Rezension: Gruselkabinett - 155 - Flaxman Low - Der Geist von Baelbrow
Verfasst: Mo 09.12.2019, 18:37
Gruselkabinett - 155 - Flaxman Low - Der Geist von Baelbrow
Zum Inhalt:
Professor van der Voort, Flaxman Lows alter Physiklehrer, bittet den Geisterjäger um Hilfe. Er und seine Tochter Lena hüten seit dem Sommer das Anwesen "Baelbrow Hall", und abgesehen von ein paar Merkwürdigkeiten, die dem langjährigen "Familiengeist" der Swaffams zugeschrieben werden, war dort bis zum Herbst eigentlich alles in Ordnung. Doch plötzlich attackiert nachts eine unheimliche Gestalt die Hausbewohner, und es kommt sogar zu einem Todesfall...
Zur Produktion:
"The Story of Baelbrow", so der englische Originaltitel der hier zugrundeliegenden Kurzgeschichte, wurde, genau wie die bereits von Titania als Folge 149 - "Das Teufelsmoor" adaptierte Geschichte "The Story of the Moor Road", erstmals 1898 im monatlich erscheinenden "Pearson's Magazine" veröffentlicht.
Die Figur des Geisterjägers "Flaxman Low" ist eine Erfindung des Schriftstellers Hesketh Hesketh-Prichard (17.11.1876-14.06.1922) und seiner Mutter, Kate O'Brien Ryall Prichard, die ihre Erzählungen unter den Pseudonymen "H. und E. Heron" verfassten. Im Jahre 1904 gaben sie die Kurzgeschichtensammlung "The Chronicles of Don Q". heraus, in denen der fiktionale Schurke "Don Quebranta Huesos", eine Art spanischer "Robin Hood", die Hauptrolle spielt.
1906 folgte ein weiterer Band unter dem Titel "The new Chronicles of Don Q", und 1909 schrieben die beiden den Roman "Don Q.'s Love". Letzterer wurde im Jahr 1925 von den Drehbuchautoren Jack Cunningham und Lotta Woods zur "Zorro"-Story umgemodelt und von United Artists, mit Douglas Fairbanks in der Hauptrolle, als "Don Q, der Sohn von Zorro" verfilmt. Der überaus erfolgreiche Stummfilm ist übrigens inzwischen bei uns auf DVD erhältlich.
Zu seiner Zeit bezeichnete ihn die New York Times als "einen der 10 besten Filme des Jahres".
Die Geschichten um "Flaxman Low" haben es, meines Wissens nach, leider nie auf die Leinwand geschafft, aber 2009 wurde die Kurzgeschichte "The Things That Shall Come Upon Them" der Schriftstellerin Barbara Roden veröffentlicht, bei der Geisterjäger Low und Sherlock Holmes gemeinsam in einem Spukhaus ermitteln. Übrigens ist "Der Geist von Baelbrow" am 30.01.1979 in dem Taschenbuch "Draculas Rivalen" (Pabel/Vampir TB 70) auch auf Deutsch erschienen.
Wer dieses Buch nicht besitzt, aber trotzdem die Geschichte (im englischen Original) nachlesen möchte, findet sie im Internet unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0605811.txt.
Leser der englischsprachigen Version, werden mir sicher zustimmen, daß der Schreibstil heutzutage sehr schwerfällig und im Aufbau wenig schlüssig wirkt.
Daß die rund 52 Minuten Hörspiel-Laufzeit trotzdem wie im Flug vergehen, ist vor allem Drehbuchautor Marc Gruppe zu verdanken.
Zu Beginn bekommt der Hörer erst einmal das bereits in Folge 149 verwendete "Flaxman Low-Intro" präsentiert, welches den ursprünglichen, an dieser Stelle etwas langweiligen Text des Autorengespanns Heron, deutlich interessanter macht.
