Rezension: Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
Antworten
Benutzeravatar
MonsterAsyl
Administrator
Administrator
Beiträge: 4425
Registriert: Do 29.05.2003, 00:04
Wohnort: Der Schädelberg

Rezension: Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius

Beitrag von MonsterAsyl »

Bild

Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius

Zum Inhalt:
Der Geigenbauer Tobias Guarnerius hat nur ein Ziel: Ein Instrument zu schaffen, daß seinem berühmten Vorbild Stradivari zur Ehre gereicht. Doch wie sehr er sich auch abmüht, es will ihm einfach nicht gelingen. Eines Tages fällt ihm jedoch ein Buch über Seelenwanderung in die Hände, und nun weiß er, wie er seinen ehrgeizigen Plan in die Tat umsetzen kann. Mit Hilfe einer selbstgebauten Apparatur überträgt er die Seele seiner sterbenden Mutter auf eine Geige. Doch diese Tat hat schreckliche Konsequenzen.

Zur Produktion:
Mit "Tobias Guarnerius" von Charles Rabou (06.09.1803-01.02.1871) stellt Titania das Werk eines eher vergessenen und mir völlig unbekannten französischen Schriftstellers vor. Rabou entdeckte erst nach einem bereits abgeschlossenen Jurastudium seine Leidenschaft für das geschriebene Wort. Um ihr nachzugehen, arbeitete er zunächst als Reporter für diverse Zeitungen, bis er schließlich mit anderen Gleichgesinnten die Zeitschrift "Paris Review" gründete. Unter deren Autoren befand sich auch der berühmte Honoré de Balzac, mit dem ihn bald eine innige Freundschaft verband. Das gegenseitige Vertrauen war so groß, daß Rabou Balzac seine unvollendeten Manuskripte zur Fertigstellung hinterließ. Diese kamen bei den Kritikern aber längst nicht mehr so gut an, wie Rabous selbstverfasste Werke.
Marc Gruppe, auch diesmal wieder der Verfasser des Hörspielskripts, hat sich weitgehend bemüht, nicht nur den Inhalt, sondern auch den Sprachstil des Übersetzers Ignaz Franz Castelli (06.03.1781-05.02.1862) beizubehalten. Einige der damaligen Begriffe haben sich in ihrer Bedeutung allerdings etwas verändert. So wirkt beispielsweise das Wort "entschlafen", statt "eingeschlafen", auf manchen modernen Hörer sicherlich befremdlich, da man es ja heutzutage eher im Zusammenhang mit "sterben" verwendet. Doch gerade diese Unterschiede zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch geben der Geschichte eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Ablauf und Inhalt stimmen im Großen und Ganzen mit der literarischen Vorlage überein, einige Erzählpassagen wurden aber zugunsten des Mediums 'Hörspiel' in Gespräche umgewandelt und als Rückblicke erzählt. In diesem Zusammenhang möchte ich eine subtile Änderung nicht unerwähnt lassen. Um das Grauen noch zu steigern, hat Marc Gruppe eine entscheidende Kleinigkeit variiert. Denn während die Mutter in der Originalgeschichte keine Ahnung von den Plänen ihres Sohnes hat, da sie bereits bewusstlos ist, bekommt sie hier durch einen von Gruppe verfassten zusätzlichen Dialog genau mit, was ihr bevorsteht. Weitere Szenen sind, von einigen wenigen neuen Sprechpassagen abgesehen, nicht eingefügt worden, und so verläuft die Handlung gradlinig und kurzweilig bis zum schaurigen Höhepunkt. Zusätzliche Details, wie die genaue Uhrzeit des ersten Konzerts mit der Geige, sind für den Verlauf irrelevant. Ausnahmsweise kann man diese Geschichte sogar auf Deutsch im Internet unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/tobias ... ius-5555/1 nachlesen, um selbst einen Vergleich anzustellen.
Für die musikalische Untermalung haben sich die beiden Produzenten Stephan Bosenius und Marc Gruppe vor allem am Leitmotiv der Erzählung orientiert, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Geige zum dominierenden Instrument wurde. Dem Sujet angemessen, sind die meisten Melodien eher düster gehalten, und selbst bei den eher heiteren Weisen schwingt immer ein getragener Unterton mit. Darüber hinaus sorgen noch Choral, Klavier und Synthesizer für eine Verdichtung der Atmosphäre. Die Geräuschkulisse fällt erwartungsgemäß üppig aus, und eine Vielfalt unterschiedlichster Laute verleiht jeder einzelnen Szene Lebendigkeit. Dem schaurigen Inhalt angemessen, gibt es ein rufendes Käuzchen, krächzende Raben, Donner und natürlich Kaminprasseln. Besonders gelungen fand ich die "beseelte" Geige, bei der ein tiefes Seufzen über den Ton gelegt wurde. Nicht so gefallen hat mir das Geräusch, welches die Seele der Mutter macht, während sie die Röhre durchwandert. Der Sound wirkte eher wie innerhalb einer größeren Blechtonne und nicht wie in einem engen Rohr. Davon abgesehen passen alle anderen Klänge aber perfekt zum Geschehen.

