Rezension: Sherlock Holmes - 45 - Harry Price und der Fall Rosalie
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Rezension: Sherlock Holmes - 45 - Harry Price und der Fall Rosalie
Sherlock Holmes - 45 - Harry Price und der Fall Rosalie
Zum Inhalt:
Zu Doktor Watsons großer Freude bittet der bekannte Parapsychologe Harry Price um eine Konsultation bei seinem Freund, dem Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Price berichtet von einer Séance, bei der schier Unglaubliches geschehen ist. Der Geist eines kleine Mädchens namens Rosalie ist nicht nur erschienen, sondern konnte von dem Parapsychologen sogar berührt werden. Da die spiritistische Sitzung nicht in Prices Labor, sondern in einem privaten Anwesen stattfand, ist der Wissenschaftler jedoch skeptisch, ob er nicht doch einem Schwindel aufgesessen ist. Holmes teilt sein Misstrauen, zumal er grundsätzlich nicht an übernatürliche Phänomene glaubt, und beginnt zu ermitteln...
Zur Produktion:
Die vorliegende Folge könnte der Start einer neuen kleinen Unterreihe sein, ähnlich wie schon die Geschichten mit den "Hargreaves" oder "Flaxman Low". Zumindest lässt der Titel für mich darauf schließen, daß es noch weitere Fälle geben könnte, bei denen Harry Price den Rat von Sherlock Holmes sucht.
Diese Geschichte basiert zwar nicht auf einer literarischen Vorlage, aber die Titelfigur Harry Price (17.01.1881 - 29.03.1948) und den "Fall Rosalie" hat es tatsächlich gegeben. Der britische Parapsychologe und Autor verfasste bereits als Jugendlicher ein Drama um einen Poltergeist, ein paranormales Phänomen, mit dem er, laut eigener Aussage, bereits Erfahrungen gesammelt hatte. 1922 gelang es ihm, den "Geisterphotographen" William Hope als Betrüger zu überführen, und ein Jahr später bat er die Universität von London um die Einrichtung eines "Instituts zur Erforschung parapsychologischer Phänomene".
Sein Ansinnen wurde bewilligt und führte 1924 zur Gründung des "Council of psychical Investigation". Im Laufe seiner Karriere gelang es Price immer wieder, diverse Scharlatane zu überführen, unter anderem das Medium Helen Duncan und ihr angebliches "Ektoplasma". Darüber hinaus war er auch Gründungsmitglied des "British Film Institut" und übernahm bis 1941 dessen Vorsitz. In den folgenden Jahren veröffentlichte er, bis zu seinem Tod im Jahre 1948, seine Forschungsergebnisse in Buchform. So entstanden unter anderem die Werke "The Most Haunted House in England", "Poltergeist over England" und "The End of Borley Rectory".
Wie schon erwähnt, gab es einen "Fall Rosalie", nachzulesen in Prices Bericht "Fifty Years of Psychical Research"(1939), der sich allerdings erst am 15.12.1937 und damit eigentlich außerhalb der "Holmes-Zeitskala" ereignete. Vom Datum abgesehen, hat Skriptautor Marc Gruppe alle heutzutage bekannten Details dieser Séance in sein Drehbuch einfließen lassen. Interessanterweise basiert selbst Holmes' Auflösung über das "Wie und Warum" auf Fakten, die im Laufe der Jahre ans Licht gekommen sind. Zwar beginnt die Handlung in der "Gegenwart", aber die Ereignisse bei der Séance werden als Rückschau geschildert und machen rund die Hälfte der fast 71 Minuten Laufzeit aus. Zu meinem Bedauern kehrt der Skriptautor auch im Anschluß nur kurz in das erzählerische "Hier und Jetzt" zurück, um dann Holmes' Ermittlungen erneut nur in Form eines Berichtes zu präsentieren. Dagegen ist zwar grundsätzlich nichts einzuwenden, aber ich persönlich mag es sehr viel lieber, wenn man als Hörer den Detektiv bei seinen Nachforschungen akustisch begleitet, um auf diese Weise eigene Schlüsse ziehen zu können. Hinzu kommt noch, daß der erste Rückblick auf den Abend mit der spritistischen Sitzung zwar in Form gespielter Szenen präsentiert wird, der Meisterdetektiv den zweiten mit seinen Schlussfolgerungen aber lediglich erzählt. Meiner Meinung nach führt dies dazu, daß das Hörspiel nach der ersten Hälfte leider unschön viel Dramatik und vor allem Spannung einbüßt. Gut gefallen, wenngleich schon zu erwarten, hat mir die erneute Einspielung des rufenden Geistes ganz am Schluß, da der mystische Aspekt der Geschichte auf diese Weise nochmals in den Vordergund gerückt wurde.
