Rezension: Gruselkabinett - 163 - Der letzte Wille der Stanislawa d’Asp

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Rezension: Gruselkabinett - 163 - Der letzte Wille der Stanislawa d’Asp

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Gruselkabinett - 163 - Der letzte Wille der Stanislawa d’Asp/b]

Zum Inhalt:
Obwohl er sie mit Blumen und Schmuck überhäuft, schafft es Vincenz d'Ault-Onival nicht, das Herz der charakter- und ehrlosen Tingeltangel-Sängerin Stanislawa d'Asp zu erobern. Erst als sie von Tuberkolose gezeichnet ist, gibt sie, im Glauben an ihren bevorstehenden Tod, seinem Werben nach. Zu ihrer eigenen Überraschung und der ihrer Ärzte, gelingt es ihr jedoch, die schwere Krankheit zu überwinden. Das Glück von d'Ault-Onival scheint damit perfekt, doch als ihn sein alter Freund Jan Olieslagers besucht, hat das fatale Folgen, und sein Paradies beginnt sich aufzulösen. Doch dies ist nur der Auftakt zu einer Reihe von Ereignissen, an deren Ende der Tod und entsetzliches Grauen warten...

Zur Produktion:
Bei der bereits vorhandenen hohen Folgenzahl, ist es nicht verwunderlich, wenn man innerhalb der Reihe auf bereits bekannte Autoren trifft. Die hier zugrundeliegende Geschichte stammt, wie schon die Gruselkabinettfolgen "38 - Die Spinne", "87 - Alraune" und "151 - Die Topharbraut", von dem außergewöhnlichen deutschen Schriftsteller Hanns Heinz Ewers (03.11.1871 - 12.06.1943). Ewers wird, nicht zuletzt wegen der von Titania vertonten Werke, meist mit phantastischen Geschichten assoziiert, doch diese Einordnung würde viel zu kurz greifen. So schrieb er erfolgreich für das Kabarett, verfasste satirische Texte und Reiseberichte sowie "Kunstmärchen" und sogar Kinderbücher. Bereits 1905 erschien die Novelle "Die Tomatensauce", welche, auf Grund ihrer extrem anschaulichen Gewaltdarstellungen, bei offiziellen Vorträgen dafür sorgte, daß das diesbezüglich noch eher zartbesaitete Publikum reihenweise in Ohnmacht fiel. Die Geschichte gilt heutzutage als Vorläufer von sogenannten "Splatter- und Gorefilmen".
Ab ca. 1912 begann er mit diversen Drogen, von Alkohol über Haschisch, bis hin zu Mescalin, zu experimentieren, was ihn zu der These brachte, daß Rausch und Kunst zusammengehören. Die 29-seitige Kurzgeschichte, "Der letzte Wille der Stanislawa d’Asp", erschien bereits im Jahre 1908 und wurde dann in Deutschland erst wieder 1972 in Form des Sammelbandes "Geschichten des Grauens" (in der gebundenen Ausgabe bei der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung) und erneut 12 Jahre später, unter gleichem Titel, im Juni 1984, als Taschenbuch des Moewig-Verlags neu aufgelegt. Da ich nur Letzteres besitze, kann ich natürlich nicht beurteilen, inwieweit es dem Vorgänger von 1972 entspricht. Aber der Vergleich zwischen dem Hörspielskript von Marc Gruppe und der Moewig-Ausgabe ergab eine oftmals wörtliche Übereinstimmung, was die Vermutung zulässt, daß beide Ausgaben inhaltlich identisch sind.
Ich muss zugeben, daß es mich ein wenig überrascht hat, daß Titania sich ausgerechnet diese Geschichte ausgesucht hat. Selbstverständlich handelt es sich um eine Schauergeschichte, aber von dem reißerischen Ende, also dem perversen Testament und seinen Folgen abgesehen, geht es ansonsten eher um eine Verarbeitung der klassischen Themen Liebe, Religion und Tod, wobei der religiöse Aspekt im Hörspiel in den Hintergrund tritt bzw. nur noch rudimentär vorhanden ist.