Zu den Sprechern:
Zurecht setzt das Label Titania Hasso Zorn(Erzähler) oft in dieser Funktion ein. Er besitzt genau das richtige Sprechtempo und beweist mit seiner nuancierten Betonung immer viel Gefühl für den Text. Von Timmo Niesner(Johann) gibt es leider weniger zu hören, als ich mir gewünscht hätte, denn er kann trotz seiner für mich viel zu kurz geratenen Auftritte immer überzeugen. Seine Darstellung des frierenden jungen Mannes ist dermaßen glaubhaft, daß ich erst mal die Heizung aufdrehem musste. Mindestens ebenso gut gefallen hat mir Peter Weis(Wirt) in seiner Rolle als Magistrat und Kneipier, der mit sonorer Stimme stellenweise zum zusätzlichen Erzähler wird. Sprecherisches Highlight ist aber ganz klar der titelgebende Charakter Tobias Nath(Tobias Guarnerius), welcher den besessenen Instrumentenbauer, der sich der ungeheuerlichen Tragweite seines Handelns zu spät bewusst wird, mit viel Elan interpretiert. Seine Wandlung vom skrupellosen Erfinder zum dahinsiechenden reuigen Sünder ist einfach brilliant. Auch die restlichen Sprecher machen ihre Sache gut. Kerstin Sanders-Dornseif(Brigitte Guarnerius) passt perfekt als alte Frau, die ihren Text am Schluss nur noch keuchend hervorstößt, und Max Schautzer(Bürgermeister) gefällt im Part des achtbaren, einflussreichen Gemeindeoberhaupts. Die Leistung von Peter Reinhardt(Sekretär) ist zwar durchaus angemessen, aber sein Spiel hätte für mich noch ein wenig emotionaler ausfallen dürfen. Patrick Bach(Prinz) agiert zwar auch etwas unterkühlt, aber zusammen mit seiner leicht hochnäsig klingenden Stimme, passt das ausgezeichnet zu einem Mitglied der Adelsklasse. In weiteren Nebenrollen treten auf: Luisa Wietzorek(Bedienstete) als genervtes Dienstmädchen, Tom Deininger(Diener) als gieriger, verschlagen wirkender Angestellter sowie Axel Malzacher(Polizist) als herrischer Gesetzeshüter. Jacques Breuer(Gefängnis-Geistlicher) ist der gütige Pfarrer, der Tobias in seiner letzten Stunde Trost zuspricht, und Frank-Otto Schenk(Priester) macht bei seiner Grabrede einen sehr würdevollen Eindruck. Monica Bielenstein(Frau), Arianne Borbach(Frau) und Cornelia Meinhardt(Frau) treten als verwunderte Gemeindemitglieder und als einige der Passanten vor Guarnerius Laden auf.


Fazit:
Schnörkellose Gruselgeschichte

Das Hörspiel Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius
gibt es bei
Amazon.de
oder bei
POP.de
Keeper of the Monsters

Bild
Antworten

Zurück zu „Grusel-Hörspiele“