Der tadellosen Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe ist es zu verdanken, daß man als Hörer das Geschehen trotz der genannten Kritkpunkte gern bis zum Schluß verfolgt. Wie gewohnt ist jede Szene liebevoll mit den unterschiedlichsten Geräuschen ausgestattet. In der Bakerstreet werden Stühle beim Hinsetzten bzw. Aufstehen verrückt, beim gemeinsamen Teetrinken klappert das Geschirr, und die Löffel klimpern leise beim Umrühren. Im Haus, in dem die Séance stattfindet, sind vollkommen natürlich klingende Schritte der einzelnen Figuren zu hören, und Bosenius und Gruppe haben sich die Mühe gemacht, für die klangliche Darstellung des Abendessens Teller und das daran anstoßende Besteck einzuspielen. Außerdem ist noch eine leise tickende Wanduhr zu hören, und auch das knisternde Kaminfeuer wurde nicht vergessen. Besonders gut haben mir wieder die eher unauffälligen Töne gefallen. Allen voran die Taschenuhr, bei der man nicht nur das Öffnen und Schließen des Deckels, sondern auch die dazugehörige, klimpernde Uhrkette zu hören bekommt. Ebenfalls beeindruckend finde ich die Atemgeräusche der an der Séance Beteiligten sowie das Scharren des Spiegelglases auf rauem Untergrund. Die musikalische Untermalung dient erneut der Verdichtung der Atmosphäre, und so erfreuen, neben der bekannten Titel- und Abschlußmelodie, mal fröhliche, harmonisch anmutende Weisen, mal düstere Synthsizertöne oder eine kurz angeschlagene tiefe Klaviertaste das Ohr des Hörers. Abgesehen von dem Synthesizer, kommen vor allem zeittypische Instrumente, wie Geige, Klavier, Flöte oder auch ein Gong zum Einsatz. Highlight ist für mich aber die geheimnisvoll anmutende Harfenmelodie, welche perfekt zum Mysterium der Séance passt.
Bei den Effekten wird einmal mehr der Hall wirkungsvoll eingesetzt. So ist das Rufen der Geistererscheinung damit unterlegt, um den Gruselfaktor noch zu unterstreichen. Den Bakerstreet-Boy "Wiggins" hört man dagegen mit leichtem Nachhall, um dessen entfernte Position auf der Straße zu verdeutlichen.
Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) verkörpert den Meisterdetektiv genau so, wie Doyle ihn ursprünglich angelegt hat: leicht überheblich, immer rational und damit misstrauisch gegenüber Spukerscheinungen. Da er nicht an übernatürliche Phänomene glaubt, kennt er natürlich auch den "Geisterjäger" Harry Price nicht, während sein Freund und Chronist Dr. Watson solchen "Mysterien" offen gegenübersteht und bereits genau über Price und seine Aktivitäten bescheid weiß. Ein Umstand, den Holmes höchst amüsant findet und der ihn einmal mehr dazu bringt, Watson zu tadeln und als "naiv" zu bezeichnen. Das gefällt Detlef Bierstedt(Dr. Watson) natürlich nicht, und so grummelt er empört vor sich hin oder räuspert sich missbilligend, wenn er nicht vor Verlegenheit anfängt zu stottern. Dieses Verhalten hat ja damals auch Nigel Bruce in den bekannten Holmes-Verfilmungen mit Basil Rathbone an den Tag gelegt, und so habe ich bei den Abenteuern der beiden "Sherlock Holmes-Helden" von Titania Medien häufig unwillkürlich die Gesichter dieser Schauspieler vor Augen. Die sonore Stimme von Hans Georg Panczak(Harry Price) passt sehr gut zu dem analytisch agierenden Wissenschaftler, der sich die Ereignisse bei der Séance einfach nicht erklären kann und entsprechend beeindruckt von dem Erlebnis ist, obwohl er innerlich bereits an dessen Wahrhaftigkeit zweifelt. Es ist vor allem die Angst um seinen guten Ruf, die ihn Rat bei dem Meisterdetektiv suchen lässt. Cornelia Meinhardt(Mrs. Mortimer) überzeugt als Frau mittleren Alters, die auf absolute Diskretion pocht und etliche Bedingungen stellt, bevor Price an der Séance teilnehmen darf. Da sie ihrem Mann öfter ins Wort fällt oder sogar statt seiner antwortet, wirkt sie etwas herrisch und zeigt so, wer in der Famlie die "Hosen" an hat. Rainer Gerlach(Mr. Mortimer) macht viel Spaß in der Rolle des älteren, gesetzten Herrn, der zwar nicht viel zu sagen hat, aber stets freundlich und zuvorkommend bleibt. Ein ausgezeichnetes Spiel liefert auch Maximiliane Hacke(Ethel Mortimer) als deren quirlige 17jährige Tochter, die schwer in Jim verliebt und nicht sehr begeistert von "Madame" ist. Selbige wird von Daniela Thuar(Madame) mit leichtem französischem Akzent intoniert. Bei ihrem ersten Auftritt wirkt sie zwar noch etwas affektiert, aber sobald die Rede auf ihre verstorbene Tochter kommt, bricht diese Fassade zusammen. Ab da spricht sie entweder mit tränenerstickter Stimme, weint leise oder schluchzt ergriffen. Das macht Thuar so gekonnt, daß man sofort das Bedürfnis fühlt, sie zu trösten. Jannik Endemann(Jim) ist als der höfliche, hilfsbereite Freund des Hauses, der Ethels Gefühle erwidert, genauso gut besetzt, wie Tom Raczko(Wiggins) als fröhlicher, eifriger Anführer der Bakerstreet-Boys.
Fazit:
Auch wenn mich die Art und Weise, wie die Handlung hier erzählt wird, leider nicht wirklich überzeugen konnte, ist die Geschichte selbst in sich schlüssig und hörenswert.
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