Daß hier, trotz des relativ geringen Gruselanteils, ein lohnenswertes Hörspiel entstanden ist, liegt zum einen an dem überragenden Skript von Marc Gruppe und zum anderen an der treffenden Besetzung der Rollen, allen voran Daniela Hoffmann als die titelgebende Stanislawa, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde.
Doch zunächst zum Hörspielskript. Als ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen habe, empfand ich den Ablauf als etwas dröge und langgezogen, doch das von Marc Gruppe verfasste Skript fällt erfreulicherweise gegenteilig aus. So kommt der Erzähler nur zum Einsatz, wenn es unbedingt nötig ist, beispielsweise um Ereignisse bzw. sich aufbauende Empfindungen zu schildern, welche sich innerhalb längerer Zeiträume abspielen. Exemplarisch sei hier Jan Olieslagers Weltenbummlerei oder Stanislawas Gefühle nach ihrer Genesung genannt. Ansonsten werden sämtliche Einzelheiten der Geschichte in Form von Spielszenen präsentiert, wobei Gruppe die literarische Vorlage größtenteils wörtlich zitiert. Lediglich einige veraltete Ausdrücke hat er in unsere Zeit übertragen.
So wurde aus: "trug durch Europa" "reiste durch Europa" und aus der "Aschenschale" der heutzutage eher geläufige Begriff "Aschenbecher".
Auch was die Erweiterungen angeht, hat er sich extrem zurückgehalten, und so finden sich in dem Hörspiel nur ganz wenige Sätze, wie etwa die Reminiszenz an den Kastellan der alten "Hui Buh"- Hörspiele von Europa: "...wenn ich gestatten darf...", die nicht von Ewers stammen.
Neu hinzugekommen ist allerdings eine sehr geschmackvoll präsentierte Liebesszene, bei der es den Protagonisten gelingt, allein mit Hilfe von Keuchen und Stöhnen den leidenschaftlichen Akt zu vermitteln. Ebenfalls neu sind einige kleine Füllwörter wie "behände", die aber nur dazu dienen, den gesprochenen Text natürlicher klingen zu lassen.
Gekürzt wurden dagegen vor allem die religiösen Bezüge, wie der "christliche Krankenwärter" oder die Geschichte der Familienkapelle der d'Ault-Onivals, und im Gegensatz zu Ewers, der von:"ruhte da die weiße, kleine Kinderbrust", spricht, ist bei Gruppe verständlicherweise nur noch von der "kleinen, weißen Brust" die Rede, da es bei einer erwachsenen Frau keinerlei Grund gibt, sich auf ein Kind zu beziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch kurz eine andere geringfügige und der heutigen Zeit angemessenere Änderung erwähnen: Die ursprünglich vorhandene männliche Überheblichkeit, die in dem Satz:"...war es ebenso natürlich, daß sich die Frau ihm gab..." zum Ausdruck kommt, hat der Skriptautor passenderweise ersatzlos gestrichen.
Im Prinzip gibt es nur eine wirklich wesentliche Veränderung gegenüber der Novelle, die aber allein dem Medium Hörspiel geschuldet ist. Im ursprünglichen Text heißt es von Stanislawa öfters, vor allem gegen Ende der Geschichte, daß sie lächele. Da man dies ohne Verwendung von Text akustisch nicht darstellen kann, lässt Gruppe sie lieber gehässig und/oder spöttisch lachen, was ungleich eindringlicher und damit auch effektiver ist.
Erstaunlicherweise befinden sich die Geschichten von Ewers nicht im Public Domain, und so kann ich dieses Mal auch keinen Link zur Verfügung stellen, damit der Leser meine Behauptungen überprüfen kann. Mich jedenfalls hat die ca. 76 minütige Hörspielfassung weitaus mehr gefesselt als Ewers Werk selbst.
