Rezension: Gruselkabinett - 179 - Flaxman Low: Der Fall Medhans Lea

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Rezension: Gruselkabinett - 179 - Flaxman Low: Der Fall Medhans Lea

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Gruselkabinett - 179 - Flaxman Low: Der Fall Medhans Lea

Zum Inhalt:
Flaxman Low, seines Zeichens "Geisterjäger", bekommt Besuch von seinem Freund Mr. Harland und zwei seiner Bekannten. Die drei berichten Low von einem angsteinflößenden Erlebnis auf Harlands Anwesen "Medhans Lea". Während einer Billardpartie hörten sie Schreie wie von einem gequälten Kind, sowie diabolisches Gelächter, und dann tauchte auch noch ein unheimliches Gesicht am Fenster auf...

Zur Produktion:
"The Story of Medhans Lea", so der englischsprachige Originaltitel, erschien erstmals 1898 in Pearson's Magazine Vol. 5 (eine deutsche Übersetzung gibt es bis heute nicht) und ist nach Gruselkabinett 149 - Flaxman Low – Der Fall Teufelsmoor, 155 - Flaxman Low – Der Geist von Baelbrow & 167 - Flaxman Low – Der Fall Hammersmith bereits die vierte Vertonung eines Abenteuers dieses "Geisterjägers". Alle Flaxman Low-Geschichten stammen aus der Feder von Hesketh Vernon Prichard (17.11.1876-14.06.1922) und seiner Mutter Kate O'Brien Ryall Prichard (07.07.1851-14.11.1935), welche für ihre Veröffentlichungen von insgesamt 12 Abenteuern das Pseudonym E. & H. Heron benutzten. Während über seine Mutter, außer ihrem Namen und den Lebensdaten, kaum etwas bekannt ist, weiß man über Hesketh so einiges. Zum einen war er ein erstklassiger Cricketspieler, zum anderen ein begeisterter Reisejournalist, der sich außerdem erfolgreich für den Tierschutz einsetzte. 1913 erschuf er die Figur des "November Joe", eines Verbrechensbekämpfers, der als Jäger und Hinterwäldler in der kanadischen Wildnis agierte. Diese Geschichte wurde dann Ende der 1960er Jahre von der BBC vertont und am 23.09.1970 gesendet.
Doch zurück zu der vorliegenden Flaxman Low-Folge des Gruselkabinetts. Die titelgebende Hauptfigur hat nur wenig mit dem gemein, was wir heutzutage unter einem "Geisterjäger" verstehen. In seiner Vorgehensweise erinnert er eher an einen Detektiv (deshalb wird auch immer "Der Fall" dem eigentlichen Titel vorangestellt), der die Fakten und Indizien zusammenbringt und dann versucht, dem Spukphänomen ein Ende zu bereiten. Oft hat er dabei selbst gar keinen Kontakt zu den Erscheinungen, und so manches Mal kann er auch nichts gegen sie tun. Mit diesem Vorwissen lässt sich das Hörspiel sehr viel besser einordnen, und Enttäuschungen seitens der Hörer können vermieden werden.
Auch in diesem Fall agiert Flaxman Low als "(Ohren)Sesseldetektiv", dem die zugegebenermaßen unheimlichen Ereignisse berichtet werden, aus denen er dann seine Schlüsse zieht und entsprechend handelt. Das heißt aber nicht, daß die Geschichte nicht gruselig ist, ganz im Gegenteil. Dadurch, daß Skriptautor Marc Gruppe den ursprünglichen Erzählstil "aufbricht" und die Berichte von Lows Besuchern als Spielszenen und Dialoge inszeniert, bekommt der Hörer diverse Szenen ins Ohr, welche ihm Schauer über den Rücken jagen. Die Begebenheiten in Medhans Lea sind dabei derart intensiv inszeniert, daß man komplett vergisst, daß es sich "nur" um eine Wiedergabe der Ereignisse handelt.
Im Großen und Ganzen bleibt Gruppe wie gewohnt dicht an der Vorlage und hat nur relativ wenige Veränderungen vorgenommen. Neu ist beispielsweise die Figur des Butlers, und auch das anfangs geführte Gespräch zwischen den vier Männern ist so nicht bei den Herons zu finden. Die Erwähnung von Harland, daß er die bengalische Figur in seiner Jugend als großes Götzenbild gesehen hat, stammt ebenso aus der Feder des Skriptautors, wie der Verweis darauf, daß dieses verflucht wäre. Hinzugekommen sind außerdem einige Füllsätze, die dem flüssigeren Ablauf der Gespräche dienen, während stattdessen einige Details, wie der Verlauf der Billardpartie, weggefallen sind. All dies spielt aber für die Handlung ebenso wenig eine Rolle, wie die Abänderung des Namens Savelsan in Sawelsan oder daß Harland in der Originalgeschichte seinen Mantel bereits anhat, während er hier von seinen Freunden gefragt wird, ob diese ihm selbigen reichen sollen. Allerdings gibt es zwei Veränderungen, die dann doch auffallen. In der Kurzgeschichte findet Low bei der Untersuchung der Figur eine verborgene Feder, mit der sie sich öffnen lässt. Ihr Inhalt bestätigt dann seine bereits geäußerten Vermutungen. Ein Detail das aus mir unverständlichen Gründen im Hörspiel fehlt.
Dafür ist das Ende der Geschichte sehr viel ausführlicher gestaltet worden. Bei den Herons läuft die Kurzgeschichte quasi ins Leere, da Harland unvermittelt vorschlägt, doch lieber von angenehmeren Dingen zu sprechen. Das ist recht billig und wäre wohl kaum von den Hörern akzeptiert worden. Dementsprechend hat Marc Gruppe den Abschluss erweitert, und man erfährt noch, was sich Low einfallen lässt, um dem Problem in "Medhans Lea" zu begegnen und natürlich, ob er damit auch erfolgreich ist. Einmal mehr hat der Skriptautor damit die ursprüngliche Vorlage wesentlich verbessert.
Damit die Geschichte auch ihre Wirkung entfalten kann, haben Stephan Bosenius und Marc Gruppe bei der Regie und Produktion wieder alle Register gezogen.
Die musikalische Untermalung fällt mal harmonisch, mal düster aus, je nachdem, was die jeweilige Szene erfordert. Als Instrumente stehen hier Klavier und Synthesizer im Vordergrund, aber auch die Geige kommt zum Einsatz, wenn auch leicht verfremdet bzw. nur kurz "angestrichen". Besonders gut hat mir das chorale Stück am Schluß des Hörspiels gefallen. Selbiges wirkt so, als würde man noch einmal alle vorangegangenen Melodien "zusammenfassen".
Neben der immer stimmigen Musik, sind es aber die Geräusche, welche es dem Hörer ermöglichen, tief in die Szenerie einzutauchen. In dem bereits bekannten Intro weht ein unheimlicher Wind, und passend dazu wird der Name Flaxman Low ins Mikro gehaucht. Die Wohnung der Titelfigur wird mit Hilfe von leise pfeifendem Wind, dem knisternden Kaminfeuer, einer tickenden Uhr und dem Geschirrklappern dargestellt. Darüber hinaus wurde auch das Kratzen der Feder auf Papier und das Umblättern der Seiten des Notizblockes, auf dem sich Flaxman seine Notizen macht, nicht vergessen. In dem Gasthaus "The Red Lion", wo sich Harland, Nare-Jones und Sawelsan aufhalten, ist viel los. Entsprechend klirren die Gläser und sind im Hintergrund andere Gäste zu hören. Bei einer Geschichte wie dieser darf natürlich auch eine Kutsche mit klirrendem Zaumzeug, unruhig wiehernden Pferden und der typischen knarzenden Tür nicht fehlen. In "Medhans Lea" knarren die Zimmertüren und Fensterläden, und die Billiardkugeln stoßen klickend aneinander. Akustisches Highlight sind für mich das gewaltsame Aufbrechen einer Tür und das splitternde Fensterglas. Die große Sorgfalt, die in diese Produktion geflossen ist, kann man auch daran erkennen, daß die Protagonisten im Anschluß hörbar auf Glassplitter treten. Übrigens sollte man die Folge unbedingt bis ganz zum Schluß hören, denn dann wird man noch mit einem weiteren unheimlichen Laut belohnt.
Neben dem zu erwartenden Hall in "Medhans Lea", mit dem die Sprecher in der Vorhalle und dem Treppenhaus unterlegt sind, kommen noch zwei weitere Effekte zum Einsatz. Die Stimmen hinter der Tür sind unverständlich und klingen ein wenig dumpf, und das finstere Gelächter wird so eingespielt, daß es von allen Seiten zu kommen scheint.

