Rezension: Sherlock Holmes - 39 - Eine Frage des Teers
Verfasst: Di 10.12.2019, 18:55
Sherlock Holmes - 39 - Eine Frage des Teers
Zum Inhalt:
Die Angelegenheit, in der "Beryl Fallconer" den Meisterdetektiv aufsucht, scheint ein klarer Fall zu sein. Das Familienschmuckstück der Fallconers, eine mit zahlreichen Edelsteinen besetzte Tiara, ist aus dem Schreibtisch ihres Vaters entwendet worden. Der Kreis der in Frage kommenden Täter ist klein, und es gibt auch bereits einen Verdächtigen, der ein Motiv hätte. Doch Sherlock Holmes ist skeptisch, und seine Überlegungen gehen schnell in eine ganz andere Richtung...
Zur Produktion:
Dies ist, nach "Sherlock Holmes" Folge 34, 36,37 & 38, bereits die fünfte Geschichte des britischen Autors Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937) mit "Ronald Standish" in der Hauptrolle, die Skriptautor Marc Gruppe zu einer "Sherlock Holmes"-Geschichte umgeschrieben hat. Neben den "Standish"-Short Stories, ist McNeile auch der Verfasser der "Bulldog Drummond" Romane, mit denen er noch wesentlich erfolgreicher war. Mit "Drummond" kreierte er quasi eine Blaupause für alle literarischen Helden der 1940er und 1950er Jahre. So war McNeiles literarisches Werk die Vorlage für die von W.E. Johns erschaffene Figur des "Biggles", und selbst Ian Flemming gab zu, daß sich sein Bond oberhalb der Hüfte an "Bulldog" orientiere, während "Mickey Spillane" als Inspiration für die untere Hälfte diene.
Doch zurück zu Ronald Standish und seinem Abenteuer "A Matter of Tar", welches erstmals 1933 in dem Sammelband "Ronald Standish" von Hodder & Stoughton in London veröffentlicht wurde.
Wie schon in den vorangegangenen Folgen, bedarf es auch hier nur weniger Änderungen, um die ursprünglich in den 1930er Jahren spielende Handlung ins Viktorianische Zeitalter zurückzuversetzen. So werden aus den Autos wieder Kutschen, und statt eines Telephonats, ist es hier ein Telegramm, welches die Klientin ankündigt. Doch dabei belässt es Marc Gruppe nicht. Neben den zu erwartenden Umwandlungen von Monologen in Dialoge bzw. Spielszenen oder der zurecht erfolgten Tilgung heutzutage veralteter Ausdrücke wie z.B. "Old Thing" ("altes Mädchen"), hat der Skriptautor noch weitere Veränderungen vorgenommen. So fehlt McNeiles Eröffnung der Geschichte, vermutlich weil diese dem Hörer schon zu viel verraten würde, und auch das Gespräch zwischen Holmes und Miss Fallconer bezüglich seines Erscheinens, sucht man hier vergebens.
Im Gegenzug hat Gruppe u.a. ein amüsantes Zwiegespräch zwischen Holmes und Watson eingebaut, in dem es einmal mehr um Holmes' mangelnde Lust aufzuräumen geht. Diese Szene mündet in einen, zumindest für mich, unerwarteten Gag, den ich in einer Holmes-Geschichte nicht vermutet hätte. Gleiches gilt für die Sequenz mit dem Siphon und der schwerhörigen Haushälterin.
Da es bei diesen beiden humoristischen Einlagen bleibt, besteht auch nicht die Gefahr, daß die Handlung ins Lächerliche abdriftet, sondern es wird lediglich das Geschehen etwas aufgelockert.
Sämtlich sonstige Änderungen sind absolut marginal. So ist es hier Holmes und nicht Watson (beziehungsweise Bob), , der den fehlenden Ring bemerkt, "Mrs Burton" ist wesentlich jünger als bei McNeil, und die Polizei wartet schon auf den Täter, während die Hinzuziehung der Beamten im Original lediglich eine Option darstellt.
Wie schon so oft, gelingt es Gruppe auch in diesem Fall, den ursprünglichen Autor regelrecht zu übertreffen, da er einen Aspekt bezüglich des Tatzeitpunktes aufgreift und zufriedenstellend erklärt, den McNeile einfach unter den Tisch fallen ließ. Um nicht zu viel im Vorfeld zu verraten, werde ich absichtlich nicht konkreter.
Wer nun neugierig geworden ist, kann selbst einen Vergleich zwischen dem rund 61 minütigen Hörspiel und der englischsprachigen Geschichte ziehen, die im Internet bei Gutenberg, unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0607761h.html#story4 zu finden ist.
