Rezension: Sherlock Holmes - 69 - Die Perle des Mandarins

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 69 - Die Perle des Mandarins

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Sherlock Holmes - 69 - Die Perle des Mandarins

Zum Inhalt:
Adam Bradshaw scheint das Geschäft seines Lebens gemacht zu haben, entdeckt er doch in einem kleinen Antiquitätengeschäft in der Nähe des Hafens ein Amulett mit einer großen Perle, das ihn nur 5 Pfund kosten soll. Doch bald erfährt der sensible junge Mann, daß mehrere Vorbesitzer des Schmuckstücks gewaltsam zu Tode gekommen sind. Als er dann auch noch im Spiegel seines Wandschranks einen Chinesen statt seines eigenen Bildes sieht, glaubt er, den Verstand zu verlieren.
Allerhöchste Zeit, daß sich Meisterdetektiv Sherlock Holmes mit dem merkwürdigen Fall befasst...

Zur Produktion:
Nach "Sherlock Holmes 67 - Watsons erster Fall" ist dies die zweite Hörspieladaption einer Kurzgeschichte des britischen Kriminalschriftstellers Richard Austin Freeman (11.04.1862 - 28.09.1943). Im Jahr 1907 veröffentlichte Freeman seine erste Geschichte rund um den Gerichtsmediziner Dr. John Evelyn Thorndyke, der seine sachlichen Schlussfolgerungen stets mit soliden Beweisen untermauerte. "The Mandarin's Pearl" erschien erstmals 1909 im "Pearson's Magazine" und wurde noch im selben Jahr in dem Sammelband "John Thorndyke's Cases" erneut aufgelegt. Da Sir Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes ähnlich arbeitet wie Thorndyke, bietet es sich natürlich an, eine von dessen Geschichten zu einem Sherlock Holmes-Fall umzuarbeiten. Normalerweise bleibt Hörspielskriptautor Marc Gruppe ja immer relativ dicht an der literarischen Vorlage, doch hier weicht er nach etwa der Hälfte der Handlung deutlich von Freeman ab. Schon die Eröffnung des Hörspiels, eine Unterhaltung zwischen Sherlock Holmes, Dr. Watson und Mrs Hudson über einen zurückliegenden Zirkusbesuch von Mrs Hudson und ihrer Cousine Marjorie, ist neu. Während diese Eingangsgespräche normalerweise irrelevant für den weiteren Verlauf der Handlung sind, spielt der Dialog hier durchaus eine Rolle. Gruppe kommt nämlich gegen Ende des Hörspiels nochmals darauf zurück, und besagter Besuch entpuppt sich als einer der Schlüsselmomente für die vorangegangenen Geschehnisse.
Daß so gut wie alle Figuren andere Namen tragen als bei Freeman, spielt inhaltlich keine Rolle, genauso wenig wie die Tatsache, daß hier Brandy statt Burgunder gereicht wird. Darüber hinaus hat Gruppe etliche Passagen des Erzählertextes in Spiel- bzw. Dialogszenen umgewandelt, Sätze leicht umgestellt und auch deren Reihenfolge teilweise verändert. Besonders gut fand ich die Anspielung auf "Das Zeichen der Vier", einer der bekanntesten Fälle des Meisterdetektivs, welche man bei Freeman natürlich vergeblich sucht. All diese Änderungen machen die Geschichte jedoch besser und insgesamt runder. Das gilt insbesondere für deren zweite Hälfte, in der Gruppe dem ursprünglichen Text nur noch marginal folgt. Besonders auffällig ist sein Umgang mit dem Schicksal Bradshaws, das hier wesentlich positiver ausfällt als bei Freeman. Hinzu kommt noch, daß Marc Gruppes Erklärungen der Zusammenhänge viel befriedigender sind und er, im Gegensatz zu Freeman, auch nachvollziehbare Begründungen für die Ereignisse liefert. Das Ende der Geschichte ist somit also komplett neu und eines Sir Arthur Conan Doyles würdig.
Neben der für mich hervorragend geschriebenen Geschichte, sind es Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, die dieses ca. 93 minütige Hörspiel zu einem Highlight innerhalb der Reihe machen. Für die musikalische Untermalung greift man auf zeittypische Instrumente wie Klavier, Geige, Flöte, Oboe und Harfe zurück, aber auch der Synthesizer kommt zum Einsatz, ebenso wie gelegentlicher Choralgesang. Neben den aus vorangegangenen Folgen bereits bekannten Eröffnungs- und Abschlussmelodien, werden diverse neue Weisen eingespielt. Diese alternieren zwischen dramatisch bzw. bedrohlich und fröhlich bzw. harmonisch. Passend zur Handlung gibt es auch ein chinesisch anmutendes Stück, und der Synthesizer sorgt für düstere, langegzogene Töne. Am besten gefallen hat mir aber eine wohlklingende Melodie, welche mit Harfe und einem Chor intoniert wurde. Selbstverständlich ist jede Szene auch mit einer Vielzahl verschiedenster Geräusche unterlegt worden, welche dem Geschehen erst so richtig Leben einhauchen. In der Bakerstreet wird mit der Zeitung geraschelt, das Kaminfeuer prasselt im Hintergrund, die Brandygläser klirren dezent, das Eingießen des Alkohols ist deutlich zu hörbar, und auch die Straßengeräusche vernimmt man noch leise. Am Hafen schreien die Möwen, und die Wellen schlagen unauffällig gegen die Yacht. Die rasante Kutschfahrt wird mit schnellem Hufgetrappel verdeutlicht, und auf dem Bahnhof geht es mehr als lebhaft zu. Vor Bradshaws Haus zwitschern die Vögel, während man innerhalb des Gebäudes den draußen brausenden Wind zu hören bekommt. Akustisches und gleichzeitig gruseligses Highlight ist aber das knarrende Seil, an dem einer der Protagonisten hängt.

Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) ist mal wieder großartig in seiner Rolle des aufmerksamen, aber auch schnell ungeduldigen Meisterdetektivs, der einerseits durchaus ungehalten gegenüber Mrs. Hudson werden kann, andererseits aber auch einfühlsam gegenüber seinen Klienten reagiert. Besonders intensiv ist sein Spiel, als ihm klar wird, daß sich eine der Figuren in Lebensgefahr befindet und nur schnelles Handeln diese noch retten kann. Dabei keucht er vehement und ist am Ende hörbar außer Atem. Perfekt unterstützt wird er wie immer von Detlef Bierstedt(Dr. Watson), der gelegentlich die Wogen glätten muss und sich stets von den Fähigkeiten seines Freundes beeindruckt zeigt. Es macht einfach Spaß, wenn er Holmes' Entdeckungen dazu benutzt, Lestrade aufzuziehen. Regina Lemnitz(Mrs. Hudson) brilliert als gegenüber Holmes zwar knurrige, aber stets verlässliche Haushälterin. Daß sie nicht gerade ein weiblicher Einstein ist, stellt sie in dieser Folge unter Beweis. Sie wundert sich nämlich über das ihrer Meinung nach falsche grammatikalische Geschlecht in der Botschaft an Holmes, in der von einem Mandarin statt von Mandarinen die Rede ist. Lutz Reichert(Inspektor Lestrade), den Holmes im Laufe seiner Ermittlungen hinzuzieht, kapiert die Zusammenhänge zunächst zwar nicht, wird aber sofort dienstlich, als es darum geht, jemanden zu verhaften. Laut lachen musste ich, als er irgendwann zugibt, selbst erstaunt zu sein, daß er mal etwas verstanden habe. Willi Röbke(Mr. Jenkins) weiß als höflicher Rechtsanwalt zu gefallen, wobei ihn die Ereignisse erst entrüsten und dann regelrecht schockieren. Schauspielerisches Highlight ist für mich diesmal Tim Kreuer(Adam Bradshaw) in der Rolle des freundlichen, aber hochgradig nervösen, unsicheren jungen Mannes, der im Verlauf der Handlung erst aufgeregt und schließlich panisch agiert, bevor er schluchzend und weinend zusammenbricht. Die leicht heiser klingende Stimme von Hans Bayer(Mr. Halliwell) passt hervorragend zu Adams grobschlächtigem, unhöflichem Bekannten, der sich über ihn lustig macht, während Christian Rudolf(Horace Bradshaw) mit seiner Darstellung des verblüfften und später fast zu Tode erschrockenen Kusins von Adam überzeugen kann. Rolf Berg(Edward Taggerton) intoniert seine Figur mit rauer Stimme, die ihn trotz seiner zögerlichen Art unwillkürlich bedrohlich klingen lässt. In weiteren kurzen Nebenrollen sind noch Stephan Bosenius als Fuhrwagenlenker, unartikuliert knurrender Chinese Li Wu und dienstbeflissener Seargent, sowie Marc Gruppe als grober Seemann und distinguierter Hausangestellter zu hören.

Fazit:
Die Hörspieladaption ist der literarischen Vorlage meiner Meinung nach in jeder Beziehung weit überlegen.

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