Zu den Sprechern:
Wie schon in den vorangegangenen Flaxman Low-Folgen spricht Rolf Berg(Flaxman Low) das Intro und natürlich die Hauptfigur. Im Gegensatz zu den anderen Sprechern, hat er jedoch relativ wenig Text. Trotzdem bleibt er als zunächst amüsierter, dann immer stiller werdender Chronist, der schlußendlich die Ereignisse in Zusammenhang bringt und analysiert, im Gedächtnis. Bernd Kreibichs(Butler Wilkins) Darstellung des vornehmen alten Bediensteten ist einfach wunderbar. Seine ruhige, distinguierte Sprechweise sorgt dafür, daß der Hörer sofort das Bild eines typischen englischen Butlers vor dem geistigen Auge hat. Sprecherisches Highlight ist in dieser Folge für mich ganz klar Bodo Primus(Mr. Harland), der gute Freund Flaxman Lows. Seine raue Stimme passt hervorragend zu seiner Figur des freundlichen älteren Herrn, dem die Ereignisse auf seinem Anwesen zunehmend unheimlicher werden, obwohl er eigentlich nicht an das Übernatürliche glaubt. Höhepunkt seiner Darstellung ist aber der Herzanfall, bei dem er nur noch Gestöhne und unnartikuliertes Gemurmel von sich gibt. Das klingt derart realistisch, daß man sich fast schon Sorgen um den Sprecher macht. Ganz auf Augenhöhe ist auch Valentin Stroh(Dr. Nare-Jones) als Harlands Hausarzt, der seine Unsicherheit gern mal mit vorgetäuschter Verärgerung überspielt und mit seiner Recherche maßgeblich zur Aufklärung der Ereignisse beiträgt. Gleiches gilt für den geradezu billiardsüchtigen Jean Paul Baeck(Mr. Sawelsan), der sich lieber im Hintergrund hält und trotz aller Begebenheiten einem möglichen Spukphänomen gegenüber skeptisch bleibt. Skriptautor, Regisseur und Produzent Marc Gruppe hat hier zwei überaus gelungene Auftritte. Einmal als grummeliger Kutscher, den er mit harter Stimme spricht, einmal als unheimlicher Priester (dunkler Jesuit), der seinen Text teils unverständlich geflüstert hervorstößt, dann in bösartiges Gleächter ausbricht und schließlich mit drohender Stimme seinen Besitzanspruch deutlichmacht.

Fazit:
Interessantes und stellenweise gruseliges Abenteuer des viktorianischen "Geisterjägers".

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