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Rezension: Grimms Märchen - 9 - Die Gänsemagd - Der süße Brei - Sechse kommen durch die ganze Welt

Verfasst: Fr 07.10.2022, 09:31
von MonsterAsyl
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Grimms Märchen - 9 - Die Gänsemagd - Der süße Brei - Sechse kommen durch die ganze Welt

Zum Inhalt:
Die Gänsemagd:
Eine Prinzessin wird auf dem Weg zu ihrer Hochzeit von der Kammerjungfer gezwungen, mit ihr die Rollen zu tauschen. Im Schloß angekommen, lässt die boshafte Dienerin auch noch das von der Prinzessin so geliebte Pferd Falada töten. Das Unglück scheint perfekt, doch den weisen König kann man nicht so leicht täuschen.
Der süße Brei:
Ein notleidende Mutter und ihre kleine Tochter bekommen von einer alten Frau einen Wundertopf geschenkt, der sich auf Kommando immer wieder füllt. Eines Tages läuft jedoch etwas schief.
Sechse kommen durch die Welt:
Ein treuer Soldat wird mit einem Hungerlohn abgespeist und aus dem Dienst entlassen. Auf seiner Reise durch die Welt lernt er fünf Männer kennen, die erstaunliche Fähigkeiten haben. Zusammen sind die sechs unschlagbar.

