Rezension: Grimms Märchen - 12 - Das Wasser des Lebens - Katze und Maus in Gesellschaft - Der Bärenhäuter
Verfasst: So 11.06.2023, 09:49
Grimms Märchen - 12 - Das Wasser des Lebens - Katze und Maus in Gesellschaft - Der Bärenhäuter
Zum Inhalt:
Das Wasser des Lebens:
Drei Prinzen machen sich auf, um für ihren todkranken Vater das Wasser des Lebens zu besorgen. Allen begegnet ein Zwerg, doch nur wer zu diesem freundlich ist, kommt ans Ziel.
Katze und Maus in Gesellschaft:
Eine Katze und eine Maus freunden sich an und wollen zusammenleben. Für den Winter legen sie einen Vorrat an, den sie in der örtlichen Kirche verstecken. Doch einer der beiden spielt falsch.
Der Bärenhäuter:
Ein arbeitsloser Soldat schließt einen Pakt mit dem Teufel. Der junge Mann muss sieben Jahre lang in einem Bärenfell leben und darf sich weder waschen noch Haare, Bart und Nägel schneiden. Sollte er in dieser Zeit sterben, bekommt der Teufel seine Seele. Bleibt er aber am Leben, so winken ihm Glück und Reichtum.
Zur Produktion:
Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht. Mit dieser Folge ist bereits das erste Dutzend in der Reihe "Grimms Märchen" voll. Auch diesmal hat Titania Medien wieder eine bunte Auswahl interessanter, mir übrigens bis dato unbekannter Erzählungen zusammengestellt. Wie immer sind es drei, und zwar "Das Wasser des Lebens" (Kinder- und Hausmärchen 97, nachfolgend mit KHM abgekürzt), "Katze und Maus in Gesellschaft" (KHM 2) und "Der Bärenhäuter" (KHM 101), die sich auch auf CD einzeln anwählen lassen.
Eröffnet wird der Reigen mit "Das Wasser des Lebens", welches zugleich auch das längste Märchen ist. Skriptautor Marc Gruppe hat die Sprache leicht modernisiert, einen großen Teil des Erzähltextes in Dialoge umgeschrieben und einige schmückende Adjektive wie z.B. "zentnerschwer", in Bezug auf die Steine, oder "schändlich", in Bezug auf das Betrogen-Sein, verwendet. Die zusätzlichen Dialoge fügen sich harmonisch in die Handlung ein und lassen das Geschehen insgesamt runder bzw. natürlicher wirken. Ebenfalls neu hinzugekommen ist der Abschlußsatz "Und sie lebten glücklich bis ans Lebensende.".
Ich bin ja immer wieder erstaunt, daß so ein Satz nicht schon bei den Grimms vorhanden war, denn der gehört für mich einfach zum Ende eines jeden Märchens. Titania Medien unterlegt die Geschichten ja gern mit Musik, und normalerweise empfinde ich das auch als ein willkommenes zusätzliches Element. Aber in diesem Fall hat sie mich eher gestört. Das liegt daran, daß hier fast nur orchestrale Weisen eingespielt werden, die zu pompös wirken und dadurch für meinen Geschmack den Text zu sehr in den Hintergrund rücken lassen. Darüber hinaus war meiner Meinung nach auch das an sich schöne Abschlußstück zu lang. Gerade jüngere Hörer könnten da leicht ungeduldig werden.
Die zweite Erzählung ist mit nur 4 Tracks auch gleichzeitig die kürzeste. Abgesehen von einigen kurzen Dialogzeilen, gibt es kaum Veränderungen gegenüber der literarischen Vorlage. Auch hier sind einige Adjektive neu hinzugekommen, so beispielsweise "listig", in Bezug auf die Katze, oder "groß", wenn es um den Fleiß geht, mit dem die beiden das gemeinsame Haus in Ordnung bringen. Daß aus dem "Fetttöpfchen" ein "Fettnäpfchen" wird, ist lediglich dem besseren Verständis für das moderne Publikum geschuldet und spielt für die Handlung keine Rolle. So gut wie jedes Märchen beinhaltet ja eine "Moral von der Geschicht", doch diese hier: "Siehst du, so gehts in der Welt." erschließt sich mir einfach nicht und setzt meiner Meinung nach auch auch ein falsches Signal für kindliche Zuhörer. Letztlich läuft es jedoch auf das Fazit hinaus, daß man nie zu vertrauensselig sein darf, sondern lieber ein gesundes Maß an Misstrauen an den Tag legen sollte.
