Rezension: Herr der Fliegen
Verfasst: Mo 18.07.2011, 13:06
Herr der Fliegen - Das Hörspiel
Zum Inhalt:
Ein Flugzeug mit einer Gruppe Jungen stürzt auf einer einsam gelegenen Pazifikinsel ab. Diese erscheint ihnen zunächst wie das Paradies, zumal es keine erwachsenen Überlebenden gibt. Doch nach und nach verwandelt sich der vermeintliche Garten Eden in die Hölle.
Zur Produktion:
Der Herr der Fliegen ist der erste Roman von Sir William Golding (1911-1993) und erschien 1954. Bereits 1956 lag die deutsche Übersetzung vor, und das Werk wurde seitdem zweimal verfilmt. Während sich die erste Verfilmung (1963) noch dicht an das Buch hielt und sie der Autor persönlich überwachte, entfernt sich die Neuverfilmung (1990) doch sehr vom urprünglichen Text und wird daher zu Recht von der Mehrheit des Publikums abgelehnt. 1996 hat der MDR dann das vorliegende Hörspiel produziert, welches bereits 2002 vom Hörverlag veröffentlicht und jetzt durch eben diesen neu aufgelegt worden ist.
Bereits im Vorfeld war ich skeptisch, ob es gelingen würde, diese großartige Geschichte in nur 57 Minuten adäquat zusammenzufassen. Interessanterweise beginnt das Hörspiel mit dem Schluß, bei dem der falsche Eindruck entsteht, daß nur einer der Jungen überlebt hat. Der Rest der Handlung wird im Rückblick geschildert, um dann wieder bei der Eingangssequenz zu enden. Warum man diese Erzählweise, statt einer chronologischen Abfolge, gewählt hat, bleibt mir unverständlich. Wie schon von mir befürchtet, ist die Geschichte arg gestaucht worden. Ganze Handlungsstränge, wie zum Beispiel das Feuer und der damit verbundene Tod eines Jungen, fehlen ganz, andere werden stark verkürzt dargestellt. Der Herr der Fliegen, der im Roman erst relativ spät ins Spiel kommt, hat hier sehr früh seinen ersten Auftritt, was absolut keinen Sinn macht, zumal erst kurz vorher gesagt wird, die Insel sei bisher von Menschen unberührt gewesen. Woher aber sollte dann der aufgespießte Schweinekopf kommen? Es scheint als habe Gisela Pankratz, die für die Hörspielbearbeitung verantwortlich ist, beinahe wahllos verschiedene Fragmente des Romans herausgenommen und versucht, sie wieder zu einer kompletten Story zusammenzusetzen. Besonders gravierend ist die Tatsache, daß der Mord an Simon einfach mit dem Satz: "Jack erstach Simon" abgehandelt wird. Von der Tötung Piggys und mehrerer anderer Jungen, erfährt der Hörer erst am Schluß in einem Nebensatz. Gerade diese elementaren Sequenzen sind aber für das Verständnis der Handlung und der Intention des Autors essentiell. Völlig daneben ist auch die zusätzliche, mir völlig unbekannte, Zeile im Lied der Jäger. Während es im Original sinngemäß heist: "Stecht das Schwein, macht es tot, Blut fliesst rot", wurde hier noch ein "Speer im Arsch" eingefügt.
Doch vom Inhalt einmal abgesehen, gibt es auch noch einen anderen Kritikpunkt. Die Sprecher wirken alle viel zu alt für ihre Rollen. Nicht einer hört sich an wie ein Kind, stattdessen hat man den Eindruck, es handele sich bestenfalls um Jugendliche, eher schon junge Erwachsene. Das von den Zwillingen Sam und Eric nur Letzterer vorkommt, lässt sich wohl mit Kostenersparnis erklären. Wirklich gelungen fand ich hingegen die Geräuschuntermalung, bei der insbesondere der Klang der Signalmuschel für eine unheimliche Stimmung sorgt. Die Musikkompositionen von Wolfgang Lenk, Mitglied der Gruppe Die Prinzen, bestehen zwar stimmigerweise hauptsächlich aus Chorälen, werden aber für meinen Geschmack zu oft eingesetzt und untergraben damit die Dramatik einiger Szenen. Davon abgesehen klingen sie auch nicht so, als wären sie von Jungen gesungen worden. Apropos Dramatik. In vielen Passagen hören sich die Sprecher viel zu abgeklärt, ja beinahe unbeteiligt, an. Entweder liegt das daran, daß die Sprecher das Buch nicht kannten und anhand der Einzelszenen nicht wussten , wie sie diese betonen sollten, oder Regisseur Joachim Staritz hat hier einfach die Zügel zu locker gelassen.
Zu den Sprechern:
Der Einsatz von Marylu Poolman(Erzählerin) ist absolut überflüssig, da Axel Wandtke(Ralph), der Hauptcharakter, ihren Text eh zu 99 Prozent wiederholt. Wie schon oben erwähnt, klingen die Sprecher alle viel älter, als es ihre Rollen eigentlich verlangen. Davon mal abgesehen, ist Wandtke sehr gut als der von den Ereignissen überrollte und entsprechend verwirrte Junge. Götz Schweighöfer(Jack) legt die nötige Brutalität in seine Stimme und Christoph Zapatka(Simon) überzeugt mit seiner Darstellung als jemand, der bereits eine Weisheit besitzt, die jenseits seines Alters liegt. Dirk Audehm(Piggy), der in der Romanvorlage eine große Rolle spielt, bleibt leider ziemlich blass, was wohl dem wenigen Text zuzuschreiben ist, den er hier nur hat. Gleiches gilt für die anderen Nebencharaktere Alexander Zschiedrich(Roger), Wilhelm Eilers(Eric), Fabian Gerhardt(John) und Stephan Großmann(Jeremy). Auch Gert Gütschow(Offizier) gelingt es nicht, sich als Erwachsener von den anderen Sprechern abzuheben, was vermutlich daran liegt, daß er genauso alt klingt wie der Rest der Besetzung. Wirklich herrausragend ist jedoch Ulrich Wildgruber(Herr der Fliegen). Seine Art der Betonung, untermalt von diabolischem Gelächter, kann einen wirklich das Fürchten lehren und unterstreicht noch die Tatsache, daß er eigentlich eine Verkörperung des Teufels ist.
Fazit:
Ein Hörspiel, daß seiner literarischen Vorlage kaum gerecht wird und ohne den Erläuterungstext im Booklet fast unverständlich bleibt.
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