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Rezension: Grimms Märchen - 17 - Gevatter Tod / Das Lumpengesindel / Die drei Schlangenblätter

Verfasst: So 27.10.2024, 13:56
von MonsterAsyl
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Grimms Märchen - 17 - Der Gevatter Tod / Das Lumpengesindel / Die drei Schlangenblätter

Zum Inhalt:
Der Gevatter Tod: Ein mittelloser Vater sucht verzweifelt nach einem Paten für sein dreizehntes Kind. Nachdem er Gott und den Teufel abgelehnt hat, fällt seine Wahl schließlich auf den Tod...
Das Lumpengesindel: Ein Hähnchen und ein Hühnchen nutzen alle aus, denen sie begegnen.
Die drei Schlangenblätter: Einem armen Mann gelingt es, die Gunst des Königs zu erlangen und dessen Tochter zu heiraten. Diese stellt jedoch eine Bedingung: sollte einer von ihnen sterben, so muss der andere mit ins Grab...

Zur Produktion:
Wie gewohnt hat Titania-Medien drei abwechslungsreiche Märchen der Gebrüder Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) auf dieser CD vereint. Zur Eröffnung gibt es "Gevatter Tod" (Kinder- und Hausmärchen 44, nachfolgend mit KHM abgekürzt), die zugleich auch die düsterste der drei Geschichten ist. Skriptautor Marc Gruppe bleibt hier extrem dicht an der literarischen Vorlage, und es gibt nur wenige zusätzliche Dialoge bzw. Begriffe. So ist hier beispielsweise von Gevatter Tods unterirdischem "Reich" statt von einer "Höhle", und von "umstehen" statt "umstecken" die Rede. Letzteres finde ich allerdings ein wenig ungeschickt, da meiner Meinung nach "umstecken" in diesem Zusammenhang besser passt. Ebenfalls neu hinzugekommen ist, daß sich die an den Krankenbetten stehenden Angehörigen leise darüber unterhalten, daß der Medikus scheinbar Selbstgespräche führt, da sie ja Gevatter Tod weder sehen noch hören können. Davon abgesehen hat Gruppe nur noch einen kleinen Teil des Textes ein wenig umgestellt, was den Ablauf flüssiger gestaltet bzw. so einfach besser passt. Um die Stimmung vor allem der jüngeren Hörer wieder zu heben, folgt mit "Das Lumpengesindel (KHM 10), die amüsanteste der drei Geschichten. Da es sich hierbei auch um das kürzeste Märchen handelt, hat der Skriptautor hier einige zusätzliche Dialoge verfasst, die aber alle so gut zu der Geschichte passen, daß man schon das Original nebeher lesen muss, um die Unterschiede überhaupt zu bemerken. Um das Ganze noch "hörbarer" zu gestalten, hat Gruppe einige altmodische Begriffe wie zB. "Alles an meinen Kopf" durch "Alles misslingen" ersetzt. Besonders gut finde ich die von Gruppe vorgenommene Ausformulierung des Gelübdes des Wirts. Bei den Grimms heisst es lediglich: "Da that er einen Schwur...", bei Gruppe hingegen "Beim Grab meiner Mutter". Den Abschluss bildet dann "Die drei Schlangenblätter" (KHM 16), eine durchaus dramatische Geschichte, welche nur durch das gewollte Overacting der Königstochter aufgelockert wird. Wie die vorangegangenen Märchen, ist auch dieses mit wenigen zusätzlichen Dialogen versehen worden, welche die Handlung für den Hörer wesentlich gefälliger wirken lassen. Natürlich sind auch hier eingige Wörter ausgetauscht worden (zB. "Schlückchen" statt dem ursprünglichen "Schluck"), aber wirklich prägnant ist nur das wesentlich erweiterte Ende. Ich vermute, selbiges wurde vor allem deshalb geschrieben, um den ursprünglich doch recht gnadenlosen Schluß ein wenig abzumildern. Trotz all der aufgeführten "Erweiterungen", beträgt die gesamte Spielzeit der CD nur ca. 53 knackige Minuten.
