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Rezension: Die weisse Lilie - Staffel 1 - Tödliche Stille

Verfasst: Fr 13.10.2017, 09:32
von MonsterAsyl
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Die weisse Lilie - Staffel 1 - Tödliche Stille

Zum Inhalt:
Mit Hilfe seiner Milizen terrorisiert der selbsternannte General Emmanuel Besongua den Osten des Kongos, doch seine Tötungsmaschinerie arbeitet nicht immer perfekt, und einigen seiner Opfer gelingt die Flucht nach Amerika. Dort beschließen sie, den Killer Daniel Porter mit der Liquidierung Besonguas zu beauftragen, um sich und ihre ermordeten Angehörigen zu rächen. Porter ist schon seit Jahren im Geschäft und weiß, wie er vorzugehen hat. Kaum in Afrika angekommen, stellt er fest, daß man offensichtlich über ihn und seine Mission Bescheid weiß. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch macht er sich dennoch auf den Weg...
Zeitgleich wird in Boston ein Afrikaner auf grausame Weise ermordet. Detective Miles und sein junger Assistent nehmen die Ermittlungen auf und müssen in deren Verlauf feststellen, daß dieser Fall weitaus komplizierter ist, als zunächst angenommen...
Doch wie hängen die beiden Geschichten zusammen und welche Rolle spielt das Gedicht über die weisse Lilie?
Wer das erfahren möchte, sollte unbedingt dieses aufregende Hörspiel hören!


