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Rezension: Grimms Märchen - 10 - Brüderchen und Schwesterchen - Der Hase und der Igel - Der Teufel und seine Großmutter

Verfasst: Di 13.12.2022, 19:01
von MonsterAsyl
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Grimms Märchen - 10 - Brüderchen und Schwesterchen - Der Hase und der Igel - Der Teufel und seine Großmutter

Zum Inhalt:
Brüderchen und Schwesterchen:
Ein Geschwisterpaar flieht vor der heimtückischen Schwiegermutter in den Wald, aber diese hat alle Brunnen dort mit einem Zauber belegt...
Der Hase und der Igel:
Ein Igel fordert den hochmütigen Hasen zu einem Wettrennen heraus.
Der Teufel und seine Großmutter:
Drei Soldaten schließen einen Pakt mit dem Teufel, der sich nach sieben Jahren ihre Seelen holen will. Doch es gibt einen Ausweg: wenn sie sein Rätsel lösen können, sind sie frei.

Zur Produktion:
Für die vorliegende Folge hat Titania Medien die Kinder- und Hausmärchen, abgekürzt mit KHM, "Brüderchen und Schwesterchen" (KHM 11), "Der Hase und der Igel" (KHM 187) und "Der Teufel und seine Großmutter" (KHM 125) der Gebrüder Jakob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) vertont. Die erste Geschichte ("Brüderchen und Schwesterchen") ist gleichzeitig die längste. Skriptautor Marc Gruppe bleibt hier, wie gewohnt, dicht an der literarischen Vorlage und hat nur wenige Sätze ergänzt bzw. abgewandelt. Unter anderem änderte er einige Passagen des Erzählertextes in Dialoge und modernisierte auch die Sprache ein wenig. So wurde aus "kenne" das heutzutage gebräuchlichere "erkenne", aus "heil" wurde "gesund", und statt des "Hüfthorns" ist vom "Jagdhorn" die Rede. Außerdem gibt es noch ein paar schmückende Adjektive wie z.B. "fröhlich" im Zusammenhang mit dem Schloßgarten. Aus Rücksicht auf die jüngeren Hörer hat Gruppe darauf verzichtet, den doch recht brutalen Schluß als Spielszene zu bringen und lässt stattdessen, genau wie bei den Grimms, den Erzähler nur davon berichten.
Da die zweite Geschichte ("Der Hase und der Igel") eigentlich auf Plattdeutsch erzählt wird, musste der Skriptautor sie erst ins Hochdeutsche umschreiben. Das war auch notwendig, da wohl nur die wenigsten heute noch etwas mit Begriffen wie "Lujedor" (Goldtaler) und "Buddel Branwien" (Pulle Schnaps) anfangen können. Zudem hat er auch die Sprache ein wenig entschärft, und so ist hier von "Ruhig, Weib!" statt "Holt dat Muul, Wief!" die Rede. Gerade in bezug auf die letzte Änderung finde ich es aber ein wenig unglücklich, die "Moral" der Geschichte beizubehalten, in der darauf hingewiesen wird, daß man eine Frau aus dem eigenen "Stande" heiraten solle. Ein solches "Rollendenken" ist heutzutage doch Gott sei Dank mehr als überholt, und ich hätte es begrüßt, wenn man dieses Ende ebenfalls ein wenig modernisiert hätte.
Auch das dritte und letzte Märchen, "Der Teufel und seine Großmutter", wurde von Marc Gruppe leicht überarbeitet. Neben den zusätzlichen Adjektiven hat er auch die Sprache an unsere Zeit angepasst. Dabei ist Gruppe aber für mein Empfinden ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, denn Sätze wie "Da nicht für." oder ein Begriff wie "gefaselt" passen nicht wirklich in die Zeit, zu der die Geschichten spielen. Gut gefallen hat mir hingegen das ein wenig erweiterte Ende, bei dem die drei Soldaten auch an die Armen und Bedürftigen denken und diese an ihrem Reichtum teilhaben lassen.
