Rezension: Sherlock Holmes - 61 - Die Spuren auf der Treppe
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Rezension: Sherlock Holmes - 61 - Die Spuren auf der Treppe
Sherlock Holmes - 61 - Die Spuren auf der Treppe
Zum Inhalt:
Eigentlich hat er gar kein greifbares Problem, aber bei seinem letzten Geschäft, bei dem er für nur fünf Minuten Arbeit fünfzig Pfund erhielt, ist dem ungarischen Händler Ivolsky doch einiges seltsam vorgekommen.
Nur um sich abzusichern, sucht er den Meisterdetektiv auf und erzählt ihm seine Geschichte. Sherlock Holmes ist alarmiert und beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen...
Zur Produktion:
Dieses Hörspiel ist die 24. und vorletzte Vertonung einer Geschichte des britischen Autors Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937), der mit seinen Ronald Standish-Detektivgeschichten an den Erfolg der von Sir Arthur Conan Doyle verfassten Sherlock Holmes-Fälle anknüpfen wollte. Genau wie bei Doyle gibt es ein Duo, welches sich mit kniffligen Problemen auseinandersetzt. Da McNeiles Erzählungen jedoch in den 1930er Jahren spielen, musste Hörspielskriptautor Marc Gruppe einige kleine Veränderungen an der Vorlage vornehmen, um daraus ein Sherlock Holmes-Abenteuer zu entwickeln. Neben der offensichtlichen Änderung der Namen der beiden Protagonisten, sah er sich gezwungen, auch den eines Nebencharakters, Mr. Hudson, in Mr. Howard umzubennen, um Verwirrungen in Bezug auf die Vermieterin und Haushälterin des Meisterdetektivs, Mrs. Hudson, (deren Pendant bei McNeile männlich ist und Bates heißt) zu vermeiden.
Darüber hinaus sind natürlich auch sämtliche modernen "Errungenschaften" wie z.B. das Auto, zur Kutsche "zurückentwickelt" worden. Dementsprechend gibt es hier einen Kutschenunfall, und später im Hörspiel lässt Holmes natürlich nicht die Luft aus den Autoreifen, sondern manipuliert das Zaumzeug. Ansonsten hält sich Gruppe an den Vorlagentext und fügt, abgesehen von dem neuen Intro, nur wenige zusätzliche Füllsätze ein, welche die Dialoge aber geschliffener bzw. besser hörbar erscheinen lassen. Aus dem gleichen Grund wird auch so mancher Satz von einer anderen Figur gesprochen. Ebenfalls neu hinzugekommen sind einige schmückende Adjektive und ungarische Sätze, die es bei McNeile nicht gibt. Obwohl ich kein Wort dieser Sprache kenne, haben mir gerade letztere gut gefallen, da sie die Handlung realistischer machen. Wirklich bemerkenswert finde ich aber die kleinen Nuancen, die der Skriptautor hier eingebaut hat, um die Geschichte möglichst auf das Niveau eines Sir Arthur Conan Doyle zu heben. So fragt Holmes beispielsweise, wo Ivolsky saß, oder spekuliert, was sich hinter dem raumtrennenden Vorhang abgespielt haben könnte. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, und es hat mich schon sehr amüsiert, wie viele Ausdrücke für eine betrunkene Person Gruppe hier eingeflochten hat. Selbige will ich natürlich nicht alle aufzählen, aber bei "Saufrübchen" oder "Saufziege" konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Einen wirklich gravierenden inhaltlichen Unterschied muss ich aber noch erwähnen: während die Verbrecher bei McNeile mehr oder weniger einfach verschwinden bzw. bei einem Flugzeugunfall ums Leben kommen, hat Gruppe, aus den bereits oben genannten Gründen, daraus einen Selbstmord mit Zyankali gemacht. Das finde ich gerade in Bezug auf die betreffenden Personen sehr viel glaubwürdiger und auch passender. Alles in allem ist es Gruppe erneut gelungen, McNeiles Geschichte extrem aufzuwerten und daraus knapp 60 Minuten unterhaltsame Hörspielzeit zu generieren, auch wenn Fans des Doyle-Kanons, auf Grund der nicht von der Hand zu weisenden Ähnlichkeiten zur Geschichte "Der griechische Dolmetscher" ziemlich schnell hinter das Geheimnis kommen dürften.
An der Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe gibt es nichts auszusetzen. Sämtliche Szenen enthalten eine überduchschnittliche Bandbreite an Geräuschen, die das Geschehen natürlich klingen lassen.
