anderem eine abgelegene, nur schwer zugängliche Schule in dem Dorf Pit End kontrollieren. Auf dem beschwerlichen Weg begegnet er zwei Gestalten, einem Jungen von ca. 14 Jahren, gefolgt von einem hageren, hinkenden Mann. Obwohl er sie anspricht, um nach dem richtigen Weg zu fragen, erhält er weder eine Antwort noch kann er ihnen folgen, denn die beiden sind plötzlich spurlos verschwunden...
Zur Produktion:
Ich freue mich immer besonders, wenn sich Titania Werken von Autoren annimmt, die keinen großen Bekanntheitsgrad haben. Zum einen, weil es den literarischen Horizont erweitert und zum anderen, weil so die Wahrscheinlichkeit größer ist, daß man die Geschichte selbst auch noch nicht gelesen hat. Amelia Ann Blanford Edwards (07.06.1831 – 15.04.1892), auch bekannt als Amelia B. Edwards muss eine ungewöhnliche Frau gewesen sein. Bereits im Alter von sieben Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Gedicht, mit 12 die erste Kurzgeschichte, und als sie 24 Jahre alt war, erschien ihr erster Roman. Die 1864 veröffentlichte Geschichte "Die Nachtkutsche der Nord-Post" (The Phantom Coach) wurde mehrfach nachgedruckt und gehört zu den bekanntesten Werken der Autorin. Ihre Ägyptenreise im Winter 1873/74 hatte sie so sehr beeindruckt, daß sie darüber einen Bericht verfasste, der 1877 mit großem Erfolg publiziert wurde. Von 1882 bis zu ihrem Tod verschrieb sie sich ganz der Ägyptologie und hielt mehrere Vorträge zu diesem Thema. "Was it an Illusion?" auch bekannt als "Was it an Illusion?: A Parson's Story" erschien erstmals 1881 und gehört somit zum literarischen Spätwerk der Autorin.
Wer die Story im Internet unter https://americanliterature.com/author/a ... sons-story nachliest, wird schnell feststellen, daß uns Sprachstil und Erzählweise heutzutage doch recht antiquiert erscheinen. Folgerichtig hat Marc Gruppe behutsame Veränderungen in Wortwahl und Duktus vorgenommen. Dies verfremdet die ursprüngliche Kurzgeschichte jedoch keinesfalls, sondern lässt sie flüssiger ablaufen. Das gilt auch für die leichten Kürzungen. So verzichtet der Skriptautor beispielsweise auf die ziemlich ausführliche Charakterisierung von Philip Wolstenholme, da diese keinerlei Relevanz für den weiteren Inhalt hat. Außerdem gibt er den letzten Teil der Geschichte, welcher bei Edwards in Form eines Briefes abgefasst wurde, in Form von Dialogen wieder, um zu verhindern, daß der Schluss zum reinen Monolog ausufert. Im Hörspiel fehlt auch die Figur des Schmieds, dessen Sätze Marc Gruppe einfach dem Minen-Vorarbeiter zuteilt, so dass sie trotzdem nicht wegfallen. Weniger gut haben mir dagegen die Änderungen bezüglich des Todes eines der Charaktere gefallen. Daß derjenige hier durch einen Schlag mit einem Stein anstatt mit einem Knüppel stirbt, ist noch nebensächlich, obwohl sich mir der Grund für diese Änderung nicht recht erschließt. Aber daß die Leiche anschließend, lediglich mit einem Stein beschwert, im Blackwater-See landet und nicht, wie bei Edwards, mit Hilfe einer Mistgabel durch den Hals auf dem Grund festgespießt wird, ist für meinen Geschmack etwas zu verharmlosend. Hier hätte ich mir eine 1:1 Adaption gewünscht, da ich die ursprüngliche Version sehr viel gruseliger finde. Dieser Kritikpunkt ist natürlich rein subjektiver Natur und hat keinen Einfluss auf die ansonsten spannend erzählte und gut 57 Minuten lange Handlung.