Zur Produktion:
Die Kinder- und Hausmärchen (nachfolgend abgekürzt mit KHM) der Gebrüder Grimm [Jacob Grimm (1785–1863) / Wilhelm Grimm (1786–1859)] sind auf der ganzen Welt bekannt und werden von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen geschätzt. Für diese Folge hat Titania Medien drei davon zusammengestellt, in denen sich die Protagonisten mehr oder weniger selbst aus ihrer misslichen Lage helfen müssen. "Die Gänsemagd" (KHM 89) und "Der süße Brei" (KHM 103) stammen beide aus dem Jahr 1815, das dritte und letzte Märchen, "Sechse kommen durch die Welt" (KHM 71), erschien hingegen bereits 1812.
Wer das Märchen "Die Gänsemagd" kennt, wird sich möglicherweise bezüglich des Schlusses fragen, ob man die Geschichte Kindern heute noch so vorsetzen kann. Diese Sorge ist jedoch unbegründet, da Skriptautor Marc Gruppe zwar die ausgesprochen grausame Bestrafung erwähnt, sie aber nicht in Szene gesetzt hat.
Wie auch schon in den vorangegangenen Folgen, ist ein Großteil des Erzählertextes in Dialoge umgewandelt und die Sprache teilweise ein wenig modernisiert worden. So heißt es hier beispielsweise: "auf ihr Pferd" statt "zu Pferd", "beobachtet" statt "zugesehen", und dem Pferd wird auch nicht "der Hals abgehauen", sondern "der Kopf". Selbstverständlich wird Letzteres nur erzählt und nicht ausgespielt. Schließlich richtet sich die Reihe explizit an alle Altersgruppen. Neu hinzugekommen sind zwei kleinere Dialoge zwischen der Prinzessin und Falada, wo sie ihn um Gehorsam bittet, und ein klärendes Gespräch zwischen dem König und der Prinzessin. Ebenfalls neu ist das beschreibende Adjektiv "golden" in Bezug auf den Becher und das Haar der Prinzesin.
Besonders gut gefallen hat mir der Zusatz am Ende, in dem es von dem glücklichen Paar heißt, daß es sich "...in großer und inniger Liebe zugetan war", da dieser ganz dem zu erwartenden Abschluß eines Märchens entspricht und weitaus gefälliger ist als bei den Grimms, wo man lediglich liest:"Und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit".
Die mittlere Erzählung, "Der süße Brei", ist auch bei den Gebrüdern Grimm die kürzeste der drei. Die knappe Handlung, bei der im Original nur die Befehle an das Töpfchen als direkte Rede vorkommen, hat der Skriptautor komplett in Spielszenen umgeschrieben. Auf diese Weise ereicht das Märchen eine weitaus höhere Dynamik als in der literarischen Vorlage und bietet kurzweilige, erheiternde Unterhaltung, zum Ausgleich zu der vorangengenen, inhaltlich wesentlich dramatischeren Geschichte.
Das dritte und letzte Märchen, "Sechse kommen durch die Welt", hat Marc Gruppe, abgesehen von der Umwandlung des Erzählertextes in Dialoge, beinahe unverändert übernommen. Neu hinzugekommen ist nur der Begriff "Hundsfott" (Schurke), aus dem "Laufer" wurde der heutzutage übliche "Läufer", statt daß das "Fenster mit eisernen Stäben verwahrt" wurde, ist es hier kurz und bündig "vergittert", und statt "froh" ist man hier sogar "heilfroh".
Alle drei Märchen sind liebevoll in Szene gesetzt worden und ziehen den Hörer derart in den Bann, daß man gar nicht glauben mag, daß die Laufzeit insgesamt über 64 Minuten beträgt. Wie inzwischen gewohnt, findet man im Booklet auch eine Trackeinteilung für die einzelnen Geschichten, die es den Hörerinnen und Hörern ermöglicht, die einzelen Märchen gezielt anzuwählen.
Was diese Reihe für mich so besonders macht und von anderen Vertonungen abhebt, ist die gefühlvolle Umsetzung durch die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe. Jedes Märchen erhält eine zur jeweiligen Handlung passende Musik und Geräuschkulisse. Generell verzichtet man hier auf moderne Elektronik wie beispielsweise den Synthesizer, und beschränkt sich auf die Instrumente, welche auch die Gebrüder Grimm schon kannten. Dazu gehören Geigen und andere Streichinstrumente, diverse Blasinstumente wie Flöten oder Oboen, und im dritten Märchen kommt sogar eine Orgel zum Einsatz.
Bei der "Gänsemagd" alternieren die einzelnen Musikstücke zwischen tragend und fröhlich, beim "Süßen Brei" gibt es auf Grund der kurzen Laufzeit nur eine betörende Geigenmelodie, und in der Geschichte von den "Sechsen" bekommt man, neben einem fröhlichen Geigen-, auch noch ein Fanfarenstück zu hören.
Interessanterweise werden alle drei Märchen mit einem orchestralen Werk abgeschlossen, bei dem natürlich auch Trommeln nicht fehlen dürfen.
Ich finde das überaus passend und einen würdigen Ausklang für die schönen Geschichten.
Neben der immer stimmigen Musikauswahl, ist es aber vor allem die opulente Geräuschkulisse, die den Hörer endgültig in die märchenhafte Welt eintauchen lässt. So hört man bei der "Gänsemagd" unter anderem die knarrende Zimmertür, diverses Vogelgezwitscher mit rufendem Kuckuck, einen murmelnden Bach, muhende Kühe, schnatternde Gänse, Krähen und eine quietschende Ofentür. Highlight sind für mich das raschelnde Stroh beim Schinder und das fast schmerzhaft anzuhörende Geräusch, als sich die Mutter mit dem Messer in den Finger schneidet. Auch beim "Süßen Brei" zwitschern die Vögel, der Wind pfeift durch die alte Hütte, und es wird mit Löffeln im Topf geklappert. Der tonale Höhepunkt ist für mich hier aber der blubbernde Brei in dem Töpfchen, der so realistisch klingt, als ob das Titania-Team sich tatsächlich eine Portion Haferbrei gekocht hätte.
Während die "Sechse" durch die Welt kommen, rascheln die Blätter der Bäume, plätschert das Wasser im Brunnen, knistert das Feuer im Kamin, johlt und grölt das Volk während des Wettkampfes, der Wind heult durch das Schloßgemäuer und die Münzen klimpern im Sack. Natürlich zwitschern auch hier zwischendurch ein paar Vögel, dazu kommen noch brüllende Ochsen und vor Aufregung wiehrende Pferde. Geräuschlicher Höhpunkt sind meines Erachtens aber das wuchtige Ausreißen der Bäume und die schwere Tür der eisernen Stube.
Die Effekte sind dezent eingesetzt worden. So ist beispielsweise der Schloßtorbogen und der Königssaal bei der "Gänsemagd" mit leichtem Hall versehen und die Stimme des toten Falada leicht verfremdet worden. Letzteres, um dessen jenseitigen Zustand noch zu unterstreichen. Am besten hat mir aber der blecherne Klang gefallen, den man zu hören bekommt, als die Prinzessin im Eisenofen ihr Leid klagt. Das hört sich tatsächlich so an, als habe die Darstellerin ihren Text in ein Ofenrohr gesprochen. Ebenfalls sehr überzegend ist der auf einem Baum sitzende "Bläser", den man etwas leiser eingespielt hat, um seinen Abstand zu den anderen Charakteren zu verdeutlichen.

Zu den Sprechern:
Auch dieses Mal gehe ich kurz separat auf Peter Weis(Erzähler) ein, da dieser in allen Märchen auftritt. Weis ist einfach großartig, was nicht zuletzt an seiner punktgenauen Betonung und dem gefühlvollen Vortrag liegt. So klingt er beispielsweise bei der zweiten Geschichte regelrecht verschmitzt.

