Rezension: Gruselkabinett - 123 - Die Zeitmaschine
Verfasst: So 02.07.2017, 11:08
Gruselkabinett - 123 - Die Zeitmaschine
Zum Inhalt:
Eines Abends im Jahre 1894 diskutiert ein namenslos bleibender Wissenschaftler mit seinen Besuchern Filby und Gregson das Phänomen der Zeit. Zum Erstaunen der beiden behauptet er, in der Zeit vor- und zurückreisen zu können. Natürlich glauben ihm seine Gäste zunächst kein Wort, doch seine Präsentation des Modells einer sogenannten "Zeitmaschine" in Aktion lässt sie in ihrer Überzeugung schwanken. Noch verunsicherter sind sie aber, als sie sich eine Woche später, wie zuvor abgemacht, wieder bei dem Wissenschaftler einfinden, er jedoch nicht anwesend ist. Während beide diesen Umstand diskutieren, öffnet sich plötzlich die Tür, und ihr Gastgeber steht blutend und mit verschmutzten Kleidern im Rahmen....
Zur Produktion:
Nach "Der Unsichtbare" (Gruselkabinett 120 & 121) und "Die Insel des Dr. Moreau" (Gruselkabinett 122), ist dies nun die dritte Hörspieladaption eines Werkes des berühmten Autors H.G. Wells (21.09.1866 - 13.08.1946). Die hier zugrundeliegende Geschichte "The Time Machine" ist als Wells' Auseinandersetzung mit bzw. Kritik an der industriellen Revolution zu verstehen und erschien erstmals 1895 als Fortsetzungsgeschichte von Januar bis Mai im Magazin "The New Review" des britischen Heinemann Verlags. Die erste Buchversion kam bereits am 7. Mai desselben Jahres auf den Markt, allerdings bei dem amerikanischen Verlag "Henry Holt and Company". Nur wenige Wochen später, am 29.05.1895, folgte dann auch die englische Ausgabe. Interessanterweise gibt es zwischen beiden inhaltliche Unterschiede, auf die ich aber nicht näher eingehen werde, da dies den Rahmen der Rezension sprengen würde und sie außerdem irrelevant für meine Rezension sind. Es genügt anzumerken, daß die meisten Nachdrucke und Übersetzungen auf der Heinemann-Version basieren. Wer sich die Abweichungen innerhalb der Texte einmal selbst ansehen möchte, findet sie im Internet unter https://en.wikisource.org/wiki/The_Time ... mann_text) und https://en.wikisource.org/wiki/The_Time ... Holt_text).
Der damals von Wells erfundene Begriff "Zeitmaschine" ist bis heute allgemein gültig, wenn es um die Bezeichnung solcher "Konstruktionen" geht.
Obwohl sich die Bücher seit der Erstveröffentlichung immer gut verkauft hatten, war es erst die amerikanische Verfilmung aus dem Jahr 1960, welche die Geschichte bis heute praktisch weltweit bekannt machen sollte. Hauptsächlich dank der hervorragenden Spezialeffekte und des starken Spiels von Hauptdarstellers Rod Taylor. Diesen Umstand nutzt auch Skriptautor Marc Gruppe und präsentiert dem Hörer diesmal eine akustische Adaption des Filmdrehbuchs, statt sich, wie sonst, an der literarischen Vorlage zu orientieren. Das erklärt auch die, im Vergleich zu "Der Unsichtbare" (GK 120 & 121), recht kurze Laufzeit von "nur" knapp 57 Minuten, obwohl beide Bücher ungefähr die gleiche Seitenzahl aufweisen.
Da der Film aber über 40 Minuten länger läuft, ist es auch klar, daß hier inhaltlich so einiges gekürzt werden musste. Das betrifft vor allem den Anfang, die erste Reise des Wissenschaftlers, die, genau wie im Buch, extrem kurz ausfällt, und den Konflikt mit den Morlocks, welcher hier weitaus kompakter in Szene gesetzt ist. Bis auf die Einführung und das Outro, konzentriert sich die Handlung somit vollständig auf die Erlebnisse des Zeitreisenden bei den Eloi und Morlocks. Daß Gruppe den Protagonisten nur zwei statt vier Gäste haben lässt und auch nur eine Haushälterin statt eines weiteren Dieners, ist wohl reiner "Sprecher-Ersparnis" geschuldet und spielt für den Verlauf gar keine Rolle. Besonders erwähnenswert finde ich aber, daß sich Marc Gruppe, im Gegensatz zu Film und Buch, nicht scheut, den Zeitreisenden ganz klar sagen zu lassen, er habe mit Weena geschlafen. Diesen sexuellen Aspekt hätte Wells zu seiner Zeit nicht einbringen können, und er hätte wohl auf den Leser auch eher befremdlich gewirkt, da Weena und die Eloi immer als "kindlich" und damit eher unschuldig bezeichnet werden. Die filmische Umsetzung beließ es deshalb wohl auch lediglich bei ein paar harmlosen Küsschen.
