Rezension: Gruselkabinett - 100 - Träume im Hexenhaus
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Rezension: Gruselkabinett - 100 - Träume im Hexenhaus
Gruselkabinett - 100 - Träume im Hexenhaus
Zum Inhalt:
Angeregt durch die bewegte Vergangenheit seines Studienortes Arkham, untersucht der junge Mathematikstudent Walter Gilman, ob es Verbindungen zwischen Magie und Geometrie gibt. Zu diesem Zweck mietet er das Dachgeschoss eines mehr als zweihundert Jahre alten Hauses, das die Hexe Keziah Manson im 17. Jahrhundert erbauen ließ. Nach und nach beginnt er Zusammenhänge zwischen dem verwinkelten Zimmer und der vierten Dimension zu erkennen, und das Unglück nimmt unaufhaltsam seinen Lauf.
Zur Produktion:
Es ist nun fast genau 11 Jahre her, daß Titania die Reihe Gruselkabinett begonnen hat. Mittlerweile sind sie beachtlicherweise bei der 100. Folge angelangt. Dazu möchte ich das Label erst einmal beglückwünschen und mich als Hörer für viele, viele Stunden stimmungsvollen Hörgenuss bedanken! Anlässlich des Jubiläums spendiert Titania seinen zahlreichen Fans nicht nur eine weitere knapp 67 Minuten lange Geschichte des berühmten Autors H.P. Lovecraft(20.08.1890-15.03.1937), sondern liefert darüber hinaus mit einer beigelegten DVD einen rund 50 minütigen Blick hinter die Kulissen. Auf diese werde ich im Anschluss noch kurz gesondert eingehen, doch zunächst zurück zum Hörspiel. Ehrlich gesagt, konnte ich mir nach dem Lesen der Geschichte überhaupt nicht vorstellen, wie diese adäquat vertonbar sein sollte und war entsprechend gespannt auf das Ergebnis. Dabei zeigte sich dann schnell, daß auch Skriptautor Marc Gruppe nichts anderes übriggeblieben ist, als sich stellenweise von der ursprünglichen Geschichte zu lösen und diverse Änderungen vorzunehmen. So handelt es sich beispielsweise beim Intro um eine Sequenz, die bei Lovecraft erst viel später und dann auch kürzer abgehandelt wird, und Walter Gilmann findet in der Originalgeschichte das Haus der Hexe allein, während ihm im Hörspiel Keziah persönlich den Weg zeigt. Die gravierendsten Abweichungen von der literarischen Vorlage sind aber die Schilderungen der Alpträume des Mathematikstudenten, die Marc Gruppe fallenlassen musste, da es unmöglich gewesen wäre sie akustisch darzustellen. Trotz dieser notgedrungenen Kürzungen, gelingt es Gruppe, den Stil und die von Lovecraft geschaffene Atmosphäre des Grauens perfekt auf das Medium Hörspiel zu übertragen. Daß er den Abrisstermin des Hauses in den Mai verlegt hat, statt ihn, wie in der ursprünglichen Geschichte, im März zu belassen, spielt keine Rolle, und auch das ein wenig kürzer ausfallende Ende stellt keinen echten Verlust dar. Grauenerregend bleibt es trotzdem.
Wer sich nun Walter Gilmans fiebergeschwängerte Alpträume selbst noch mal vor Augen führen will, kann die Geschichte im Internet unter http://en.wikisource.org/wiki/The_Dream ... itch-House im englischen Original oder unter http://hplovecraft.de/index.php?id=werke in einer deutschen Übersetzung nachlesen.
Auch in dieser Folge ziehen die Labelchefs Stephan Bosenius und Marc Gruppe alle Register, was die Bereiche Produktion und Regie angeht. Passend zur düsteren Handlung, verzichten sie beinahe vollständig auf zusammenhängende Melodien und setzen stattdessen auf dunkle Synthesizertöne. Diese eher atonalen Sounds bilden eine kongeniale akustische Umsetzung der seltsamen Laute, die Gilman Lovecraft zufolge immer wieder hört. Die wenigen Melodien, welche zum Einsatz kommen, sind ruhig gehalten und stehen teilweise in Kontrast zum eher dringlichen Geschehen. Neben dem omnipräsenten Synthesizer, erklingen aber auch klassische Instrumente, wie Geige, Bass und Harfe. Bis auf die Wesen in der vierten Dimension, sind die zahlreichen übrigen Geräusche, wie das tropfende Wasser im Kerker, quietschende und knarrende Türen oder die schreienden Möwen, rein irdischer Natur. Sie wirken aber so authentisch, daß sie das Geschehen noch realer erscheinen lassen. Dazu tragen auch diverse Soundeffekte bei, wie etwa das Abdämpfen von Stimmen, die sich hinter einer Tür befinden oder die leisere Einspielung des Hauswirts, als er von unten die Treppe hinaufruft.
