Rezension: Gruselkabinett - 160 - Denn das Blut ist Leben
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Rezension: Gruselkabinett - 160 - Denn das Blut ist Leben
Gruselkabinett - 160 - Denn das Blut ist Leben
Zum Inhalt:
Im Jahre 1905 bekommt der Turmbesitzer George Besuch von seinem guten Freund Holger, einem skandinavischen Maler. Als die beiden beim Abendessen sitzen, bemerkt dieser in einiger Entfernung eine seltsame Erderhöhung, die wie ein Grab anmutet. Neugierig geworden, besteht Holger darauf, sich diese näher anzusehen, obwohl ihn sein Gastgeber nachdrücklich warnt. Der Maler findet zwar nichts Außergewöhnliches, hat aber das Gefühl, dort nicht allein zu sein...
Zur Produktion:
Fans des "Gruselkabinetts" wird der Name Francis Marion Crawford(02.08.1854 - 09.04.1909) vertraut sein, denn der amerikanische Schriftsteller lieferte auch die Vorlagen zu den Folgen "Gruselkabinett - 34 - Die obere Koje" und "Gruselkabinett - 64 - Der schreiende Schädel". Bekannt wurde er durch seine ungewöhnlichen phantastischen Geschichten, von denen, so wie auch diese, mehr als die Hälfte in Italien spielen. Der dort geborene Autor kehrte im Mai 1883 in sein Heimatland zurück und kaufte im Herbst des gleichen Jahres die Villa Renzi, wo er den Rest seines Leben verbrachte.
Crawford war unter anderem sehr bewandert in der mittelalterlichen Geschichte Roms und veröffentlichte bis zu seinem Tod insgesamt drei umfangreiche historische Studien zu diesem Thema. Einige seiner Kurzgeschichten, wie zB. "Die obere Koje" (geschrieben 1885, veröffentlicht 1886), "Der schreiende Schädel" (geschrieben und veröffentlicht 1908) sowie die hier zugrundeliegende Geschichte "For the Blood Is the Life" (erstmals veröffentlicht in der Weihnachtsausgabe des "Collier’s"-Magazins am 15.12.1905) sind in diversen Horror-Anthologien publiziert worden. Crawford verstarb am Karfreitag des Jahres 1909 an einer Herzattacke. Bereits zehn Jahre zuvor hatte er sich bei einer Recherche zu seinem historischen Roman "Marietta" (veröffentlicht 1901), durch das Einatmen giftiger Gase in einer Glasschmelzerei in Colorado, eine schwere Lungenverätzung zugezogen. 1911 erschien posthum ein Sammelband mit allen phantastischen Erzählungen. In den Vereinigten Staaten hieß er "Wandering Ghosts", in Großbritannien bekam das inhaltsgleiche Werk den Titel "Uncanny Tales". Bereits 1929 bezeichnete der britische Schriftsteller M.R.James (Gruselkabinett 71, 92, 101, 106, 140 und 145) die Stories Crawfords als Höhepunkte innerhalb des Genres der Geistergeschichten.
Aufgrund der Tatsache, daß der Autor die Handlung aus Sicht des "Ich-Erzählers" verfasst hat, welche bei wörtlicher Übetragung allenfalls für ein Hörbuch geeignet wäre, musste Skriptautor Marc Gruppe erhebliche Veränderungen vornehmen, um daraus eine flüssige Hörspiel-Handlung zu gestalten. Damit das gelang, hat er die meisten Beschreibungen der Landschaft und der Charaktere in pointierte Dialoge umgewandelt und teilweise mit eigenen Worten oder Ideen ergänzt. Beispielsweise erfährt man die Fakten zu Alarios Leben hier durch ein Gespräch zweier Arbeiter. Neu hinzugekommen ist hingegen das weiße Leichentuch. Crawford sagt dazu nichts, vermutlich ist die Erscheinung bei ihm aber nackt, auch wenn das nicht explizit gesagt wird. Ebenfalls ergänzt sind Intro und Outro der Geschichte. Ersteres erschließt sich dem Hörer erst im Laufe der weiteren Handlung, Letzeres ist eine stimmige Erweiterung des ursprünglich etwas abrupt ausfallenden Schlusses.
Darüber hinaus hat Gruppe den agierenden Personen noch etliche Adjektive in den Mund gelegt, exemplarisch sei hier das Wort "lüstern" im Zusammenhang mit dem unheimlichen Wesen genannt. Um was für eine Art Kreatur es sich handelt, dürfte dem Hörer anhand des Titels und der Coverillustration eh von vorneherein klar sein. Daß man dem Geschehen trotzdem bis zum Ende der knapp 45 Minuten Laufzeit gebannt folgt, liegt nicht zuletzt an Gruppes behutsamer Umstellung der zeitlichen Abfolge einiger Ereignisse. So finden Antonio und der Priester hier zunächst die Kiste, bevor sie auf die Leiche treffen, was die Angelegenheit sehr viel gruseliger macht, als das ursprünglich der Fall war. Aus Gründen des heutigen Zeitgeistes und der damit verbundenen "Political Correctness", zog es der Skriptautor vor, den Begriff "Zigeunerin" zu eleminieren, um stattdessen eine neutralere Beschreibung zu verwenden. Etwas bedauerlich finde ich es, daß man so gar keine Erklärung dafür bekommt, wie die Kreatur zu dem wurde, was sie jetzt ist. Dies wird aber auch bei Crawford nicht thematisiert, und Marc Gruppe hat vernünftigerweise ebenfalls darauf verzichtet, eine eigene Begründung zu liefern. Interessierte Hörer finden die englischsprachige Originalgeschichte im Internet unter https://loa-shared.s3.amazonaws.com/sta ... d_Life.pdf.