Zur Produktion:
Die ersten vier Folgen wurden bereits ab November 2015 von Lily Sound (Elevate Studios) im Eigenvertrieb veröffentlicht. Allerdings konnte man die Hörspiele nur in Form von Downloads erwerben. Recht schnell wurde das Label Folgenreich auf die außergewöhnliche Serie aufmerksam und beschloss, diese auch in CD-Form auf den Markt zu bringen. Zunächst erschienen am 01.09.2017 die ersten vier Teile als Re-Release und die 5 als Neuveröffentlichung, jeweils in Form von Downloads und als Stream. Nun ist es soweit, und es gibt eine Box, welche die Folgen 1-3 enthält. Laut den Erfindern der Serie, sollen es insgesamt dreißig werden, unterteilt in 10 Staffeln, wobei eine Staffel drei Discs/Kapitel umfasst und eine in sich abgeschlossene Geschichte bildet. Zusätzlich gibt es aber noch einen übergeordneten Handlungsstrang, welcher durch alle Teile laufen wird. Die weiteren Kapitel will man künftig ebenfalls zunächst nur in digitaler Form veröffentlichen, eine CD-Box soll dann etwas später folgen.
Ich finde es bemerkenswert, daß die Macher von Lily Sound (Elevate Studios) nicht nur ein klar durchdachtes Konzept haben, sondern dies auch dem geneigten Hörer mitteilen. So weiß man bereits im Vorfeld, worauf man sich einlässt und wann die Serie abgeschlossen sein wird, natürlich immer vorausgesetzt, der wirtschaftliche Erfolg rechtfertigt eine Fortführung bis zum Ende. Ein solches Verhalten, gepaart mit den unterschiedlichen Kaufmöglichkeiten, bietet beste Voraussetzungen für zufriedene Konsumenten.
Doch es ist nicht nur diese begrüßenswerte Kommunikation mit dem Kunden, die mich so beeindruckt, sondern das Werk an sich. Viele Label, die neu auf den Markt kommen, versuchen ja auf Nummer sicher zu gehen und wählen ein Genre aus, daß kommerziellen Erfolg verspricht. Sehr beliebt sind dabei Grusel und Krimi. Zwar gibt es auch in diesem Fall Krimielemente, doch handelt es sich genau genommen um eine furiose Mischung aus Actionthriller und Politkrimi, garniert mit Verschwörungstheorien. Derartige Produktionen kommen nicht allzu häufig vor, und ich freue mich, daß Lily Sound (Elevate Studios) diese Lücke nun schließt.
Idee und Buch stammen von den "Labelvätern" Benjamin Oechsle und Timo Kinzel, die auch für Produktion und Regie verantwortlich sind. Auf den Inhalt des gut 2 1/4 Stunden langen Hörspiels will ich nicht detailliert eingehen, um die Spannung zu erhalten. Nur so viel: die beiden parallel ablaufenden Geschichten werden extrem fesselnd präsentiert, und fieserweise erfolgt immer dann eine Überleitung zum jeweils anderen Ort des Geschehens, wenn es gerade am packendsten ist. Durch diese Cliffhanger gelingt es, den Hörer derart mitzuziehen, daß man es kaum erwarten kann, bis es weitergeht.
In diesem Zusammenhang möchte ich dringend empfehlen, sich direkt alle drei Folgen (oder eben dieses Box) zu besorgen, um die ganze Geschichte "am Stück" genießen zu können. Allerdings gibt es ab der zweiten Folge, jeweils zu Beginn, auch eine kurze Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse.
Das Geschehen wird flüssig erzählt und nicht durch langgezogene bzw. unnötige Szenen künstlich aufgeblasen. Entsprechend kurz und knackig fällt so auch die Laufzeit der einzelnen Folgen mit 45, 38 und 52 Minuten aus.
Noch eine kurze Anmerkung zu der Altersangabe "ab 12 Jahren". Ich finde derartige "Empfehlungen" immer problematisch und vor allem überflüssig. Eine solche Kennzeichnung ist bei Hörspielen rechtlich nicht notwendig und kann auch, je nach Sensibiliät des Sprößlings, vollkommen daneben liegen. Inhalt, Cover und Titel sind hier eindeutig an ein erwachsenes Publikum gerichtet, und es ist eigentlich Aufgabe der Eltern, darauf zu achten, was ihr Kind so hört!
Daß diese Reihe ein Herzensprojekt von Benjamin Oechsle und Timo Kinzel ist, merkt der Hörer schnell, denn die Produktion kann in allen Bereichen die volle Punktzahl holen. So wurde beispielsweise die Musik extra für das Hörspiel von Jochen Mader und Johannes Arzberger komponiert und arrangiert. Vorherrschend ist hier das Klavier, dessen Klänge von vorneherein eine düstere Grundstimmung entstehen lassen. Aber auch Streichinstrumente und Drums kommen zum Einsatz. Der größte Teil der Melodien ist eher ruhig und bedächtig gehalten, was dem Hörer Gelegenheit gibt, ein wenig durchzuatmen und die bisherigen Ereignisse zu verarbeiten. Die Actionsequenzen sind dagegen mit treibenden Synthesizer-Rhythmen unterlegt und lassen das Geschehen noch aufregender wirken. Die episch aufgemachte Titelmelodie ist quasi das "Sahnehäubchen" auf der ohnehin tadellosen Partitur. Ebenso opulent und liebevoll wie die Musik, ist auch die Geräuschkulisse gestaltet. Da wäre beispielsweise der afrikanische Urwald, welcher mit Hilfe von rauschenden Blättern, exotischen Vogelrufen und Zikaden zum Leben erweckt wird. Das klingt zunächst nicht sehr spektakulär, aber wer genau hinhört, wird feststellen, daß die Töne, wie im richtigen Leben, je nach Tageszeit (der Szene) variieren. Ebenso real klingen auch die restlichen Geräusche. Pistole, Gewehr oder MP sind genauso deutlich zu unterscheiden, wie die verschieden Fahrzeuge (Jeeps, Autos, Busse oder die LKWs). Besonders beeindruckt hat mich, daß die Schrittgeräusche dem jeweiligen Untergrund angepasst wurden und daß man ein Geräusch hört, welches so gut wie nie in einem Hörspiel auftaucht: das des Wasserlassens. Was die Effekte angeht, braucht sich diese Produktion nicht vor aktuellen Hollywood-Actionfilmen zu verstecken. Während des Überfalls auf das Dorf rummst und kracht es dermaßen, daß man fast droht, den akustischen Überblick zu verlieren. Daß dem nicht so ist, liegt allein an der sorgfältigen Einspielung, bei der die soundtechnischen Möglichkeiten der Raumklangverteilung voll ausgenutzt wurden. Eindrucksvollster Effekt dürfte die einschlagende Granate mit anschließendem, alles übertönendem Tinnitus-Pfeifen sein.