Die sorgfältige Auswahl an Musik und Geräuschen gehört zu den großen Stärken des Labels Titana. Stephan Bosenius und Marc Gruppe, die auch für die Regie zuständig sind, gelingt es stets, passende Melodien einzusetzen, welche beim Hörer ganz automatisch die notwendige Atmosphäre aufbauen. So ist eingangs eine fröhliche Weise zu hören, doch schon nach kurzer Zeit bekommen die Stücke eine düsterere Klangfarbe, analog zu dem immer unheimlicher werdenden Geschehen. Auch die Musikinstrumente sind nach diesem Prinzip ausgesucht. So werden die eher weich und harmonisch klingenden Instrumente, wie beispielsweise Harfe und Klavier, bei der Eröffnungsmelodie eingesetzt, während die später benötigten bedrückenden Töne größtenteils vom Synthesizer stammen. Abgerundet wird das Klangbild, ganz wie gewohnt, durch etliche erstaunlich realistisch klingende Geräusche. Allein die Darstellung der Kutsche kann mich schon begeistern: Da klirrt das Zaumzeug, die Pferde wiehern und schnauben, und die Kutschentür quietscht in den Angeln. Genau wie im richtigen Leben, ist es auch während aller übrigen Szenen nie vollkommen ruhig, und so bekommt man unter anderem noch eine schlagende Standuhr, quakende Frösche, krächzende Krähen und natürlich das schon beinahe obligatorische Käuzchen zu hören. Bei Letzterem geht es mir inzwischen fast wie bei den Auftritten von A. Hitchcock in seinen Filmen: Ich lauere förmlich darauf!
Zu den Sprechern:
Hauptperson und gleichzeitig auch Erzähler Patrick Bach(Schul-Inspektor Frazer) überzeugt einmal mehr in einer Rolle. Während er anfangs nur etwas genervt und verwundert klingt, scheint er im weiteren Verlauf immer unsicherer zu werden, um schließlich blankes Entsetzen in seine Stimme zu legen. Jannik Endemann(Philip Wolstenholme), der Schlossherr, spielt Frazers alten Schulfreund mit dem zu seinem Part passenden Selbstbewusstsein. Dabei gelingt es ihm, gegenüber dem Schul-Inspektor beschwichtigend, aber nicht besserwisserisch oder gar belehrend zu wirken. Mein sprecherisches Highlight ist diesmal Bernd Rumpf(Ebenezer Skelton) als alter, etwas seltsam wirkender Schuldirektor. Sein leichtes Krächzen nimmt den Hörer bereits nach wenigen Worten gefangen und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los. Es ist einfach großartig, wie es Rumpf gelingt, allein unter Zuhilfenahme der richtigen Betonung, den geistigen Verfall seiner Figur darzustellen. Ebenfalls sehr gut gefallen hat mir Jochen Schröder(Kutscher), der mit rauer Stimme den gelassenen Fiaker intoniert. Regina Lemnitz(Wirtin) agiert hier ähnlich wie in ihrer Rolle der 'Mrs Hudson' in Titanias "Sherlock Holmes"-Reihe und liefert eine souveräne Performance als freundliche, beinahe mütterliche Gastwirtin. Auch Roman Wolko(Diener) gefiel mir mit seiner leicht blasierten Art, die ganz dem gängigen Klischeebild eines Butlers entspricht. Genauso passend fand ich Axel Lutter(Haupt-Minenarbeiter) als tief betroffener Vorarbeiter mit brummiger Stimme. In weiteren Nebenrollen sind noch Johannes Bade, Marcel Barion und Kai Naumann (alle Minenarbeiter) in Form von zustimmendem Gemurmel und Lando Auhage, Bosse Koch und Alexander Mager (alle Schüler) als Begrüßungschor zu hören.
Fazit:
Klassische Gespenstergeschichte.
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