Was die Bereiche Produktion und Regie angeht, gehören Stephan Bosenius und Marc Gruppe nach wie vor zur Speerspitze ihrer Zunft. Die musikalische Untermalung der drei Märchen wird ausschließlich mit klassischen Instrumenten wie Oboe, Orgel, Trommel und diversen Streichinstrumenten eingespielt. Zur Eröffnung von "Gevatter Tod" ertönt zunächst ein dramtisch anmutendes Orchesterstück, welches beinahe nahtlos in eine treibende Melodie übergeht. Danach gibt es noch ein kurzes Stück von Beethovens "Neunter Symphonie", bevor eine tragende Streicherweise folgt. Gegen Ende erklingen dann noch Bachs "Toccata". Ganz zur Geschichte passend, beginnt "Das Lumpengesindel" mit einer fröhlichen Streichermelodie. Die heitere Stimmung wird mit einem entsprechenden Orchesterstück fortgeführt, während dann im Wirtshaus schwungvolle Walzermusik gespielt wird. Eine muntere Flötenmelodie beschliesst das Hörspiel.
Mindestens ebenso opulent ist auch die musikalische Untermalung der dritten und letzten Geschichte "Die drei Schlangenblätter". Eingangs gibt es eine orchestrale Weise inklusive Trommelwirbel, um die dramatische Schlachtszene angemessen zu akzentuieren. Anschließend wird eine tragende Geigenmelodie eingespielt, die schließlich in ein pompöses Orchesterstück mündet. Darüber hinaus bekommt man noch ein wenig Musik aus "Der Zauberlehrling" zu hören, ehe die Geschichte mit einem dramatischen Orchesterstück ausklingt.
Selbstverständlich hat jedes Märchen auch eine ganz eigene Geräuschkulisse. "Der Gevatter Tod" ist unter anderem mit prasselndem Kaminfeuer, heulendem Wind, Babygeschrei, einer knarrenden Tür und Donner ausgestattet. Besonders gut gefallen hat mir die Szene im Totenreich, wo das Wasser von der Decke tropft und an den Wänden herabläuft. "Das Lumpengesindel" punktet mit fröhlichem Vogelgezwitscher, dem Schlagen von Flügeln, einem rumpelnden und knarrenden Karren, sowie zerbrechenden Eierschalen und einigen "Comic"-Sounds. Hier haben mich vor allem die vielen Gäste im Wirtshaus überzeugt. Nicht ganz so gelungen finde ich das "Zaumzeug" der Ente, da die zu hörende Kette in meinen Ohren viel zu massiv klingt. Bei "Die drei Schlangenblätter" werden noch einmal alle Register gezogen: die Vögel zwitschern, während der Schlacht hört man Kanonen- und Gewehrschüsse und patriotisches "Hurra"-Jubeln, und im Schloß pfeift der Wind aus allen Ritzen. Highlight ist für mich die Szene in der Gruft: das schwere Tor schließt sich, Flaschen klimpern, und als die zischende, rasselnde Schlange auftaucht, wird eindrucksvoll ein Schwert aus der Scheide gezogen. Garniert ist das Ganze mit stetig tropfendem Wasser. Auch die Szene auf dem Meer ist akustisch eindrucksvoll gestaltet worden. Die Wellen brechen sich am Bug, die Möwen schreien sich die Lunge aus dem Leib, und als der Körper ins Wasser geworfen wird, dringt dem Hörer ein lautes Platschen ans Ohr. Der Einsatz von Effekten beschränkt sich vor allem auf Hall, mit dem die Stimmen von Gott und Teufel unterlegt sind, um deren Mächtigkeit zu unterstreichen, während der Hall beim Spruch der Königstochter verdeutlichen soll, daß dieser in der Vergangenheit getätigt wurde. Der eindrucksvollste Effekt ist für mich allerdings der langezogene Schrei, der langsam leiser wird, um den zunehmenden Abstand zu verdeutlichen.

Zu den Sprechern:
Peter Weis(Erzähler) übt diesen Part in allen drei Geschichten mehr als souverän aus. Seine Betonung ist stets punktgenau und immer mit dem richtigen Quentchen an Emotionen versehen. Seine leicht raue Stimme macht ihn einfach zu einem perfekten "Märchenonkel" im besten Sinn.