Das vorliegende Hörspiel beweist einmal wieder, welche Künstler Stephan Bosneius und Marc Gruppe in den Bereichen Produktion und Regie sind. Jede einzelne Szene ist mit einer eigenen, zu den Geschehnissen passenden Melodie unterlegt. Zur Eröffnung erklingt eine neutrale, lockere Weise, die man akustisch in die 1910er Jahre verorten kann, und sobald die Handlung im Varieté einsetzt, bekommt man eine französisch anmutende Melodie zu hören, die von einem Walzer abgelöst wird. Genauso vielfältig wie die Musikstücke, ist auch der Einsatz unterschiedlichster Instrumente, von Oboe, Gitarre, Zieharmonika, Harfe, Klavier, Geige, bis hin zum Synthesizer für die finsteren, unheimlichen Töne. Daß die Musik hier aber nicht allein der Verdichtung des Klangteppiches, sondern darüber hinaus auch der Schaffung von Atmosphäre dient, wird gleich an mehreren Stellen besonders deutlich. Da wäre die Graböffnung zu nennen, bei der sich Tempo und Lautstärke der Melodie stetig steigern, was die ohnehin bereits vorhandene Anspannung beim Hörer noch erhöht, oder die Szene, als Stanislawa den Wunsch äussert, sich taufen zu lassen. Hier wird ein christlicher Choral eingespielt, was man in diesem Fall in zweierlei Richtungen auslegen kann. Entweder, man nimmt es im Sinne der Kirche, sprich, eine Seele wird gerettet, oder man interpretiert es als Hinterlist, also im Sinne von Stanislawa, welche überhaupt nicht geläutert ist und das alles nur tun möchte, weil sie damit ihren Verehrer Vincenz bindend verpflichten kann.
Ebenso erwähnenswert ist die kurze Sequenz, in der es heißt: "Jan Olieslagers hörte nichts.", denn in diesem Augenblick herrscht wirklich absolute Stille, ohne jegliche Musik, Geräusche oder Texte. Es sind solche kleinen, aber feinen Finessen, welche die Sorgfalt widerspiegeln, mit der jeder Handlungsabschnitt in Szene gesetzt wird. Apropos Sorgfalt. Selbige kommt natürlich auch beim Einsatz der vielen verschiedenen, stets natürlich klingenden Geräusche zum Ausdruck. Im Varieté knallt der Sektkorken, und im Hintergrund ist das Gemurmel des Publikums zu hören, die Meeresküste wird mit kreischenden Möwen und sich an Felsen brechenden Wellen in Szene gesetzt, und die Pferderennbahn erwacht mit Hilfe der keuchenden Tiere, des Hufgetrappels und der mitfiebernden Menschenmege zum Leben. Wie sehr eine adäquate Sounduntermalung dabei hilft, das Geschehen noch zu intensivieren, wird besonders gegen Ende des Hörspiels bei den Szenen am und um das Grab herum deutlich. Schon die Schritte durch das raschelnde Laub und später der heulende Wind in der Gruft lassen einen frösteln, und die sich im Anschluß in die Erde grabenden Schaufeln erwecken beim Hörer den Eindruck, als ob nicht nur die Protagonisten, sondern auch er selbst am Grab stehen würde. Doch wie immer sind es die ganz kleinen Töne, mit denen die beiden Produzenten ihre unglaubliche Liebe zum Detail beweisen. Nur bei vollster Aufmerksamkeit, bzw. über Kopfhörer, ist der leise, aber für eine unwillkürliche Gänsehaut des Hörers sorgende Ton wahrnehmbar, der entsteht, wenn man mit den Fingern gegen Porzellan schnippt. Einmal mehr gilt: Nur wer sich ganz dem Hörspiel widmet, wird auch mit dem vollen Gruselerlebnis belohnt. Effektehascherei sucht man hier, wie üblich, vergebens. Bosenius und Gruppe beschränken sich hauptsächlich auf den dezent eingesetzten Halleffekt, beispielsweise wenn ein Brief vorgelesen wird, oder um darzustellen, daß der gerade zu hörende Text in der Vergangenheit gesprochen wurde. Am besten gefallen hat mir jedoch das zwar nur kurz eingespielte, aber umso beeindruckend wirkendere an- und abschwellende "Gerüchte"-Flüstern.

