Rezension: Titania Special - 14 - Däumelinchen

Von Pettersson und Findus bis hin zu den Drei Fragezeichen - Hier wird das kindliche Ohr gefüttert
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MonsterAsyl
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Rezension: Titania Special - 14 - Däumelinchen

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Titania Special - 14 - Däumelinchen

Zum Inhalt:
Vor langer, langer Zeit lebte einmal eine Frau, die unbedingt ein kleines Mädchen haben wollte. Sie suchte eine alte Hexe auf und erzählte dieser von ihrem Wunsch. Die Magierin wusste auch Rat und gab ihr ein Gerstenkorn. Das war natürlich kein normales Korn und bereits am nächsten Morgen eine wunderbare Blume daraus erwachsen, in deren Blüte sich ein kleines Mädchen befand. Die Frau freute sich sehr über ihre neue Tochter, doch eines Nachts drang eine Kröte in das Haus ein und entführte das schlafende Kind...

Zur Produktion:
So langsam neigt sich das Jahr dem Ende zu, und wie um diese Zeit üblich, gibt es von Titania-Medien eine weitere Folge innerhalb ihrer Reihe "Titania Special", in der das Label Märchen und Klassiker der Kinderliteratur vertont. Mit "Tommeliese", so der dänische Originaltitel dieser 1835 erstmals veröffentlichten Erzählung von Hans Christian Andersen(02.04.1805 - 04.08.1875), ist es nach "Special" 8, 11 & 12 bereits das vierte Mal, daß man sich eines seiner Werke annimmt. Andersens Geschichten enden, im Gegensatz zu denen seiner "Kollegen" Grimm, meist nicht mit einem Happy End und sorgen so häufig für einen bittersüßen Beigeschmack. "Däumelinchen" gehört zu den eher wenigen diesbezüglichen Ausnahmen in seinem Kanon und zählt auch deswegen zu meinen Lieblingsmärchen des Schriftstellers.
Skriptautor Marc Gruppe hat sich der Geschichte mit viel Fingespitzengefühl und der ihm eigenen Werktreue genähert. Die Handlung läuft selbstverständlich entsprechend der literarischen Vorlage ab, aber es gibt doch etliche Nuancen bzw. eine große Erweiterung, auf die ich auch direkt eingehen möchte.
In Andersens Märchen lernt Däumelinchen die Schwalbe erst relativ spät kennen, und zwar, nachdem sie zusammen mit der Feldmaus und dem Maulwurf den vermeintlich "toten" Vogel besucht. Dies ist bei Gruppe anders. Er führt die Figur bereits sehr viel früher ein (nach der "Maikäfer-Episode"), dementsprechend länger und intensiver fällt auch die Freundschaft mit dem kleinen Mädchen aus. Die Idee, die Schwalbe quasi als durchgehende Freundin einzuführen, finde ich an sich gar nicht schlecht, aber für mich passt es dann im weiteren Verlauf nicht wirklich, daß Däumelinchen erst mit ihr sprechen muss, bevor sie sie wiedererkennt. Schließlich haben die beiden ja den Sommer über viel gemeinsame Zeit verbracht. Es ließe sich aber mit den ungünstigen Lichtverhältnissen unter der Erde, dem schlechten Zustand des Vogels und der Tatsache, daß Schwalben einander sehr stark ähneln, erklären.
Richtig gut finde ich hingegen den Einfall, die Hexe den Wunsch der Frau nach einem "kleinen" Kind wörtlich nehmen zu lassen. Damit liefert der Skriptautor eine einleuchtende Erklärung, warum Däumelinchen so winzig ausfällt. Ebenfalls begrüßenswert ist die eine oder andere Abänderung in der Wortwahl.
So ersetzt Gruppe beispielsweise das Wort "Hühner" mit dem wesentlich passenderen Begriff "Federvieh", und aus dem "kleinen Loch" der Feldmaus wird eine "Höhle". Auch seine Variante der sich öffnenden Blume ist wesentlich eleganter und mehr im Einklang mit dem Geschehen, als in der Vorlage. Bei Gruppe geschieht es langsam und sanft, Blatt für Blatt, während Andersen den Vorgang kurz hält und die Blüte einfach mit lautem Knall aufplatzen lässt.
Sämtliche weiteren Änderungen, wie die Tatsache, daß der in der Geschichte namenlose "Mann, der Märchen erzählen konnte", hier von Gruppe als H.C. Andersen bezeichnet wird, sind so marginal, daß sie nur Experten auffallen werden.
Um den Erzähleranteil so gering wie möglich zu halten und dem Medium Hörspiel besonders gerecht zu werden, hat der Skriptautor einen großen Teil der Beschreibungen in Dialoge umgewandelt, selbstverständlich immer unter Beibehaltung des ursprünglichen Inhalts. Die Geschichte wird dermaßen mitreißend erzählt, daß ihr nicht nur die Kleinsten gebannt bis zum Ende der ca. 62-minütigen Laufzeit folgen werden. Diejenigen, welche jetzt Lust bekommen haben, Andersens Märchen noch einmal nach-, bzw. ihren Kindern oder Enkeln vorzulesen, finden es im Internet unter http://www.zeno.org/Literatur/M/Anderse ... umelinchen.
Stephan Bosenius und Marc Gruppe, die Produzenten und Regisseure, ziehen alle Register, um den Hörer in eine angemessene "Märchenstimmung" zu versetzen. Musikalisch setzen die beiden dabei ganz auf klassische Melodien, bei denen ich mich leider nicht genug auskenne, um einzelne Stücke zweifelsfrei zu identifizieren. Ich bin mir aber ziemlich sicher, zumindest einmal einen Walzer herausgehört zu haben. Analog zu den Musikstücken, sind es vor allem Blasinstrumente wie Oboe oder Tuba, beziehungsweise Streichinstrumente wie Geigen oder Chello, die hier hauptsächlich zum Einsatz kommen; darüber hinaus ist hin und und wieder noch eine Harfe zu hören. Die einzelnen Melodien klingen mal fröhlich und mal traurig, je nachdem, was die jeweilige Szene gerade erfordert. Neben der hervoragend ausgesuchten musikalischen Untermalung, sind es aber vor allem die sorgfältig ausgewählten Geräusche, mit deren Hilfe es Bosenius und Gruppe gelingt, den Hörer endgültig in die Märchenwelt zu ziehen. Im Hexenhaus blubbert ein Gebräu im Kessel vor sich hin, der Sumpf ist erfüllt mit quakenden Kröten, zirpenden Grillen und krächzenden Raben, und im Maulwurfsgang knirscht die Erde unter den Füßen der Protagonisten.
Die Akribie, mit der hier gearbeitet wird, lässt sich vielleicht am ehesten anhand der unterschiedlichen Luftgeräusche verdeutlichen, wobei der Wind oberirdisch von der leichten Brise, bis hin zur starken Böe reicht und unteriridsch heulend und pfeifend durch die Gänge zieht.