Daß dem Hörer die Laufzeit von knapp 59 Minuten wesentlich kürzer vorkommt, liegt nicht zuletzt an der wie immer sehr sorgfältigen Produktion und Regie durch Stephan Bosenius und Marc Gruppe. Die Musikstücke, welche das Geschehen wieder adäquat untermalen, sind allesamt mit klassischen Instrumenten wie diversen Blas-(Flöte, Oboe etc.) und Streichinstrumenten (Geige, Kontrabass, etc.) eingespielt worden. Die einzelnen Melodien fallen mal dramatisch und treibend, mal harmonisch und fröhlich aus, je nachdem, was die Szene gerade verlangt. Wie ich schon öfter angemerkt habe, fehlt mir leider bei klassischer Musik die entsprechende Kenntnis, aber ich meine, in der dritten Geschichte ("Der Teufel und seine Großmutter") einen Teil des "Zauberlehrlings" herausgehört zu haben.
Neben der wunderbaren Musikauswahl, sind es die Geräusche, die den Hörer endgültig in die Phantasiewelt der Gebrüder Grimm abtauchen lassen. Jedes der drei Märchen ist mit einer opulenten Soundkulisse unterlegt. Bei "Brüderchen und Schwesterchen" zwitschern und singen die Vögel, eine leichte Brise streift durch die Gräser, und abends zirpen die Zikaden. Besonders gelungen finde ich die Inszenierung der Jagdgesellschaft, bei der die Pferde wiehern und galoppieren, die Menschen sich durch Zurufe verständigen, und die aufgeregte Hundemeute im Hintergrund blafft. Auch das Durchladen des Gewehrs und der sich anschließende Schuß hören sich extrem realistisch an, wobei ich sagen muss, daß die Waffe für meinen Geschmack ein wenig zu modern klingt. Akustisches Highlight ist für mich aber die Szene im Bad, bei der der Dampf so extrem zischt, daß man auch als Hörer sofort weiß, wie ungesund ein längerer Aufenthalt darin sein muss. Ebenfalls sehr authentisch fällt der im Schloß heulende Wind aus, welcher das weitläufige Anwesen ein wenig unheimlich und kalt wirken lässt. Da die Geschichte von "Der Hase und der Igel" quasi nur in der freien Natur bzw. auf einem Feld spielt, genügen hier zwitschernde Vögel und eine leichte Brise, die durch die Gräser streift, um den Schauplatz der Handlung in Szene zu setzen. Sehr viel aufwendiger ist hingegen die Soundkulisse für das dritte und letzte Märchen, "Der Teufel und seine Großmutter", ausgefallen. Eröffnet wird die Geschichte mit donnernden Kanonen, diversen knallenden Schußwaffen und schreienden Soldaten. Besser kann man einen Kriegsschauplatz akustisch wirklich nicht darstellen. Dies dauert jedoch nicht länger als unbedingt nötig, so daß auch die kleineren Hörer nicht überfordert werden. Aufregend bleibt es aber trotzdem. Dafür sorgen schon der Donner, welcher den Drachen bei seiner Ankunft begleitet, das Scharren des Messers, als es aus der Scheide gezogen wird, die fröhliche Menschenansammlung im Wirtshaus und das geschäftige Treiben auf der Straße mit den vorbeieilenden Menschen und Fuhrwerken. Als der jüngste Soldat des Teufels Großmutter besucht, wird es sogar ein wenig unheimlich, was vor allem an dem großen Feuer liegt, welches den Hörer sofort an das Fege- bzw. Höllenfeuer erinnert. Besonders gelungen finde ich das Schleifen des schweren Steins über den Steinboden, als die Großmutter und der Soldat den Eingang zum Keller freilegen. Da bei den Märchen ganz klar die Geschichte im Vordergrund stehen soll, verzichtet Titania Medien, abgesehen von ein wenig Hall, weitestgehend auf Effekte. Das gehässige Lachen der Stiefmutter hallt leicht, um ihre böse Macht gegenüber den Kindern zu verdeutlichen, und auch die Brünnlein sind mit Hall unterlegt, um ihren Zauberstatus zu betonen. Bei "Der Teufel und die Großmutter" dient der Hall lediglich dazu, die Größe der Behausung akustisch angemessen darzustellen.