Stepahn Bosenius und Marc Gruppe, die beiden Produzenten und Regisseure von Titania Medien, eröffnen das Hörspiel mit einer schon bedingt durch das gewählte Instrument (eine Ziehharmonika) wohlklingenden Melodie, die den Hörer sofort nach Italien versetzt. Auch die nachfolgenden Musikstücke sind sorgfältig ausgewählt worden und sorgen für eine adäquate Unterstreichung der jeweiligen Szene. Wenn die Handlung am Tag spielt, sind beispielsweise liebliche, mit der Flöte eingespielte Weisen zu hören, während die Nachtszenen mit düsteren Synthesizersounds oder einem unheimlich klingenden, klagenden Choral illsutriert werden. Besonders schön finde ich die leicht melancholisch anmutende Abschlußmelodie, bei der es sich anhört, als hätten die beiden Produzenten eine Spieluhr eingesetzt. Die unglaublich dichte und gewissenhaft eingespielte Geräuschkulisse hat mich wieder einmal besonders begeistert. Der Gesang der Vögel, die leise im Hintergund schreienden Möwen, das Scharren der Kiste über den Fußboden oder die bei der Aushebung der Grube verwendeten Schaufeln und die herunterfallenden Erdbrocken, all diese Töne passen perfekt zum Geschehen. Besonders gut hat mir das auf dem Grabhügel subtil eingespielte Schmatzen gefallen. Effektheischerei ist ja kein Thema bei Titania Medien, und so beschränkt man sich auch hier auf den Einsatz von Hall, wenn das unheimliche Wesen spricht bzw. schreit. Das verleiht der Kreatur den notwendigen übernatürlichen Touch, ohne aufdringlich zu wirken.
Zu den Sprechern:
Ebenso beeindruckend wie die Produktion, ist auch die Leistung der einzelnen Sprecher. Sie sind präzise gecastet worden, was schon am stimmlichen Kontrast zwischen den beiden Hauptsprechern zu bemerken ist, der den altersmäßigen der Figuren unterstreicht. Harald Dietl(George), der ältere der beiden, welcher ebenfalls als Erzähler fungiert, auch wenn er in dieser Eigenschaft kaum zum Tragen kommt, ist der etwas bedrückt wirkende väterliche Freund des jungen Malers. Dietl spielt seine Rolle mit viel Gefühl, und man nimmt ihm die Sorge um seinen jüngeren Freund jederzeit ab. Im Gegensatz dazu agiert Jean Paul Baeck(Holger), der zunächst gutgelaunte Künstler, entsprechend seines Alters impulsiv und unbesorgt. Erst als er merkt, in welche Gefahr er sich begeben hat, beginnt er den Ernst der Lage zu begreifen. Sehr gut gefallen hat mir auch sein Abschlußplädoyer, die Angelegenheit ein für allemal, im wahrsten Sinne des Wortes, zu "begraben".
Marie Bierstedt(Cristina) ist einfach klasse als verführerische Frau, die mit ihrer weichen Stimme versucht, diverse Männer zu becircen und dabei buchstäblich bereit ist, über Leichen zu gehen. Die Rolle, welche von Markus Andreas Klauk(Angelo) intoniert wird, bleibt wegen seiner kurzen Auftritte ein wenig blass und wirkt nicht gerade sympathisch. Dank seines intensiven Spiels, gelingt es Klauk zwar durchaus, beim Hörer Mitgefühl zu erwecken, aber aufgrund der Art und Weise, wie seine Figur agiert, was natürlich vom Autor vorgegeben wurde, (quasi: "Ach, die ist nicht mehr da/steht nicht mehr zur Verfügung, na gut, dann nehme ich eben doch die andere!") fällt es schwer, allzu sehr mit ihm zu leiden. Gut gefallen hat mir hingegen Ursula Wüsthofs(Philomena) Portrait der alten, missgünstigen Dienerin, die lediglich bereit ist, dem Sohn ihres ehemaligen Arbeitgebers gelegentlich mal ein Hemd zu waschen. Sprecherisches Highlight in dieser Folge sind für mich aber ganz klar die beiden verschlagenen, skrupellosen Arbeiter Valentin Stroh(Neapolitaner) und Louis Friedemann Thiele(Sizilianer), die vor nichts zurückschrecken, um an Geld zu kommen. Die beiden spielen die finsteren Burschen, die jegliche Rechtschaffenheit geradezu verabscheuen, mit so viel Inbrunst, daß man ihnen auf keinen Fall nachts im Dunklen begegnen möchte. Ähnlich intensiv ist auch Ferdi Öztens(Antonio) Darstellung des jungen Mannes mit der sympathischen Stimme, der gerade erst aus der Fremde zurückgekehrt ist und darauf drängt, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Ihm zur Seite steht Peter Weis(Priester), als hilfsbereiter Geistlicher, der Antonio entschlossen bei seinem Vorhaben unterstützt. Der vor sich hin stöhnende Alario wird im Booklet nicht aufgeführt.
Fazit:
Überaus hörenswerte Schauergeschichte.
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