Die Beute (Frankreich, 1966)
In einer mit teurem Plunder überladenen Pariser Stadtvilla lebt der aalglatte Geschäftsmann Saccard (
Michel Piccoli). Zum noblen Inventar des prestigeträchtigen Anwesens rechnen sich auch sein Sohn Maxime (
Peter McEnery) und seine deutlich jüngere, zweite Frau Renee (
Jane Fonda). Beide gleichermaßen als seine „Kinder“ betitelt und durch die häufige Abwesenheit Saccards sich selbst überlassen, vertreiben sie sich die Zeit mit allerhand dekadentem Schabernack, toben durch die Gänge, spielen Fangen und retten sich auf diese Weise über die sinnentleerten Tage im goldenen Käfig.
Im Eifer eines ihrer spielerischen Gefechte, kommt es unerwartet zu einer sexuellen Begegnung, die vor allem Renee ohne Zurück aus ihrem genügsamen Wohlstandsschlaf reißt. Fortan führen die beiden eine zunächst unbeschwerte Affäre, über der ihre sozialen Positionen und Saccards Unwissenheit wie ein Damoklesschwert schweben.
Bei einer verfrühten Heimkehr von Saccard passiert das Unvermeidliche, er findet Renees Kette in Maximes Bett und begreift. Seinen Sohn als Konkurrenz und sich selbst im Verlieren begriffen wahrnehmend, entwickelt er wieder lebhaftes Interesse an seinen menschlichen Besitztümern und meldet seine Ansprüche an. Gekonnt spielt er beide gegeneinander aus, indem er Renees Eifersucht anstachelt und geschäftstüchtig Maxime eine Tochter aus reichem Hause, Anne, als gute Partie und Rettung seines Vermögens aufdrängt.
Während Renee sich entschlossen ihrer Liebe hingibt, die Scheidung verlangt und ihr bisheriges Luxusleben an den Nagel zu hängen bereit ist, gibt sich Maxime nach kurzem Aufbäumen sichtlich gequält und in Angst vor dem Verlust seiner Privilegien seinem taktierenden Vater geschlagen und verlobt sich mit Anne. Renee findet sich schließlich auf dem Kostümfest anlässlich der Verlobung der beiden derangiert und im Delirium, von Saccard in ihren alten Fitnessraum verfrachtet wieder, in dem sie sich verloren und wankend im Spiegel betrachtet.
Man kann es wohl nicht anders als herzerfrischend und entzückend nennen, in was für Szenen voller liebenstrunkenem Übermut und Vernarrtheit Renee und Maxime sich anfänglich annähern und die museale Atmosphäre der Stadtvilla mit ihrer plötzlich entfachten Lebenslust durchbrechen. Begleitet von psychedelischer Musik und den flirrenden Klängen der Sitar, fallen Renee und Maxime in den erfüllenden Zustand von Selbstversunkenheit. Die kulissenhaft wirkende Einrichtung macht in diesen Sequenzen eine Wandlung zum Spielplatz und Wunderland durch, in dem Zerrspiegel die sexuelle Verschmelzung zeigen und der Wintergarten mitsamt Schwimmteich geradewegs aus einem Märchen entnommen wirkt. Viele dieser Aufnahmen sind von fotografischer Schönheit und könnten in erstarrter Form berechtigt einen Platz in einem Rahmen einnehmen.
Diese eindringliche Bildsprache setzt sich auch in der Darstellung des gemeinsamen Kurzurlaubs in den Pyrenäen fort, in dem die beiden zuerst Hals über Kopf mit ihrem Wagen in einem Tümpel auflaufen und ein erster Bruch der Idylle durch Renees unerwidertes Liebesbekenntnis entsteht, das vom zerbröckelnden Treiben eines Braunkohlebaggers begleitet wird.
Als Sohn reicher Eltern, dem mangels Bedarf von eigener Anstrengung im Leben jede Zielorientierung fremd ist, zeigt sich Maxime zusehends von Renees emotionaler Konsequenz überfordert und wird somit zum leichten Opfer seines manipulativen Vaters. Sein Aufstand im Puppenhaus misslingt und Saccard, daran gewöhnt, Geschäfte zu seinen Gunsten zum Abschluss zu bringen, triumphiert.
Mit intensiven Close-Ups der Gesichter der Protagonisten wird dabei immer wieder, vor allem bei Renee, eine starke mitfühlende Nähe erzeugt, die gerade in Momenten der Zerrissenheit fast körperlich spürbar wird.
Schmerzerfüllt beobachtet man dabei Renee besinnungslos gegen die Wand fahren, und auch, wie sie tränenüberlaufen und mit an die Scheiben gedrückten Händen das Verlobungsfest von Maxime mitansehen muss – nun als ausgesperrte Zuschauerin einer Welt, deren Teil sie einst war. Dabei trägt Maxime dieselbe Kostümierung vor seiner Vernunftverlobten Anne, die er bei seinem ersten sexuellen Erlebnis mit Renee fallengelassen hat.
Nach einem gescheiterten Versuch, sich im Wintergarten zu ertränken, isst Renee mutmaßlich von einer Giftpflanze, von der sie zuvor bereits in einer harmloseren Eifersuchsszene mit Maxime&Anne gekostet hatte. Pitschnass, orientierungslos und mit verzerrtem Blick, wandelt sie entgeistert durch die Feiergesellschaft, wird gefragt, was für eine eigenartige Kostümierung sie denn dort trage, bis Saccard sie entdeckt und in Sorge um einen Skandal wie ein störendes Element aus der Szenerie entfernt. Auch mit Maxime, der am Rande stehend und mit niedergeschlagenem Ausdruck seine Maskerade abwischt, verfährt er im Anschluss ebenso.
Saccards Bereichtschaft, für Ansehen und Erfolg über Leichen zu gehen, findet in der vielfach angerufenen Jagd- und Theatermetaphorik seine Entsprechung. Dabei prallen Renees und Maximes drollige Verspieltheit und ihre arglosen Nachstellungen mit Saccards routiniertem Pflegen der prätentiösen Maskerade und seinen berechnenden Schachzügen aufeinander, mit denen er die Oberhand behält und beide seinem Belieben nach an der Strippe tanzen lässt. Der totbringende Ernst der Jagd bricht über die Liebschaft ein und hinterlässt für Saccard ein weiteres Erfolgserlebnis, in Maxime einen kleinlauten Verlierer und in Renee das zugrunde gerichtete Überbleibsel eines bestialischen Gesellschaftsspiels.
Es ist eine Schande, dass
Die Beute bislang keinerlei deutsche Veröffentlichung erhalten hat.
Roger Vadim ist hier zwei Jahre vor
Barbarella (1968) bereits ein großer Wurf gelungen, wenn auch mit deutlich ernsterem und ruhigerem Ton.
Immerhin bleibt aber die beruhigende Gewissheit des Filmgourmets, mit einer herausfordernden 100km-Fahrt zu später Stunde und unter der Woche zweifelsfrei einen guten Fang für die Erinnerung gemacht zu haben.
![Bild](http://abload.de/img/beute1bhb2b.png)