Zu den Sprechern:
Peter Weis(Erzähler), der diesen Part bei allen drei Märchen inne hat, ist wie immer tragende Säule und ruhender Pol der Geschichten. Seine leicht heisere Stimme, gepaart mit seinem emotionalen Vortrag, ist nicht weniger als ausgezeichnet und unterstreicht die "märchenhaften" Atmosphäre ganz besonders.

Brüderchen und Schwesterchen:
Brüderchen(Jan Makino) ist klasse als Jugendlicher, der sein und seiner Schwester Schicksal bedauert und deshalb vorschlägt, in der Ferne das Glück zu suchen. Makino spricht seinen Text mit möglichst weicher Stimme, was ihn nicht nur jünger, sondern auch noch sympathischer wirken lässt. Dazu passt auch die jugendliche Ungeduld und überschäumende Freude seiner Figur. Ihm zur Seit agiert Schwesterchen(Reinhilt Schneider), deren einzigartige Stimme immer so lieblich klingt. Es ist herzzerreißend, wenn man sie schluchzen und weinen hört, und als sie später nur noch röchelt und um Hilfe fleht, weckt sie den Beschützerinstinkt aller männlichen Hörer. Die Stiefmutter(Beate Gerlach) spricht ihre Rolle mit einer derartigen Bosheit in der Stimme, daß einem angst und bange werden kann. Ihre fieses Lachen unterstreicht noch die Hinterhältigkeit, mit der sie ihre Stiefkinder partout ins Unglück stürzen will.
Nicht minder niederträchtig agiert die Stiefschwester(Janina Sachau) als ihre Tochter, die ihr bezüglich Gemeinheit, Eifersucht und Skrupellosigkeit auch in nichts nachsteht. Dies ist umso bemerkenswerter, als daß man Frau Sachau vornehmlich mit positiven Rollen in Verbindung bringt. Aber wie sie hier eindrucksvoll zeigt, kann sie auch ganz anders. Obwohl sie nur einen kurzen Auftritt haben, bleiben einem die drei Brünnlein: Brünnlein 1(Cornelia Meinhardt), Brünnlein 2(Sigrid Burkholder) und Brünnlein 3(Daniela Thuar) dank ihres eindringlich vorgetragenen Textes im Gedächtnis. König(Nicolas König) überzeugt als neugieriger, entschlossener Adliger, der sich umgehend in das junge Mädchen verliebt, genauso wie die Kinderfrau(Gerlinde Dillge) im Part der erschrockenen Amme, die sich doch sehr wundert und ratlos ist, wie sie mit der Situation umgehen soll. In weiteren Nebenrollen sind noch Säugling(Marlene Bosenius) als schreiendes Neugeborenes und Wächter(Rainer Gerlach) als knurriger Gardist zu hören.

Der Hase und der Igel:
Trotz des Erzählers ist es eigentlich Großvater(Horst Naumann), der seinen Enkeln das Märchen erzählt und es somit auch eröffnet und beendet. Igel(Lutz Reichert) macht viel Spaß in der Rolle des gutgelaunten Stacheltiers, welches gegenüber seiner Frau zuvorkommend agiert und sich sicher ist, das Wettrennen zu gewinnen. Seine liebevolle Frau spricht Herma Koehn, die sich über die ungewöhnliche Wette wundert, aber ihrem Mann treu zur Seite steht, während die Igelkinder(Marlene Bosenius, Edward McMenemy) lachen und unbeschwert kichern. Auch wenn er sich gegenüber dem Igel arrogant und überheblich benimmt, kann einem der Hase(Bernd Kreibich) leid tun. Selbstverständlich ist es äußerst unhöflich, sich über die kurzen, krummen Beine des Igels lustig zu machen, aber daß er deswegen vor Anstrengung so jämmerlich verendet, ist mir dann doch etwas zu viel der Strafe gewesen!

Der Teufel und seine Großmutter:
Daß Soldat 1(Helmut Zierl), Soldat 2(Lutz Reichert) und Soldat 3(Tim Schwarzmaier) angesichts ihrer hoffnungslosen Situation erstmal den Mut verlieren, ist genauso nachvollziehbar wie ihr Entschluß, auf den Handel mit dem Teufel einzugehen. Es ist schon amüsant dabei zuzuhören, wie skeptisch Zierl und Reichert gegenüber dem jüngsten Kameraden (Schwarzmaier) eingestellt sind, und ihre Erleichterung und Dankbarkeit, als alles gut ausgeht, ist derart intensiv gespielt, daß sie schon fast greifbar wirkt. Dennoch stiehlt Tim Schwarzmaier mit seinem jugendlichen, unbekümmerten Draufgängertum den beiden anderen komplett die Show. Die Alte(Anita Lochner) ist großartig als hilfsbereite betagte Frau, die den Soldaten einen wertvollen Tipp gibt. Sprecherisches Highlight sind für mich aber der Teufel(Thomas Balou Martin) und seine Großmutter(Regina Lemnitz). Thomas Balou Martins raue Stimme klingt hier regelrecht nach einem Reibeisen und passt wie die Faust aufs Auge zur Darstellung des Leibhaftigen. Obwohl er mit seinem Grunzen und dämonischen Lachen wirklich furchterregend ist, wirkt seine völlige Verblüffung und die damit verbundenen Wut weniger schrecklich, als vielmehr erheiternd. Eine geniale Interpretation, welche den Schrecken des Teufels, vor allem für jüngere Zuhörer, angenehm relativiert. Trotz der Rolle und ihrer rauen Stimme, hat man bei des Teufels Großmutter eher den Eindruck, eine freundliche, hilfsbereite, dazu aber auch energische ältere Dame vor sich zu haben und nicht die Oma Satans. Denn obwohl sie genauso listig ist wie dieser, bereitet es ihr hörbar Freude, seine Pläne zur Abwechslung mal zu durchkreuzen.

Fazit:
Mir haben alle drei Adaptionen wieder sehr gut gefallen, und es gilt weiterhin: Ob jung oder alt, wer Märchen liebt, kommt an denen von Titania Medien einfach nicht vorbei.

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