Rezension: Gruselkabinett - 141 - Der Judas-Kuss
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Rezension: Gruselkabinett - 141 - Der Judas-Kuss
Gruselkabinett - 141 - Der Judas-Kuss
Zum Inhalt:
Zusammen mit seinem Butler Adams macht Colonel "Hippy" Rowan ein Reise zu seinem Freund, dem türkischen Millionär Djavil Pacha. Entgegen seiner Gewohnheit, hat er sich diesmal entschlossen, die Reise mit dem Dampfschiff zu unternehmen. Während der Fahrt bemerken die beiden einen Mann, der sich nur abends zeigt und stets sein Gesicht verhüllt. Neugierig geworden, befragen sie den Kapitän nach dem seltsamen Passagier. Doch auch dieser kennt lediglich dessen Namen, obwohl der Unheimliche bereits mehrfach an Bord war. Eines Nachts kommt es dann zu einer hässlichen Konfrontation zwischen dem Colonel und dem Fremden...
Zur Produktion:
Mit "A Kiss of Judas", so der englische Originaltitel der ursprünglich im Juli 1893 in der Zeitschrift "The Pall Mall Magazine" veröffentlichten Kurzgeschichte, präsentiert Titania-Medien erstmalig ein Werk aus der Feder von Julian Osgood Field(23.04.1852 - ??.??.1925). Der britische Schriftsteller gehörte der "dekadenten Bewegung" an, einer Gruppe von Menschen, welche einer ästhetischen Ideologie der Dekadenz und Künstlichkeit folgte.
Heutzutage erinnert man sich an ihn, wenn überhaupt, vor allem wegen seiner Horror-Kurzgeschichten, die er unter dem Pseudonym "X.L." oder "Sigma" schrieb. Zu seiner Zeit war er, trotz seiner vornehmen Abkunft als Sohn eines unter Abraham Lincoln beschäftigten Beamten und als guter Freund des zukünftigen englischen Königs Edward der VII., vor allem als Betrüger bekannt. 1901 musst er wegen Unterschriftsfälschung für drei Monate und 1915 wegen betrügerischer Absprachen nochmals für 18 Monate ins Gefängnis. Was anschließend aus ihm wurde und wann genau er starb, liegt im Dunkeln, in den Jahren 1924 und 1925 verfasste er jedoch noch drei kompromittierende Einblicke in das Sozialleben der damaligen High Society.
Mir war dieser Autor bisher vollkommen unbekannt, und wie immer freue ich mich darüber, daß Titania Medien meinen Horizont erweitert hat.
Wenn man die Geschichte liest, zu finden im US-Amerikanischen Internetarchiv unter https://archive.org/details/autdiabolusautni00fiel, stellt man schnell fest, daß Field hier versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er nutzt den Hauptdarsteller, Colonel Richard Ulick Verner Rowan, um die gesellschaftlichen Verhältnisse anzuprangern und gleichzeitg mit ihnen, bzw. ihrem "Stellvertreter", in Form einer Horrorgeschichte abzurechnen. Bedauerlicherweise sind es aber genau diese sozialkritischen Elemente (ausufernde Beschreibungen des Werdegangs des Colonels etc.), welche den Inhalt zäh und langweilig wirken lassen. Darüber hinaus verwendet Field äußerst umständliche Formulierungen, die das Lesevergnügen weiter trüben. Das ist wirklich bedauerlich, denn der Kern der gruseligen Handlungselemente, die Legende um den "Judas-Kuss", ist ein origineller Ausgangspunkt für eine Schauergeschichte und hat nichts mit Vampiren zu tun, wie eine oberflächliche Betrachtung des Covers vielleicht suggerieren könnte.
Diese unübersehbaren Schwächen der Vorlage, verbunden mit dem gleichzeitigen Potential der Grundidee, hat auch Skriptautor Marc Gruppe erkannt und konsequent darauf reagiert. Normalerweise bemüht er sich ja, den jeweiligen Urtext möglichst komplett in seine Hörspielversion zu integrieren, aber diesmal geht er, auch im Sinne des Hörers, erfreulicherweise anders vor. Er lässt die gesamte, für den Aufbau von Spannung und Grusel so hinderliche Sozialkritik weg und reduziert das Geschehen auf die Horrorelemente. Die ehemals langatmigen Beschreibungen werden von ihm in Dialogform präsentiert, und so gelingt es ihm, die zuvor dröge daherkommende Geschichte in ein kurzweiliges Hörspiel von ca. 45 Minuten Laufzeit zu verwandeln.