Der Gevatter Tod:
Der Auftritt von Ingeborg Kallweit(Mutter) fällt zwar relativ kurz, aber umso prägnanter aus. Ich fand sie äußerst passend besetzt als kummervolle, kinderreiche Mutter. Ihr zur Seite steht Lutz Reichert(Vater), der zwar ebenso besorgt wie sie ist, dies aber schnell vergisst, als es um den zukünftigen Paten des neugeborenen Sohnes geht. Noch kürzer ist allerdings der Auftritt von Marlene Bosenius(Säugling), die man nur als Baby schreien hört. Manfred Liptow(Gott) überzeugt in der Rolle des gütigen Allmächtigen, der sich über die ablehnende Haltung des Vaters ihm gegenüber doch sehr wundert. Die heisere Stimme von Thomas Balou Martin(Teufel) passt perfekt zu der Figur des Leibhaftigen, der versucht, die Patenschaft für sich zu gewinnen. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Martin May(Tod) als düsterer, erhaben wirkender Sensenmann, der gebieterisch über alle Lebenden herrscht und entschlossen seinen Willen durchsetzt. Tom Raczko(Jüngling) macht viel Spaß in seinem Part des sympathischen jungen Mannes, der zwar stets freundlich auftritt, aber trotzdem seinem Schicksal nicht entrinnen kann. Mindestens ebenso überzeugend agiert auch Jürgen Thormann(König) als von Krankheit gezeichneter Herrscher, der zunächst nur keucht und vor sich hin murmelt, bevor es ihm, dank des Medicus, wieder bessergeht. Seine Verzweiflung, als seine Tochter erkrankt, gibt ein beeindruckendes Zeugnis seiner Schauspielkunst. Patrick Bach(Minister) ist klasse als besorgter, unterwürfiger Höfling. Gleiches gilt für Uschi Hugo(Prinzessin) als zu allem entschlossene Thronfolgerin, die zunächst erleichtert und glücklich ist, bis auch ihr Schlimmes widerfährt.

Das Lumpengesindel:
Bernd Kreibich(Hähnchen) agiert überaus amüsant als älteres Federvieh, das alles "im Griff" hat und bei passender Gelegenheit gern mal einen Hahnenschrei ertönen lässt. Ihm ebenbürtig ist Arianne Borbach(Hühnchen) in der Rolle der gackernden Henne, die gegenüber ihrem "Mann" recht anspruchsvoll auftritt und ihn ständig anhält, ihre Wünsche zu erfüllen. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Philine Peters-Arnolds(Ente) als verärgert quakender Wasservogel, dem letztlich jedoch nichts anderes übrigbleibt, als dem Hähnchen zu gehorchen. In weiteren Nebenrollen treten noch Regina Lemnitz(Stecknadel) und Ingeborg Kallweit(Nähnadel) auf, erstere als etwas ruppige, letztere als freundliche und höfliche "Anhalterin", sowie Bert Stevens als zunächst ablehnender Wirt, der sich dann aber doch von seinen ungewöhnlichen Gästen umstimmen lässt.

Die drei Schlangenblätter:
Die Rolle von Hans Bayer(Vater) hat zwar nicht viel Text, aber es gelingt ihm trotzdem, ein überzeugendes Portrait des gramgebeugten älteren Mannes abzuliefern. Christian Stark(Sohn) brilliert als sein besorgter Nachwuchs, der entschlossen ist, seinen Vater zu entlasten und selbst sein Glück zu suchen. Sprecher-Urgestein Lutz Mackensy(König) gibt den Monarchen, der sich selbt am meisten leid tut, mit viel Gusto, aber sein Spiel verblasst sogar noch gegenüber der großartigen Reinhilt Schneider(Königstochter), die hier die ganze Bandbreite ihres Könnens zum Besten geben kann. Sie ist zunächst die gelangweilte, gegenüber dem Wunsch ihres Vaters ablehnende junge Frau, die extrem von sich überzeugt ist, nur um dann nach ihrer "Rettung" ihr wahres Gesicht zu zeigen. Dabei verändert sie ihre Stimme derart, daß man das Gefühl hat, auf einmal eine andere Sprecherin zu hören. In weiteren Nebenrollen sind noch Ferdi Özten(Diener) als verwunderter, treuer Domestike, sowie Martin May(Schiffer) als von der Königstochter begeisterter und letztlich verführter Schiffsführer zu hören.

Fazit:
Drei eher unbekanntere Märchen der Gebrüder Grimm, liebevoll und abwechslungsreich inszeniert.

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