Die dritte und letzte Geschichte auf der CD ist "Der Bärenhäuter". Hier hat der Skriptautor einige Elemente bzw. Begriffe weggelassen und andere dafür eingefügt. Daß der Teufel nicht als "Grünrock" bezeichnet wird, kann man gut verstehen, denn kaum jemand dürfte diesen veralteten Begriff noch kennen. Weniger verständlich ist mir, daß der "rasierte Bär mit Handschuhen" nicht erwähnt wird, da ich gerade diese Stelle besonders erheiternd finde.
Wie schon bei den beiden vorangegangenen Geschichten, gibt es wieder zusätzliche Adjektive wie "innig", im Zusammenhang mit dem Kuss. Die Sprache ist ebenfalls leicht modernisert worden, und aus dem Sammetrock" wurde der "Samtrock". Neu ist auch, daß der Schuldner "bei Wasser und Brot" in den Schuldturm soll, und daß der Teufel die Seelen in einem Sack sammelt. Das Ende ist unwesentlich erweitert worden und endet mit dem Satz: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute".
Die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe haben alle Geschichten mit einer Vielzahl an Musikstücken und Geräuschen versehen.
Die Spannweite der Instrumente reicht von Blas- und Streichinstrumenten wie Geige, Bass, Flöte und Oboe, bis hin zu meinem Lieblings-Zupfinstrument, der Harfe. Wie schon weiter oben erwähnt, ist man lediglich bei "Das Wasser des Lebens" ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen. Ansonsten fügen sich die orchestralen Weisen genauso harmonisch in das Geschehen ein, wie die teils spannungsvollen Streichermelodien. Highlight sind für mich aber die Walzer, sowie die schöne, zart klingende Harfenmusik, die so gut zu Märchen passt. Ebenso üppig wie die Musik, fallen auch die Geräusche aus. "Das Wasser des Lebens" ist erfüllt mit Vogelzwitschern, dem Glucksen einer Quelle oder eines kleinen Baches, scheuenden Pferden, Hufgetrappel und auch mal einem scharfen Galopp. Die Schläge an das Tor klingen ebenso natürlich, wie dessen Rumpeln beim Öffnen, und den Schritten ist klar anzuhören, daß sie über Steinplatten führen. Auch das Meer ist mit der tosenden Brandung und den kreischenden Möwen akustisch perfekt umgesetzt worden. Highlight sind für mich hier die sich dröhnend schließenden Berge und das Löwengebrüll. Die relativ kurze Geschichte von "Katze und Maus in Gesellschaft" benötigt dementsprechend nur wenige Töne, wie das Rascheln der Maus oder das Schlabbern der Katze beim Trinken. Darüber hinaus ist der Großteil der Handlung mit für mich nicht einordnenbaren Hintergrundgeräuschen versehen worden. "Der Bärenhäuter" weiß mit der Menschenmenge und den Pferden in der Stadt zu begeistern, Schafe blöken auf dem Bauernhof, und neben harmonischem Vogelgezwitscher dürfen auch noch die Krähen krächzen. Das Laden und Abfeuern des Gewehres klingt äußerst realistisch, genau wie das bunte Treiben in der Wirtschaft. In der guten Stube pfeift natürlich der Wind, und die Türen quietschen. Am besten haben mir aber wieder die kleinen, eher unauffälligen Geräusche gefallen, wie das Klimpern der Goldstücke, der sausende Wind, immer wenn der Teufel erscheint, oder die "nassen" Töne beim Abziehen des Bärenfells. Gerade letzteres klingt schon fast ein wenig zu echt und hätte jüngere Hörer verstören können, wenn es nicht so kurz und dezent eingespielt worden wäre. Das gilt auch für die Tode der beiden Schwestern in der letzten Geschichte, deren Schicksale mit einem lauten Knacken bzw. einem gurgelnden Schrei verdeutlicht werden. Bei den Effekten kommt vor allem Hall zum Einsatz. Die Schritte im Schloßsaal sind damit unterlegt, um dessen Größe zu verdeutlichen. Aus demselben Grund hallen auch die Dialoge zwischen Katze und Maus innerhalb der Kirche. Daß die Warnung des Zwerges im wahrsten Sinne des Wortes "nachhallt", dient dazu, selbige noch eindringlicher wirken zu lassen. Lediglich beim "Bärenhäuter" gibt es noch zwei andere Kunstgriffe. Die schreiend davonlaufende Frau wird immer leiser, um ihre Entfernung zum Hörer zu verdeutlichen, und das Jammern im Nebenzimmer klingt dumpf, damit der Hörer das Gefühl bekommt, dieses durch eine Wand zu hören.