Zu den Sprechern:
Obwohl ich Max Schautzer(Erzähler) als Sprecher sehr schätze, hat er mir hier in der Rolle des Erzählers nicht so gut gefallen. Das geht aber bestimmt nur mir so, da ich mit einem "Märchenerzähler" einfach eine andere Art von Stimme (älter, dunkler, sonorer) verbinde. Betonung und Aussprache Schautzers sind jedenfalls nicht zu beanstanden. Kann es für die Besetzung der Hauptfigur eine bessere Sprecherin geben, als die unvergleichliche Reinhilt Schneider? Möglicherweise ja, aber definitiv nicht für mich und scheinbar auch nicht für Titania Medien! Reinhilt Schneider(Däumelinchen) ist einfach großartig in dieser Rolle, und es ist ein einziges Vergnügen, ihrer liebenswerten, fröhlichen Stimme zu lauschen. Frau Schneider geht vollkommen in ihrem Part auf und intoniert den Text mit derart viel Gefühl, daß man gar nicht anders kann, als mit ihr gemeinsam alle Abenteuer zu durchleben. Daniela Bette(Mutter) passt sehr gut als verzweifelte Frau, die so voller Liebe zu ihrem kleinen Mädchen ist, und auch Kristine Walther(Hexe), die ihre Figur mit rauer, krächzender Stimme spricht, kann als Inbegriff einer alte Zauberin überzeugen. Gleiches gilt auch für Beate Gerlach(Kröte) als skrupellose Entführerin, welche ihren Text mit ein wenig Gequake garniert. Ich weiß nicht, wie er es angestellt hat, aber obwohl Bert Stevens(Krötensohn) hier, genau wie bei Andersen, lediglich froschähnliche Laute von sich gibt, erkennt man ihn trotzdem sofort. Detlef Bierstedt(Fisch) spricht den Wasserbewohner mit extra weicher Stimmlage, um den "fließenden" Eindruck noch zu unterstreichen, und der Auftritt von Joachim Tennstedt(Vogel) fällt so kurz aus, daß man Gefahr läuft, ihn zu verpassen.
Dana Fischer(Schmetterling) leiht ihre sympathische Stimme dem hilfsbereiten Insekt, und Bodo Primus(Maikäfer) brilliert in seiner Rolle des ein wenig grobschlächtigen, dicken Brummers, der erst von seiner Schwester überzeugt werden muss, daß Däumelinchen nicht die richtige Frau für ihn ist.
Kathryn McMenemy(Maikäferin) agiert gegenüber Däumelinchen zunächst extrem herablassend, um sich am Ende regelrecht in Ekelsbekundungen zu ergehen.
Für Däumelinchens Freundin, die Schwalbe, hat Titania Medien eine weitere Hörspiellegende verpflichten können. Dagmar von Kurmin(Schwalbe) ist einfach phänomenal als großherzige, gefiederte Freundin, die Däumelinchen unterstützen will, wo sie nur kann. Ihr Spiel ist mindestens ebenso intensiv, wie das von Frau Schneider, und ihre Darstellung des frierenden Vogels, dessen Text sie an dieser Stelle mit hörbarem Zittern in der Stimme spricht, ist schlichtweg perfekt. Eigentlich soll es sich bei dieser Figur um einen alten Nager handeln, aber Petra Nadolny(Feldmaus) "piepst" in einer dermaßen hohen Stimmlage, daß kein Alter mehr hörbar ist. Das bleibt aber für die Handlung unerheblich, und Frau Nadolny macht es offensichtlich Spaß, die freundliche, aber resolute Maus zu sprechen, die selbst vor Drohungen nicht zurückschreckt, wenn es um Däumelinchens vermeintliches Glück geht.
In weiteren Rollen sind noch Hans Bayer(Maulwurf) als höflicher, aber gefühlsarmer Brautwerber und Louis Friedemann Thiele(Blumenelf) als hocherfreuter, umgehend verliebter Blütenkönig zu hören.

Fazit:
Wunderschöner Ausflug in die Märchenwelt des Hans Christian Andersen.

Das Hörspiel Titania Special - 14 - Däumelinchen
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