Zu den Sprechern:
Früher wurden große Hollywoodfilme gerne mit dem übertriebenen Werbespruch:"mit 1000en Schauspielern" versehen. In gewisser Weise trifft das auch auf diese Produktion zu. Ganz so viele sind es zwar nicht, aber dennoch ist die Cast so umfangreich, daß ich unmöglich auf jeden der wirklich überzeugenden Sprecher eingehen kann. Außerdem wäre das auch nicht wirklich fair, da manche zu wenig Text haben, um eine tatsächliche Bewertung möglich zu machen. Es muss reichen zu sagen, daß ich bei niemandem das Gefühl hatte, er oder sie wäre schlecht oder gar eine Fehlbesetzung.
Ich finde es ja immer gut, wenn ein Hörspiel ganz ohne Erzähler auskommt, aber das ist bei diesem nicht möglich. Mark Bremers(Erzähler) leicht raue Stimme passt sehr gut auf dem im Großen und Ganzen ziemlich neutral gehaltenen Erzählerpart, und er kommt auch nur dann zum Einsatz, wenn es aus Verständnisgründen unumgänglich ist. Ich weiß nicht, ob es an seiner sympathischen Stimme oder der Regie liegt, aber Martin Sabel(Daniel Porter) wirkt zu Beginn des Hörspiels so positiv, daß es einem erst mal schwerfällt, in ihm den eiskalten Mörder zu sehen. Im Laufe der Handlung zeigt er sich aber doch weniger abgebrüht, als zunächst erwartet. Sprecherisches Highlight ist für mich Stephan Benson(Henry Miles) als abgehalfterter Bostoner Detective, der schon besser Zeiten gesehen hat. Sein Portrait des älteren Mannes mit Alkoholproblem ist tadellos, und seine Stimme und Intonation haben mich mehr als einmal an den großartigen Konrad Halver erinnert. Beinahe ebenso gewinnend ist Timo Kinzel(Samuel Haden) in seiner Rolle des jungen Akademieabsolventen, der Miles als neuer Partner zugeteilt wird und der den alten Haudegen mehr als einmal aus einer misslichen Lage befreit. Holger Mahlich(Frank Monroe) ist toll als deren durchsetzungsstarker Vorgesetzter, dem, trotz allen Beamtentums, noch viel an seiner Freundschaft zu Miles liegt. Die liebenswürdige Stimme von Sonja Szylowicki(Carol Nolasco) harmoniert hervorragend mit der schlauen Kryptografin, die eine kleine Schwäche für Miles hat, während Michael Ojake(Emmanuel Besongua), passend zu dem von ihm dargestellten brutalen, zu allem entschlossenen Charakter, seinen Text eher hart spricht. Jan David Rönfeldt(Safi) gelingt es, genau so zu klingen, wie seine afrikanischen Sprecherkollegen, und er liefert ein ausgezeichnetes Portrait des nervösen, zurecht ängstlichen Waffenschiebers. Gleiches gilt auch für Dela Dabulamanzi(Kingsani), dessen belegte Stimme gut zu seiner dubiosen Figur passt. Tim Knauer(Jerry Finnigan) spielt den geheimnisvollen Freund Porters, der ständig in Sorge um dessen Wohlergehen ist, und André Beyer(Michael Howard) macht viel Spaß als korrupter Abgeordneter, genau wie Sascha Rotermund(Lamar Johnson), der gegenüber Howard mehr als herablassend agiert und Ulrike Johannson(Iris Fairchild) treu ergeben ist. Johannson weiß in dem Part der eiskalten, absolut skrupellosen Dame genauso zu gefallen, wie Johannes Semm(Miguel Fernandez) als hektischer, durchgeknallter Mexikaner. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Auftritte von Sven Matthias(Scott) in der Rolle des hilfsbereiten, besorgten Polizisten, Benjamin Oechsle(Ajamu) als gehetzter, vorsichtiger Flüchtling und Stimme aus dem Funkgerät sowie Oliver Böttcher(Ola), der zunächst zögerlich und unsicher ist, ob er sich den Detectives anvertrauen kann. Ebenfalls einen starken Auftritt hat Tilman Borck(Greg Huxley) als selbstgefälliger, erbarmungsloser Sadist. In weiteren Nebenrollen bekommt man noch Clemens Gerhard(Charles Bané), Ibrahima Sanogo(Soldat 1 Camp), Michael Oyegunle(Soldat 2 Camp), Moussa Issiaka(Soldat Flughafen), Eugene Boateng(Soldat Kreuzung), Rorisang Kgwathe(Wache), Robert Levin(Ansager), Stefan Schlabritz(Wirt),Justus Beckmann(Fluggast), Ulrich Hilke(John), Wolfgang Riehm(Obdachloser), Philipp Scharfe(Pilot), Friederike Solak(Angefahrene Frau), Manuela Bäcker(Nachrichtensprecherin), Kevin Thiel(Junge), Eugene Boateng(Soldat 1), David Debrah(Soldat 2), Wolfgang Riehm(Carols Begleiter), Annika Tenter(Rezeptionsdame), Fabian Monasterios(Busfahrer), Laura Büssing(Kellnerin), Marc Schülert(Soldat 1 Lichtung), Detlef Tams(Soldat 2 Lichtung) und Angelina Kamp(Mädchen) zu hören. Doumbia Mandjou, Komi Mizrajim Togbonou und Aloysius Itoka haben keine Rollenzuordnung. Dazu möchte ich noch anmerken, daß alle afrikanischen Sprecher einen französischen Akzent besitzen. Ich finde es großartig, daß man sich diese Sprecher ins Studio geholt hat, da sie erheblich zur Authentizität des Ganzen beitragen! Etwas verwundert bin ich über die Tatsache, daß A.S.(Joseph) mit keinem Wort im Booklet Erwähnung findet, obwohl die Figur auf der Webseite von Lily Sound (Elevate Studios) bei den einzelnen Folgen erwähnt wird und der neugierige, von den Ereignissen gezeichnete Taxifahrer auch eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Fazit:
Großartiger, in jedem Aspekt überzeugender Auftakt der Serie.

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