Zu den Sprechern:
Da er in allen drei Geschichten präsent ist, nimmt der kürzlich verstorbene Peter Weis(Erzähler) wieder einmal eine Sonderstellung ein. Seine ausgezeichnete Betonung, gepaart den vielen unterschiedlichen Emotionen, die er in seinen Vortrag legt, heben ihn weit über die bloße "Erzählerposition" hinaus. Zumindest derzeit kann ich mir wirklich keinen Ersatz für ihn vorstellen, und umso tröstlicher ist es da, daß er zumindest noch in den nächsten 5 Folgen diese Position ausfüllen wird.
Das Wasser des Lebens:
Jürgen Thormann(König) ist einfach perfekt als schwerkranker Monarch. Er keucht und atmet so heftig, daß man als Hörer sofort mitbekommt, wie schlecht es seiner Figur geht. Da er anfangs nur sehr leise spricht und seinen Text quasi hervorstößt erkennt man ihn kaum. Erst als er endlich gesund ist, klingt seine Stimme wieder kräftig und damit wie gewohnt. Ebenso überzeugend sind Claus Thull-Emden(Ältester Sohn) und Simon Jäger(Mittlerer Sohn) als berechnend agierende Sprößlinge, die den Zwerg übelst beleidigen und ständig von Neid, Missgunst und Häme gegenüber ihrem kleinen Bruder erfüllt sind. Dementsprechend könnte der Kontrast zwischen den beiden und Tim Schwarzmaier(Jüngster Sohn) als freundliches, dankbares und hilfsbereites "Nesthäkchen", nicht größer ausfallen. Willi Röbke(Zwerg) gelingt es, seiner Figur eine Vielschichtigkeit zu verleihen, die man erst gar nicht vermutet. Zunächst scheint es sich bei ihm um einen geradezu boshaften Gnom zu handeln, der sich jedoch ganz anders verhält, sobald man ihn freundlich behandelt. Sehr gefreut hat mich der Auftritt von Reinhilt Schneider(Verzauberte Königstochter) in der Rolle der überaus freundlichen Regententochter. Mit ihrer lieblichen Stimme und dem glücklichen Lachen ist sie für mich immer noch der Inbegriff einer Prinzessin. In weiteren Nebenrollen sind die raue Stimme von Bodo Primus als hilfsbereiter alter Mann, Rolf Berg als mit seinem Auftrag sehr unglücklicher Jäger und Bernd Kreibich als distinguiert sprechender Bote zu hören.
Katze und Maus in Gesellschaft:
Obwohl mir die "Moral" hier nicht gefallen hat, muss ich den beiden Sprecherinnen ein großes Kompliment machen, denn beide spielen ihre Rollen absolut perfekt. Regina Lemnitz(Katze) schnurrt ihren Text geradezu und macht damit das zwischendurch eingestreute "Miau!" fast schon überflüssig. Sie ist einfach toll als verschlagene Mieze. Nicht weniger beeindruckend ist Herma Koehn(Maus) als freundliches, aber allzu naives Nagetier. Sie spricht ihren Text mit piepsiger Stimme, welche auch bei ihr das "Pieps!" eigentlich redundant macht.
Der Bärenhäuter:
Auch in der dritten und letzten Geschichte sprühen die Sprecher förmlich vor Spielfreude, allen voran Valentin Stroh(Soldat) als hilfsbereiter und verständnisvoller junger Mann, der erst einmal ratlos ist, was er nach seiner Entlassung aus dem Armeedienst tun soll. Überragend agiert auch Thomas Balou Martin(Teufel) in der Rolle des hinterhältigen Leibhaftigen, der diabolisch lacht und es gar nicht abwarten kann, die Seele des jungen Soldaten in seine Gewalt zu bekommen. Mindestens gleich auf ist auch der einzigartige Eckart Dux(Alter Mann) mit seinem Portrait des unglücklichen Vaters, dem das ungebührliche Betragen seiner beiden älteren Töchter höchst peinlich ist. Kristine Walther(Älteste Tochter) und Reinhilt Schneider(Mittlere Tochter) machen viel Spaß als boshafte, missgünstige Schwestern, welche nur Hohn für den Soldaten übrig haben und die Jüngste verspotten. Dementsprechend stark fällt auch der Kontrast zu Regine Lamster(Jüngste Tochter) aus, die den jungen Mann willkommen heißt und mit liebevoller Stimme verspricht, den Schwur des Vaters zu erfüllen. In weiteren Nebenrollen kommen noch Rolf Berg als Hauptmann der Soldaten, der die Entlassung bekannt gibt, Simon Jäger als abweisender Bruder des Soldaten, Luise Lunow als erschreckt flüchtende Frau, sowie Jürgen Thormann als geldgieriger Wirt zu Wort.
Fazit:
Fast 73 Minuten märchenhafte Unterhaltung für Groß und Klein.
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