Die Gänsemagd:
Anita Lochner(Königin) spricht die ältere Herrscherin mit einem Gefühl von Sorge und Kummer, und auch die Stimme von Reinhilt Schneider(Prinzessin) ist trotz ihrer Lieblichkeit mit Trauer, aber auch Freude erfüllt. Ich kann es ja nur schwer mit anhören, wenn Frauen schluchzen und weinen, und das ist bei diesen beiden natürlich auch der Fall. Umso emotionaler berührt mich dann auch die Darstellung von Regine Lamster(Kammerjungfer) als bösartige Zofe, die ohne Skrupel ihr Ziel verfolgt. Sigrid Burkholder(Blutstropfen) gibt dem Lebenssaft mit ihrer melodischen Stimme eine beruhigende Wirkung, und wenn er gerade mal nicht wiehert, spricht Bernd Kreibich(Falada) als Pferd der Prinzessin Mut zu. Gut gefallen hat mir auch Jan Makino(Königssohn) in der Rolle des Monarchensohns, dem seine angebliche Braut gleich unsympathisch ist und der viel Mitgefühl für die Prinzessin aufbringt.
Horst Naumann(König) ist überzeugend als würdiger Herrscher, der das üble Spiel der Kammerjungfer ziemlich schnell durchschaut und sich von Anfang an für die echte Prinzessin interessiert. Die raue Stimme von Manfred Liptow(Schinder) passt ausgezeichnet zu der grobschlächtigen Figur des Abdeckers, der von dem wunderschönen Schimmel begeistert ist und sich über den seltsamen Wunsch der Prinzessin wundert. Besondere Erwähnung verdient jedoch Edward McMenemy(Kürdchen) als frecher Gänsehirt, welcher der Prinzessin unbedingt ein paar ihrer goldenen Haare ausreißen möchte. Trotz seines jugendlichen Alters, gelingt es ihm scheinbar mühelos, den Part des vorwitzigen Jungen vollkommen natürlich zu sprechen.

Der süße Brei:
Ursula Sieg(Mutter) ist einfach wunderbar als bedrückte Frau, die nicht weiß, wie sie sich und ihre Tochter am Leben erhalten soll, macht andererseits aber auch viel Spaß, als sie verzeifelt versucht, den überkochenden Topf zu bändigen. Es ist jedoch Marlene Bosenius(Mädchen), in der Rolle der tröstenden Tochter, die mit ihrer natürlichen Art alle anderen an die Wand spielt. Die Besetzung von Gerlinde Dillge(Alte) als freundliche ältere Frau, finde ich dagegen nicht ganz so gelungen, da ihre Stimme, trotz ihres Alters, in meinen Ohren noch zu jung klingt. Überaus amüsant kommen Bernd Kreibich, Beate Gerlach, Willi Röbke, Anita Lochner(Leute) mit ihrer Darstellung der Dorfbewohner daher, die vor dem überquellenden Brei flüchten müssen.

Sechse kommen durch die Welt:
Der grobe Grundton, den Helmut Zierl(Soldat) in seine Stimme legt, passt perfekt zu seiner Rolle des billig abgespeisten Armeeangehörigen, der sein Schicksal voller Zuversicht selbst in die Hand nimmt. Die ihm zur Seite gestellten Gefährten, Matthias Lühn(Der Starke), Nicolas König(Der Jäger), Patrick Bach(Der Bläser), Jonas Minthe(Der Läufer) und Louis Friedemann Thiele(Der Wettermacher) bilden ein ideales Team, welches vor Selbstbewusstsein geradezu strotzt und den neugewonnenen Freund bereitwillig bei seinen Aufgaben unterstützt. Obwohl sie alle die gleichen Emotionen spielen, gelingt es jedem Einzelnen, dennoch individuell zu klingen und sich von den anderen entsprechend abzusetzen. Bodo Primus(Königlicher Rat) ist überaus amüsant als leicht stotternder, besorgter Mentor des Regenten, der von diesem jedoch nicht ernst genommen wird, und Lutz Reichert(König) weiß als ungeduldiger, überaus hinterhältiger und am Ende geschlagener Monarch zu begeistern. Auf Augenhöhe agiert Janina Sachau(Königstochter) in ihrem Part der hochnäsigen Prinzessin, die sich vor dem "niederen Volk" ekelt und bereit ist, auch mit Betrug an ihr Ziel zu gelangen. In weiteren Nebenrollen kommen Bernd Kreibich(Koch) als der vom Befehl seines Herrschers entsetzte Küchenmeister und Tim Schwarzmaier(Feldwebel) in der Rolle des befehlsgewohnten, siegesgewissen Offiziers zu Gehör. Der Auftritt von Marc Gruppe(Diener) als ergebener Domestik, fällt so kurz aus, daß man schon genau hinhören muss, um ihn nicht zu verpassen.

Fazit:
Rundum gelunges Hörvergnügen mit Geschichten, die dazu einladen, sie immer wieder zu hören.

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