Produktion und Regie liegen wie immer in den bewährten Händen der Labelchefs Stephan Bosenius und Marc Gruppe.
Eröffnet wird das Hörspiel mit der seit der ersten Folge bekannten Titelmelodie, welche auch der Untermalung von Detlef Bierstedts(Dr. John H. Watson) Standardeinleitung dient. Selbstverständlich darf auch die fröhliche Weise, die immer dann erklingt, wenn sich das Duo auf den Weg macht, nicht fehlen, und die kurze, lockere Melodie während des "Aufräumgags", unterstreicht diesen in passender Form. Lediglich das leicht bedrohlich wirkende Stück, das bei der "Präsentation" der Tiara eingespielt wird, erscheint mir für diese recht ereignislose Sequenz ein wenig zu temporeich. Akustisches Highlight ist für mich aber wieder einmal die unglaublich dichte Geräuschkulisse, die jede Szene mit Leben füllt. Während die Wohnung in der Baker Street mithilfe eines prasselnden Kaminfeuers, einer tickenden und schlagenden Wanduhr, dem Scharren von Stühlen auf Parkett sowie dem im Hintergrund eingespielten Straßenlärm samt Kutschenfuhrwerken und Passanten dargestellt wird, dienen ein murmelnder Bach, im Wind rauschende Blätter und Gräser oder in der Entfernung gackernde Hühner dazu, die Landschaft rund um den Tatort klanglich abzubilden. Wie sorgfältig die Inszenierung angelegt ist, erkennt man unter anderem daran, daß Bosenius und Gruppe auch darauf geachtet haben, die Schritte von Watson und Sanderson bei der Überquerung der Holzbrücke entsprechend akustisch umzusetzen.
Zu den Sprechern:
Zur Eröffnung des Hörspiels agiert Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) etwas anders als gewohnt. Statt wie üblich leicht überheblich gegenüber Watson zu wirken, ist er hier zunächst verlegen, ja geradezu zerknirscht, bevor er in seine alte Form zurückfindet. Dieses ungewohnte Verhalten hat für den Hörer etwas Vergnügliches und mündet konsequenterweise in den ersten Gag. Aufgrund dieser Ausgangslage darf zur Abwechslung Detlef Bierstedt(Dr. John H. Watson) den Meisterdetektiv ein wenig aufziehen. Bierstedts Darstellung des etwas naiven aber treuen Freundes, ist wie immer tadellos, und es macht einfach Spaß, ihm bei seinen leicht genervten Grummeleien zuzuhören, wenn er wieder einmal von Holmes vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Fabienne Hesse(Beryl Fallconer) kann in ihrer Rolle als junge, verzweifelte Frau genauso überzeugen, wie Valentin Stroh(Harold Sanderson) als ihr sarkastischer Cousin, der ihren Freund Christian Stark(Jack Dalton), den mittellosen Hühnerfarmer, ablehnt. Auch Gerhard Fehn(John Fallconer) hat nicht viel für Letzteren übrig, und als er von diesem auch noch angepumpt wird, ist es mit seiner Contenance endgültig vorbei. Die raue Stimme von Horst Naumann(Vicar) passt hervorragend zu dem älteren Geistlichen, der, genau wie seine Frau Martina Linn-Naumann(seine Frau), entsetzt auf John Fallconers Leichtsinnigkeit reagiert. Der großartige Eckart Dux(Sir John Grantfield) und die nicht minder beeindruckende Claudia Urbschat-Mingues(Lady Grantfield) als seine Frau, haben, ähnlich wie das Ehepaar Naumann, nur kleine Rollen, und ihre Äusserungen klingen beinahe identisch. Soweit ich weiß, ist Daniela Gehrmann(Mrs. Burton) hier zum ersten Mal als Sprecherin dabei, aber auch sie liefert eine solide Darstellung der schwerhörigen Haushaltshilfe ab. So ist ein Großteil des Humors in der "Siphon-Szene" ihrem gelungenen Portrait der unnatürlich laut sprechenden Bediensteten zuzuschreiben. Abgeschlossen wird die gut aufgelegte Sprecherriege von Dirk Petrick(Constable Paxton) als höflicher, später fassungsloser Polizeibeamter, der, im Gegensatz zur schriftlichen Vorlage, seinen Text ganz ohne dialektale Färbung spricht.
Fazit:
Nur in Titanias Hörspieladaption werden alle Aspekte des Falls restlos aufgeklärt.
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