Trotz der von der Buchvorlage übernommenen Struktur (zunächst beginnt ein Erzähler, dann übernimmt ein weiterer, um schliesslich seinen Part wieder an den ersten abzugeben) und den durch das Medium bedingten Beschreibungen, bleibt der Verlauf flüssig und bis zum Ende spannend. Das liegt nicht zuletzt daran, daß etliche Schilderungen in Dialoge umgewandelt und Ereignisse zusammengefasst worden sind.
Daß Stephan Bosenius und Marc Gruppe ihr Handwerk als Regisseure und Produzenten perfekt verstehen, dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Auch diese Folge bildet da keine Ausnahme. Ganz wie es das viktorianische Zeitalter vorgibt, wird die Musik hauptsächlich mit den damals üblichen Instrumenten, wie Geige, Klavier oder Flöte eingespielt. Dabei fallen die einzelnen Melodien mal pompös und bombastisch aus, mal sind sie eher leise und verhalten, je nach den Erfordernissen der einzelnen Szenen. Da es sich hier um ein SciFi-Hörspiel handelt, kommt natürlich der Synthesizer, in Form von langezogenen, bedrohlich wirkenden, düsteren Tönen, zum Einsatz. Besonders prägnant finde ich auch diesmal den Chor, der vor allem das Ende des Hörspiels ausdrucksstark unterstreicht. Da es im Prinzip nur zwei Handlungsorte gibt (das Haus des Wissenschaftlers und die futuristische Welt der Eloi), fällt auch die Geräuschkulisse nicht ganz so üppig wie sonst aus. Fairerweise muss man aber sagen, daß gerade die Umgebung der Eloi auch bei Wells fast ohne Töne auskommen muss, da die Tierwelt komplett ausgestorben ist und die verbliebenen Menschen inzwischen keine Maschinen mehr besitzen. So beschränken sich die Geräusche zunächst auf ein wenig Wind und raschelnde Gräser. Umso überraschender ist es dann aber auch, wenn die Morlocks ihre Maschinen anwerfen und plötzlich Industrielärm an das Ohr des Hörers dringt. Besonders gut gelungen finde ich das Geräusch der geschwenkten Fackel beim Kampf mit den Morlocks oder das "Summen" der Zeitmaschine.
Zu den Sprechern:
Claus Thull-Emden(Filby) macht seine Sache als erster Erzähler sehr gut. Auch wenn er in dieser Funktion nur relativ wenige Sätze spricht, hört man ihm mit viel Freude dabei zu, wie er als guter Freund des Wissenschaftlers erst über dessen Thesen erstaunt und amüsiert ist, bevor ihn die Beweise verblüffen. Das gilt auch für Matthias Lühn(Gregson) als skeptischer Snob, der es, aufgrund des wenig erfreulichen Berichts des Wissenschaftlers und trotz dessen Beweises, vorzieht, die ganze Geschichte nicht zu glauben. Hauptdarsteller Sascha von Zambelly(Der Zeitreisende), der auch als der zweite Erzähler fungiert, meistert beide Aufgaben hervorragend, und seine Art zu sprechen fällt genauso emotional aus, wie seine Verkörperungs des selbstsicheren, entschlossenen Wissenschaftlers, der sich zunächst über die Eloi wundert, um sich dann wegen deren Apathie zu ärgern. Die Figur, welche Marianne Mosa(Mrs. Watchett) intoniert, hätte ich zwar anders angelegt, um den Wortwitz des Namens (Watchett = Watch it = Aufpassen!) noch zu unterstreichen, aber Mosas Portrait der eingeschüchterten, etwas verlegenen älteren Frau ist durchaus passend für den damaligen sozialen Stand einer Haushälterin. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Annina Braunmiller-Jest(Weena), deren seidenweiche Stimme sie zur perfekten Besetzung für die Rolle der jungen, kindlichen Frau macht. Obwohl sie selbst diesem Alter entwachsen ist, gelingt es ihr scheinbar mühelos, eine natürlich wirkende Naivität in ihr Portrait zu legen. Nicht unterschlagen möchte ich auch Johannes Bade, Marcel Barion, Marc Gruppe und Kai Naumann als grunzende und grummelnd grollende Morlocks.
Fazit:
Kurzweilige Hörspieladaption, die mehr mit dem Film, als mit dem Buch zu tun hat.
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