Rezension: Sherlock Holmes - 06 - Spurlos verschwunden
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Rezension: Sherlock Holmes - 06 - Spurlos verschwunden
Sherlock Holmes - 06 - Spurlos verschwunden
Zum Inhalt:
Margery Mapleton, die Cousine von Mrs. Hudson, bittet Sherlock Holmes mal wieder um seine Hilfe. Fanny Ross, eine entfernte Cousine Margerys, hatte ihr uneheliches Kind nach der Geburt ihrer illegalen Hebamme überlassen. Diese hatte versprochen, sich gegen die Zahlung von zehn Pfund, künftig um das Kind zu kümmern. Als Miss Ross nach ein paar Tagen darauf besteht, ihr Kind wiederzusehen, präsentiert ihr die Hebamme ein völlig anderes. Nachdem die junge Mutter die Täuschung durchschaut hat, wird sie auf den nächsten Tag vertröstet. Doch als sie zum verabredten Zeitpunkt eintrifft, ist die Hebamme verschwunden.
Zur Produktion:
Bereits zum sechsten Mal gewährt uns Titania einen Einblick in die geheimen Fälle des Meisterdetektivs. Diesmal geht es um das bedauernswerte Schicksal unehelicher Kinder mittelloser Mütter im England des ausgehenden 19ten Jahrhunderts. Damals war es üblich, solche Neugeborene, gegen die Zahlung einer gewissen Summe, "Baby Farmern" zur weiteren Betreuung zu überlassen. Da es sich dabei meist um geringe Beträge handelte und somit das Geld nicht lange reichte, war es für viele Pflegerinnen profitabler, wenn die Säuglinge früh starben. Aus diesem Grund wurden sie oft vernachlässigt oder sogar ermordet. Dieser düstere Hintergrund bildet den Rahmen für das jüngste Abenteuer des berühmtesten Ermittlers der Welt. Nach einer ziemlich dramatischen Geburtsszene zu Beginn des Hörspiels, nimmt sich Drehbuchautor Marc Gruppe erst einmal Zeit, den Hörer, mithilfe von Dialogen zwischen Holmes und Watson, ausführlich über den geschichtlichen Zusammenhang zu informieren. Wie auch schon für die vorangegangenen Folgen, hat Gruppe wieder sehr gründlich recherchiert, und es ist geradezu unglaublich, welch verqueren Auswüchse des britischen Rechts er ausgegraben hat. Passend zu den bedrückenden Umständen, steuert auch die Geschichte kontinuierlich ihrem dramatischen Höhepunkt entgegen. Leider wird dabei der Intellekt von Sherlock Holmes kaum gefordert. Ich persönlich mag es ja, wenn der große Detektiv mögliche Verdächtige erst mühsam aufspüren muss und seine genialen Fähigkeiten durch anspruchsvolle Kombinationen demonstriert. Doch statt sich selbst auf die Suche zu begegeben, spekuliert er hier lediglich auf die Habgier der Hebamme, lässt diese mit Hilfe eines fingierten Inserats zu sich kommen und verfolgt sie anschließend auf ihrem Nachhauseweg. Die Geschichte selbst bleibt aber trotzdem durchweg spannend, da man nicht abschätzen kann, was aus dem verschwundenen Kind geworden ist.
Für die ausgezeichnete Produktion und Regie sind wie immer die beiden Köpfe hinter Titania, Stephan Bosenius und Marc Gruppe, verantwortlich. Musikalisch setzten sie ganz auf ihre bewährte Mixtur aus klassischen Instrumenten, wie Geige und Klavier, um das Zeitkolorit widerzuspiegeln und modernen Synthesizersounds, die die jeweilige Stimmung verstärken. Gleiches tun auch die eingesetzten Geräusche. Von Pferden gezogene Kutschen und geschäftig umhereilende Menschen bilden das viktorianische Strassenbild, knarrende Türen und Treppen zeigen Alter und Verfall der Häuser, und natürlich knistert der Kamin in der Baker Street 221b gemütlich vor sich hin. Ich muss sagen, daß ich vor allem von der bereits erwähnten Geburtsszene beeindruckt war.
Der "matschende" Sound, der bei der Niederkunft eingespielt wird, ist mir schon fast ein wenig zu intensiv.
Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) und Detlef Bierstedt(Dr. Watson) bleiben ihrer bisherigen Interpretation des Detektivduos treu. Tennstedt ist sarkastisch, weist einen trockenen Humor auf und versteht es ausgezeichnet, seinen Zynismus nett zu verpacken, während Bierstedt den treuen Freund und Chronisten gibt, der diesmal vor allem durch seine Borniertheit glänzt. Es ist schon beeindruckend, Bierstedt Eingangs freundlich und hilfsbereit zu hören, nur um ihn eine Szene später pikiert und herablassend zu erleben. Ich bin mit diesem Watson nach wie vor nicht ganz glücklich und würde mir eine etwas sympathischere Darstellung wünschen. Ähnliches gilt für Regina Lemnitz(Mrs. Hudson). Um es klar zu sagen: Sie macht ihre Sache großartig, und ich hab nichts dagegen, daß sie wie ein herrschsüchtiges Weib dargestellt wird, aber die Antworten die sie einem distinguierten Gentleman wie Holmes zu geben wagt, passen nicht zu einer Frau ihres Standes. Anna Griesebach(Fanny Ross) ist toll als junge Mutter, die eine ganze Achterbahn an Gefühlsausbrüchen bewältigen muss. Egal ob es ihre Schreie bei den Wehen sind oder sie verzweifelt über das Verschwinden ihres Kindes vor sich hin weint, ihre Darbietung klingt stets natürlich. Sprecherisches Highlight war für mich diesmal eindeutig Sonja Deutsch(Amelia Dyer) als skrupellose "Baby Farmerin" und Hebamme. Was ihre Performance so herausragend macht, ist die Bandbreite ihres Spiels. Während sie zunächst scheinheilig säuselnd den mütterlichen Typ mimt, offenbart sie kurz darauf mit harter Stimme ihre ganze Verschlagenheit und Brutalität. Reinhilt Schneider(Polly Dyer) ist die Mitte 30jährige Tochter der Hebamme, die ihr Handeln unter einigem schluchzen bereut, Jessy Rameik ("Granny" Jane Smith) die nervöse, von ihrer Freundin Amelia dominierte Mitwisserin, und Henri Färber(Zeitungsjunge) klingt herrlich authentisch als der zunächst erschrockene, ein wenig eingeschüchterte Zeitungsverkäufer. Philine Peters-Arnolds(Margery Mapleton) schließlich sorgt mit ihrer schwatzhaften, gegenüber Holmes' Beleidigungen immunen Art für ein wenig humoristische Auflockerung.
Fazit:
Ein sehr düsterer, sozialkritischer Fall für den britischen Meisterdetektiv.
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