Jetzt noch ein paar kurze Anmerkungen zu der DVD. In den etwas mehr als 50 Minuten kommen neben Marc Gruppe und Stephan Bosenius auch einige Sprecher zu Wort, die im Drehzeitraum Oktober 2013 bis Dezember 2014 gerade für Titania tätig waren. Man erhält viele Informationen zum kreativen Werdegang und der Arbeitsweise von Marc Gruppe, denn obwohl Stephan Bosenius immer in den Bereichen Produktion und Regie genannt wird, ist er doch wohl hauptsächlich für den geschäftlichen Bereich und die Vermarktung zuständig. Besonders interessant finde ich es zu sehen, dass das Hörspiel, allein nur für Aufnahme, Mix und Mastering, durch drei unterschiedliche "Hände" läuft. Sehr schön auch, wie auf den verstorbenen Coverzeichner Firuz Ascin noch einmal ausführlicher eingegangen wird und man dessen Bilder groß und ohne den sonst üblichen "Säulenrahmen" zu sehen bekommt. Ich hätte mir sehr gewünscht, meiner Lieblingssprecherin Reinhilt Schneider ebenfalls "filmisch" zu begegnen, aber man kann eben nicht alles haben. Außerdem wäre es für mich noch aufschlussreich gewesen, etwas über die Wahl der Gruselkabinett-Vorlagen zu erfahren oder auch darüber, nach welchen Gesichtspunkten die Musik ausgesucht wird. So oder so ist das Ganze aber ein netter, informativer Bonus für die Hörer.
Zu den Sprechern:
Hasso Zorns(Erzähler) brummige Stimme passt ausgezeichnet für den Erzählertext, und daß Hannes Maurer(Walter Gilman) bereits im zarten Alter von zehn Jahren seine Karriere als Hörspielsprecher begann, hört man sofort. Er ist perfekt in der Rolle des jungen, noch unsicheren Mannes, dessen furchtbare Alpträume sich von Mal zu Mal steigern. Für mich gibt es keine geeignetere Sprecherin als die großartige Dagmar von Kurmin(Keziah Mason), um eine Hexe darzustellen. Von Kurmin spricht ihre Rolle mit der gebotenen Boshaftigkeit, und ihr höhnisches Gelächter bleibt dem Hörer lange im Gedächtnis. Gleiches gilt für Marc Gruppe(Brown Jenkin), der auch mein sprecherisches Highlight der Folge ist. Er portraitiert Keziahs Vertrauten mit harter, heiserer Stimme, wenn er nicht gerade keucht oder hechelt. Mit seiner Darstellung entspricht er vollkommen meiner Vorstellung von diesem brutalen, verschlagenen Mischwesen. Hans-Georg Panczak(Prof. Upham) intoniert Walters besorgten Lehrer dermaßen souverän, daß man komplett vergisst, daß er diesen Part nur spielt. Beinahe ebenso überzeugend ist Hans Bayer(Dombrowski) als grobschlächtiger Hauswirt, der der Rattenplage einfach nicht Herr wird. Wilfried Herbst(Mazurewicz) ist der unüberhörbar verängstigte Nachbar Walters, der in seinem Leben schon zu viel erlebt und gesehen hat. Louis Friedemann Thiele(Frank Elwood) spricht den freundlichen, hilfsbereiten Mitkommilitonen von Walter, den die unheimliche Atmosphäre in dem Haus fast nur noch eingeschüchtert flüstern lässt, und Horst Naumann(Richter Hathorne) ist der gnadenlose, von Keziahs Schweigen verärgerte Richter. In weiteren Nebenrollen treten noch Johannes Raspe(Gefängniswärter) als schmieriger, etwas simpel wirkender Aufseher und Roland Hemmo(Schwarzer Mann) als gebieterischer Herrscher mit tiefer Stimme auf.
Fazit:
Geschickte Adaption der schwierigen literarischen Vorlage.
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