Zu den Sprechern:
Auch wenn er relativ wenig zum Einsatz kommt, ist die leicht angeraute Stimme von Peter Weis(Erzähler) eine perfekt Wahl für den Part des Erzählers. Seine Betonung ist punktgenau, und er schafft es, mit wenigen Nuancen in seinem Vortrag, eine ganze Palette an Emotionen, von getragen über nachdrücklich, bis hin zu erschüttert abzudecken. Sprecherisches Highlight ist aber auf jeden Fall Daniela Hoffmann(Stanislawa d'Asp), deren virtuose Darbietung das Hörspiel erst zu dem Erlebnis macht, das es ist. Schon mit den ersten Worten zeichent sie stimmlich ein deutliches Bild der total verkommenen, herablassenden, geradezu menschenverachtenden Figur, die sie spricht. Sie ist schon fast zu überzeugend, denn durch die Intensität, mit der sie ihren Text vorträgt, gelingt es, zumindest mir, selbst in den schlimmsten Situationen nicht, auch nur einen Hauch von Mitleid für Stanislawa zu empfinden. Das möchte ich aber ausdrücklich als Kompliment für Frau Hoffmanns großartige sprecherische Leistung verstanden wissen. Das Verhalten von Patrick Bach(Vincenz d'Ault-Onival) als verliebter Graf, der die starken charakterlichen Mängel seiner Angebeteten nicht sehen kann oder will, wird nicht wenigen Hörer unverständlich bzw. schwer nachvollziehbar bleiben. An dieser Stelle sollte man sich aber kurz daran erinnern, aus welcher Zeit die Novelle stammt und vor allem, welche Auffassung von Liebe man damals hatte. Heutzutage würde man dieses sture, sich selbst erniedrigende, realitätsfremde Gebaren wohl zumindest als "treudoof" bezeichnen.
Dietmar Wunder(Jan Olieslagers), in seiner Rolle des "guten" Freundes, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Seine Wandlung vom Paulus zum Saulus und wieder zurück ist exzellent gespielt, und sein mit Inbrunst hervorgestoßenes: "Gott im Himmel, grauenhaft! Und das viele Blut" (das ihm von Marc Gruppe in den Mund gelegt wurde), gehört für mich zu den darstellerischen Höhepunkten des Hörspiels.
Doch auch die Nebenrollen wissen zu begeistern. Allen voran die unvergleichliche Elga Schütz(Garderobiere), welche die Varieté-Angestellte Hilde mit der für ihren Beruf gebotenen Unterwürfigkeit intoniert und die das Verhalten Stanislawas mehr als einmal in Verlegenheit bringt. Der kurze Auftritt von Patrick Stanke(Journalist) als junger, vom Zustand der betrunkenen Sängerin erst leicht genervter und dann vollkommen empörter Reporter, fällt überaus amüsant aus, genauso wie Lutz Reicherts(Arzt) Einsatz als der ein wenig konsternierte Doktor, dem die Art seiner Patientin hörbar unangenehm ist. Marc Gruppe(Fritz Jakobskötter) kann in der Rolle des wütenden, peinlich berührten Schaustellers ebenso überzeugen, wie Bene Gutjan(Vetter) und Jürgen Thormann(Onkel) als entsetzte, empörte Verwandte des Grafen d'Ault-Onival. Obwohl sie nur kurz zu hören ist, gelingt es der Grande Dame Ingeborg Kallweit(Gräfinwitwe) als liebende Mutter von Vincenz, die Stanislawa zwar verachtet, aber denoch nur das Glück ihres Sohnes im Auge hat, mit ihrem intensiven Plädoyer für die Beziehung der beiden, einen bleibenden Eindruck beim Hörer zu hinterlassen. Bodo Primus(Kammerdiener) und David Nathan(Indischer Diener) beeindrucken mit ihrer zurückhaltenden Art als zuvorkommende Untergebene, und die heisere Stimme von Bert Stevens(Priester) passt ausgezeichent zu dem überraschten Geistlichen, der sich zwar ein wenig vor seinem neuen Gemeindemitglied zu fürchten scheint, aber andererseits wenig Skrupel hat und sogar leicht gierig klingt, als er dessen gespendeten Schmuck entgegennimmt. Das Spiel von Horst Naumann(Alter Gärtner), dessen unterwürfige Loyalität schließlich an ihre Grenzen stößt, ist ebenso perfekt wie die Darbietung von Dirk Petrick(Gärtnergehilfe) und Tom Raczko(Gärtnergehilfe) als seine entsetzten, vom Anliegen ihres Herrn abgestoßenen Mitarbeiter.

Fazit:
Tragische Liebesgeschichte mit verstörendem Ausgang.

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