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Rezension: Gruselkabinett - 138 - Die Ratten in den Wänden

Verfasst: Mi 05.09.2018, 13:26
von MonsterAsyl
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Gruselkabinett - 138 - Die Ratten in den Wänden

Zum Inhalt:
Exham Prior, im Süden Englands, ist der Stammsitz der Familie Delapore. Seit der Zeit Jakobs des Ersten, als, bis auf einen, alle Angehörigen unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen, hat niemand mehr dort gelebt, und das Gemäuer war dem Verfall preisgegeben. Erst rund 300 Jahre später, am 16. Juli des Jahres 1923, nach gut zwei Jahren intensiven Wiederaufbaus und kostspieliger Renovierungen, wird das Anwesen von einem Nachkommen der Delapores, seiner Dienerschaft und neun Katzen bezogen. Bereits wenige Tage später bemerkt erst der Hausherr und dann auch sein Gesinde, daß die Katzen beginnen, sich sonderbar zu verhalten...

Zur Produktion:
Die Vorlage für dieses Hörspiel stammt aus der Feder des amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft(20.08.1890 - 15.03.1937), welcher die Kurzgeschichte "The Rats in the Wall" von August bis September 1923 verfasste. Bereits ein halbes Jahr später wurde sie, nach vorheriger Ablehnung ("Argosy All-Story Weekly" fand den Inhalt zu schrecklich für seine Leserschaft), in der März-Ausgabe des "Weird Tales"-Magazins dem Publikum zugänglich gemacht. Noch heute bezeichnen viele diese Geschichte als die vielleicht beste, die Lovecraft jemals geschrieben hat. Dementsprechend ist es auch kein Wunder, daß inzwischen davon im englischsprachigen Raum eine Comic-Adaption, ein Radiohörspiel, eine Lesung und sogar zwei Theaterstücke existieren.
Was den Audiobreich angeht, gab es in Deutschland meines Wissens nach bisher nur diverse Lesungen, aber noch kein Hörspiel. Zumindest bis jetzt, denn das Label Titania-Medien hat dies nun mit seiner (nach Gruselkabinett 44 & 45, 58, 66 & 67, 78, 90, 100, 114 & 115 und 126) mittlerweile 11. Lovecraft-Vertonung geändert.
Es ist ja das erklärte Anliegen von Skriptautor Marc Gruppe, sich möglichst dicht an der literarischen Vorlage zu orientieren und ein adäquates, dazu aber unterhaltsames akustisches Abbild der Handlung zu liefern. Um Letzteres im Medium "Hörspiel" zu erreiche, ist es aber, wie sooft, unumgänglich, gewisse Änderungen vorzunehmen. Lovecraft nutzt ja hauptsächlich den "Ich-Erzähler", was zwar zur Identifikation des Lesers mit dem Protagonisten beiträgt und damit schon für eine gewisse Intensität sorgt, so allerdings auch bestenfalls auf eine inszenierte Lesung hinausläuft. Logischerweise hat Gruppe deshalb diese "Erzählung" in Dialoge bzw. Spielszenen umgeschrieben, ohne aber den Inhalt zu verändern.
Wer die Geschichte gelesen hat (im Internet im englischen Original zu finden unter https://en.wikisource.org/wiki/The_Rats_in_the_Walls), wird nun vermutlich einwenden, daß es neben der neu hinzugekommenen Eröffnungs- und der ebenfalls unwesentlich erweiterten Schlusszene, noch einige zusätzliche Veränderungen gibt. Diese betreffen unter anderem zwei Namen. Zum einen nennt Gruppe als "geschichtliche Referenz" hier Jakob den Ersten, während Lovecraft von James dem Ersten spricht. Beides ist jedoch richtig, denn dieser Monarch wurde zwar als James Charles getauft, war aber, aufgrund der Tatsache, daß er bereits mit einem Jahr mit dem Namen Jakob VI. zum König von Schottland und im Jahr 1603 noch zusätzlich als Jakob I. zum König von England und Irland gekrönt wurde, bei uns auch unter diesem bekannt. Zum anderen betrifft es die Benennung des Katers "Ni**er-Man", welche heute zurecht als rassistisch und unangemessen gilt und von Marc Gruppe in das wesentlich harmlosere, wenn auch genauso treffende "Schwarzer" abgändert wurde.
Die neu geschriebene Einleitung finde ich sehr begrüßenswert, denn sie ermöglicht es Gruppe, seine Hörspielversion viel dynamischer und somit auch aufregender zu beginnen, als wenn er den trockenen, eher etwas dröge wirkenden Einstieg Lovecrafts übernommen hätte. Darüber hinaus wirkt die Erzählung so runder, denn zum Schluss schließt sich der "erzählerische Kreis", und Gruppe beendet das Hörspiel auch mit dieser Szene.
Wie schon gesagt, ist inhaltlich alles vorhanden, allerdings hätte ich, gerade in der ersten Hälfte des Hörspiels, für die Rückblicke mehr Spielszenen oder wenigstens akustische Einspielungen wie Hilfeschreie, Flehen um Gnade oder ähnliches erwartet. Diese kommen erst, wenn es in den unteren Keller und damit dem "Highlight" entgegen geht. Die Sequenz ist unwahrscheinlich spannend und auch durchaus gruselig, allerdings hätte ich mir eine noch stärkere Hervorhebung des "kannibalistischen" Motives gewünscht, das dieser Geschichte ursprünglisch zu eigen war.
Die wenigen sprachlichen Modernisierungen fallen kaum auf, lediglich die "Waisenknaben" haben mich etwas irritiert, da ich mir nicht vorstellen kann, das dieser Vergleich damals schon üblich war.
Die Erwähnung Edgar Allan Poes und Yog Soggoths gibt es nur hier, und es sind Verbeugungen Gruppes vor den beiden großen Schriftstellern des phantastischen Generes.
Die bei Lovecraft hinzugerufenen Wissenschaftler wurden gestrichen, deren Dialoge und Aktionen werden von Captain Norrys übernommen.
Interessanterweise hat Gruppe das ca. 56minütige Hörspiel quasi in zwei Hälften geteilt. Zunächst wird die Vergangenheit, also die Familiengeschichte, thematisiert, dann folgt ein längeres Musikstück, und die anschließende Handlung spielt in der Gegenwart der Protagonisten.
Von der Inszenierung her eine schöne Idee, die dem Hörer Gelegenheit gibt, ein wenig durchzuatmen.
Neben dem Hörspielskript, ist Marc Gruppe, zusammen mit Stephan Bosenius, auch für Produktion und Regie verantwortlich. Beide lassen jedesmal viel Herzblut in ihre Arbeit einfließen, und das ist auch hörbar. Die Musik ist, wie gewohnt, jderzeit passend und, entsprechend der Handlung, düster und dramatisch gehalten.
Wer die Geschichten von Lovecraft kennt, der weiß, daß es dort immer mal wieder Kultanhänger gibt, welche ihre Götter mit einer Flöte herbeirufen. Dieser Gedanke wird auch in der Musik aufgegriffen, und so passt es hervorragend, wenn einzelne Stücke mit Hilfe dieses Instrumentes und der Pauken, die an primitives Kult-Getrommele erinnern, eingespielt werden. Auch die in den Traumsequenzen ertönenden, wehmütig klagenden Choräle sorgen für einen zusätzlichen Gruselfaktor. Besonders erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang das klanglich an ein primitives Ritual erinnernde Stück, mit dem das Hörspiel endet. Eine der größten Herausforderungen bei der Produktion ist sicherlich die Soundgestaltung der Handlungsorte. Denn nur wenn alle Geräusche und Töne natürlich wirken, ist das Szenario für den Hörer glaubhaft. Nun sind Bosenius und Gruppe auch auf diesem Gebiet mittlerweile Experten und bieten dem Hörer ein perfektes Ambiente.
Der Salon wird mit Hilfe einer tickenden Standuhr, leise heulendem Wind und dem damals üblichen prasselnden Kaminfeuer in Szene gesetzt, und das Schnurren, Maunzen und Fauchen des Katers könnte sich nicht echter anhören. Bei den titelgebenden Ratten bin ich allerdings etwas zwiegespalten. Einerseits hört sich deren Gequieke für mich manchmal so an, als handele es sich um Kanarienvögel, andererseits ist da gleichzeitig noch etwas eingespielt worden, was ihrem Fiepen einen beinahe flüsternden, bedrohlichen Unterton verleiht.
Kleinere Effekte, wie das Unterlegen der Stimmen im Keller mit leichtem Hall, sorgen für zusätzliche Realitätsnähe. Besonders beachtenswert finde ich hier aber gerade den Effekt, welchen man gar nicht hört. Als das Licht angemacht wird, herrscht für einen Moment absolute Stille. Eine Sequenz, die eindrucksvoll beweist, wie bedrückend Sprachlosigkeit sein kann.