In der Bakerstreet wird Tee gereicht und mit dem Geschirr geklappert, Stühle werden beim Hinsetzen oder Aufstehen gerückt, und leise dringen die Straßengeräusche in Form vorbeifahrender Kutschen, wiehernder Pferde und unverständlichem Gemurmel an das Ohr des Hörers. Bei Ivolsky knarrt die Eingangstür, und eine Wanduhr tickt deutlich vernehmbar. Das Landhaus ist mit einer hörbar rostigen (wie auch immer die beiden das hinbekommen haben), quietschenden Türglocke ausgestattet, im Hintergrund hört man die Krähen krächzen, während innerhalb des Anwesens der Wind durch die Räumlichkeiten heult. Ebenso sorgfältig wie die Geräuschkulisse, ist auch die musikalische Untermalung gestaltet. Neben der bekannten Titelmelodie, die mit Klavier und Geige intoniert wird, gibt es noch eine fröhliche Streicherweise und eine heitere Zwischenmusik während der Fahrt zum Anwesen. Als die Verbrecher auftauchen, wird die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, musikalisch unterstrichen, und zum Ausklang ertönt noch einmal eine weitere, diesmal eher melancholisch anmutende Klaviermelodie. Außerdem kommen noch einige dezent eingesetzte Effekte zum Einsatz. So wird beispielsweise die Szene, in der Ivolsky zu dem Anwesen fährt, anfangs mit ein wenig Hall unterlegt, um zu verdeutlichen, daß sich die Ereignisse in der Vergangenheit abspielen. Auch die Dialoge in der Eingangshalle und die Schritte darin sind mit Hall versehen worden, um die Größe des Raumes zu verdeutlichen, und Watsons Rufen wird etwas leiser eingespielt, um seine Entfernung zum Hörer akustisch darzustellen.
Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) spielt den Meisterdetektiv mit gewohnter Bravour. Dabei muss er zunächst allerdings ziemlich dünkelhaft und überheblich reagieren, als er darauf besteht, die Visitenkarten seines Gastes auf einem silbernen Tablett präsentiert zu bekommen. Das passte für mich nicht wirklich zu der Figur. Aber ganz wie bei Doyle, wird er recht schnell ungeduldig, wenn sein Klient nicht direkt auf das Wesentliche kommt. Was mir an Tennstedts Interpretation gut gefällt, ist, daß Holmes hier auch "menschlich" agiert und durchaus mal wütend oder amüsiert ist. Gleiches gilt natürlich auch für Detlef Bierstedt(Dr. Watson), der hier zunächst ein wenig brummelig wirkt, aber letztlich genauso neugierig ist wie sein Freund. Noch mehr als der Meisterdetektiv, zeigt Bierstedt durchaus nachvollziehbare menschliche Regungen, wenn er angewidert auf den muffigen Geruch innerhalb des Anwesens reagiert, oder ausgerechnet in einem kritischen Moment dringend auf die Toilette muss. Regina Lemnitz(Mrs. Hudson) zeigt sich erneut schnippisch gegenüber ihrem Mieter, und obwohl sie sich bereits in ihr Schicksal ergeben hat, kann sie ihre Verärgerung nur mühsam unterdrücken und mit beißender Ironie kompensieren. Gut gefallen hat mir auch Helmut Zierl(Mr. Ivolsky), der seinen Part mit leichtem Akzent spricht, und dem es schon fast peinlich ist, Holmes mit seiner Geschichte zu belästigen. So wie Dr. Watson, ist auch er im Verlauf der Handlung irgendwann völlig verwirrt, bis es dem Meisterdetektiv gelingt, die Fäden zu entwirren. Das sprecherische Highlight bildet für mich aber Bodo Primus(Alfred Smithson) in der Rolle des undurchsichtigen Geschäftsmannes, der sich sehr gewählt ausdrückt, zumindest, bis er verärgert die Geduld verliert. In weiteren Nebenrollen kommen noch Dirk Petrick(Mr. Howard) als Angesteller Ivolskys, der zunächst etwas verlegen gegenüber seinem Chef auftritt, dann aber seinen Verdacht eindringlich äussert, Bert Stevens(Carter) als ungehaltener, leicht lallender älterer Mann, der nur mürrisch Auskunft gibt, und Marc Gruppe (Kutscher/Doktor) als kurz angebundener Fuhrwagenlenker und ein wenig unterwürfig klingender Arzt zu Gehör.
Fazit:
Trotz der auffälligen Ähnlichkeiten zu der bereits erwähnten Geschichte von Sir Arthur Conan Doyle, bleibt das Hörvergnügen auch auf Grund der sorgfältigen Produktion garantiert.
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