Abgesehen von den bereits erwähnten Kürzungen, hat Gruppe auch auf die Einbeziehung des Anfangsgedichtes und den Text des Zigeunerliedes verzichtet.
Beides ist aber für den Ablauf ohnehin unerheblich und wird von mir nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Neu hinzugekommen ist dagegen das zeitliche Setting, Gruppe siedelt seine Version im Jahre 1900 an, sowie der Verweis auf Bram Stoker und seinen weltberühmten Roman. Beides sind willkommene Ergänzungen, die aber ebenfalls keinen weiteren Einfluss auf die Handlung haben.
Besonders gut gefallen hat mir der Schluss des Hörspiels, das mit dem hämischen Gelächter Lebedenkos ausklingt.
Daß einem die ohnehin schon knapp gehaltene Laufzeit sogar noch kürzer vorkommt, dürfte vor allem an der dichten Inszenierung von Stepahn Bosenius und Marc Gruppe, den Regisseuren und Produzenten der Reihe, liegen. Bereits der satte Gongschlag, gefolgt von Bass und Cello, mit dem die beiden ihre Adaption eröffnen, versetzt den Hörer in die richtige Grundstimmung für die nachfolgende morbide Handlung. Statt auf melodiöse Stücke, setzt man diesmal hauptsächlich auf treibende, düstere, regelrecht bedrohlich wirkende Synthesizertöne, die hin und wieder von einem klagenden Choral begleitet werden. Sehr gelungen finde ich den Einsatz der Sitar, die mich, wie auch wohl gewünscht, sofort an den Orient erinnert hat.
Genauso gelungen wie die musikalische Untermalung, ist auch die Auswahl der Geräusche. Die Schiffsfahrt wird mit Möwengeschrei, dem Geräusch der Maschinen, der dazupassenden Pfeife und den knarrenden Holzplanken plastisch in Szene gesetzt. Auch das von mir so geschätzte "Käuzchen" darf kurz in die Nacht rufen.
Akustisches Highlight ist aber für mich das unheimliche Atmen, welches in einer Szene mit dem Colonel quasi "hinter" ihm zu hören ist. Besser und grauenerregender lässt sich eine geisterhafte Erscheinung nicht darstellen!
Zu den Sprechern:
Der Einsatz von Peter Weis(Erzähler) bleibt auf ein Minimum beschränkt, er hat hier mehr oder weniger nur die Aufgabe, zu den verschiedenen Handlungsorten überzuleiten. Das sorgt für Dynamik, und obwohl Weis wirklich gut ist, hätte man meiner Meinung nach sogar ganz auf einen Erzähler verzichten können. Rolf Berg(Colonel "Hippy" Rowan) ist großartig als selbstbewusster, vollkommen furchtloser Mann mit einer Schwäche für das weibliche Geschlecht, der erst nach Kenntnis der "Judas-Kuss"-Legende begreift, in welcher Gefahr er schwebt. Tom Raczko(Butler Adams) überzeugt mit seiner Darstellung des zuvorkommenden Bediensteten des Colonels, dem das Wohlergehen seines Arbeitgebers das Wichtigste ist, und Bert Stevens(Kapitän Pellegrini) liefert ein launiges Portrait des alten Seebären mit leicht rauer Stimme. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Jean Paul Baeck(Isaac Lebedenko) in seiner Rolle des unheimlichen Mitreisenden aus Moldavien. Mal zischt er seinen Text wütend und heiser, dann wieder "würgt" er ihn hervor, als fiele ihm das Sprechen schwer. Aber spätestens wenn er in seine beleidigenden Hasstiraden verfällt, wird klar, was für ein beängstigender Charakter dieser Mann ist. Ebenfalls gut gefallen haben mir Claus Thull-Emden(Leopold Maryx) als Wiener Psychologe, der die Legende um den "Judas-Kuss" studiert hat und seine Kenntnisse mit leichtem Akzent an den Colonel weitergibt, und Sascha von Zambelly(Prinz Valerian Eldourdza) als Edelmann, der den Colonel das Fürchten lehren möchte und dem die Selbstzufriedenheit des Offiziers so dermaßen gegen den Strich geht, daß man seine mühsam unterdrückte Wut förmlich heraushören kann. Für erotische Akzente sorgt Annina Braunmiller-Jest(Zigeunerin) mit ihrem kurzen, aber eindrucksvollen Auftritt als verführerische "Femme fatale".
Fazit:
Hervorragende Hörspielumsetzung, die wesentlich gruseliger ausfällt, als die schriftliche Vorlage.
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