Zu den Sprechern:
Dadurch, daß die, zugegebenermaßen auch nicht notwendigen, Wissenschaftler gestrichen worden sind, kommt man mit einer überschaubaren Anzahl von Sprechern aus. Hauptakteur und Erzähler ist Hans Bayer(Mr. Delapore), dessen intensives Spiel den Hörer sofort in den Bann zieht. Seine raue Stimme passt hervorragend zu dem alten Familienoberhaupt, das sich zwei Jahre lang vergeblich aufopferungsvoll um seinen Sohn gekümmert hat und nun die letzten Geheimnisse seiner Familie ergründen möchte. Highlight seiner Darbietung ist für mich der Moment, in dem er seltsam zu werden beginnt. Dieser wird so subtil und gekonnt gesprochen, daß man schon sehr genau hinhören muss, um ihn überhaupt mitzubekommen. Wirklich eine großartige Darbietung! Jonas Baeck(Captain Edward Norrys) hat hier, vor allem in der ersten Hälfte des Hörspiels, den eher undankbaren Part als Stichwortgeber bzw. Dialogpartner Bayers. Trotzdem vermittelt er bereits dabei das Portrait eines sympathischen, mitfühlenden jungen Mannes, und im zweiten Abschnitt kann er dann auch zeigen, was in ihm steckt. Seine überzeugend dargebotene zunehmende Unsicherheit und Nervosität in Bezug auf das Verhalten und die Äußerungen seines Gefährten, überträgt sich dabei unmittelbar auf den Hörer und lässt ihn noch mehr um dessen Schicksal bangen. Horst Naumann(Diener) und Dagmar von Kurmin(Köchin) haben zwar nur kurze, aber, dank ihrer aussergewöhnlichen Stimmen, überaus wirkungsvolle Auftritte als beunruhigte Dienerschaft, der es hörbar schwerfällt, ihre Sorgen gegenüber ihrem Dienstherrn zu äußern. In einem Rückblick hat Marc Gruppe(Alfred Delapore) einen gelungenen Gastauftritt als der verstorbene Sohn, der ebenso neugierig auf die Familiengeschichte ist, wie sein Vater.

Fazit:
Lovecrafts Meisterstück, von Titania-Medien erstmals als Hörspiel geschmackvoll und stimmig in Szene gesetzt.

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