Darüber hinaus hat Gruppe nicht nur sämtliche Beschreibungen durch Spiel- bzw. Dialogszenen ersetzt, sondern auch die Abfolge der Ereignisse leicht verändert. Mit diesem Kniff gelingt es ihm, die Spannung weitaus besser zu halten, als es die ursprünglichen Autoren vermochten. Dazu kommt noch, daß er die heutzutage äusserst befremdlich wirkenden, abwertenden Kommentare über Frauen beinahe vollkommen eliminiert hat. Lediglich die Bemerkung über die "schwachnervigen Hysterikerinnen" hat es in sein Drehbuch geschafft, bleibt aber auch die einzige diskreditierende Bemerkung und muss ganz als Zeichen der damaligen Zeit gesehen werden.
Die wichtigste Änderung betrifft den Ausgang der Geschichte. Während dieser in der schriftlichen Version recht unspektakulär ausfällt, lässt Marc Gruppe es hier nochmal so richtig krachen und nutzt die Szene gekonnt, um etwas mehr Grusel in die Handlung zu bringen.
Das von Stephan Bosenius und Marc Gruppe aufgebaute Klangbild weiß einmal mehr zu begeistern und passt hervorragend zur Jahreszeit. Der Wind braust um das Gemäuer, der Regen prasselt gegen die Scheiben, und hin und wieder hört man entferntes Donnern, während im Innern des Hauses ein gemütliches, wärmespendendes Kaminfeuer brennt. Akustisches Highlight bei den Geräuschen ist für mich jedoch das "Kratzen" über den Holzboden, welches von der unheimlichen Erscheinung verursacht wird. Die Effekte sind so unauffällig integriert, daß ich nur den leichten Hall in Professor van der Voorts Stimme, bei den Rufen nach "Rags", bemerkt habe. Was die Musik angeht, so bleibt man ganz in dem von Marc Gruppe gesetzten Handlungszeitpunkt 1895. Neben diversen Streich- und Blasinstrumenten kommen auch noch Trommeln und ein Choral zu Gehör. Das "Flaxman Low-Theme" wirkt schon fast ein wenig modern, aber die restlichen Musikstücke stehen ganz im Einklang zum historischen Kontext und unterstreichen die düstere, unheimliche Atmosphäre adäquat.
In starkem Kontrast dazu steht die Melodie, welche am Ende eingespielt wird. Ihr harmonischer Klang erscheint quasi wie eine Versöhnung mit dem Hörer und dient dem entspannten Ausklang des Geschehens.
Zu den Sprechern:
Rolf Berg(Flaxman Low) schlüpft erneut in die Rolle des Geisterjägers, der zwar immer einen kühlen Kopf bewahrt, aber im Gegensatz zu seinen Groschengrusel-Heftromankollegen auch mal erschrickt, wenn er unvermutet auf eine übernatürliche Erscheinung trifft. Eckart Dux(Prof. van der Voort) ist einfach großartig als älterer Gelehrter, der sich die unheimlichen Vorgänge einfach nicht erklären kann. Gleiches gilt für die unnachahmliche Reinhilt Schneider(Lena van der Voort) als seine Tochter. Der liebliche Klang in ihrer Stimme begeistert mich immer wieder aufs Neue und weckt sofort Beschützerinstinkte, vor allem als sie auf die unheimliche Erscheinung trifft. Die sonore Stimme von Horst Naumann(Swaffam Senior) passt hervorragend zu seiner Darstellung des ruhigen Kollegen und Freundes von "Prof. van der Voort". Sascha von Zambelly(Harold Swaffam) agiert souverän als energischer Verlobter Lenas, der fest entschlossen ist, die Vorgänge in seinem Vaterhaus zu ergründen. Auch Claudia Urbschat-Mingues(Eliza Freeman) gelingt es, trotz ihres relativ kurzen Auftritts, einen bleibenden Eindruck als völlig aufgelöstes, schluchzendes Dienstmädchen zu hinterlassen. Sprecherisches Highlight ist für mich, auch wenn er keinen Text im eigentlichen Sinne hat, Marc Gruppe(Geist) als unheimliches Wesen, dessen hevorgestoßene Laute, gepaart mit dem unmenschlichen Brüllen, bei mir für Gänsehaut sorgten.
Fazit:
Flaxman Low kann auch mit seinem zweiten Gruselfall beim Hörer punkten.
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