Rezension: Gruselkabinett - 143 - Der Wolverden-Turm
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Rezension: Gruselkabinett - 143 - Der Wolverden-Turm
Gruselkabinett - 143 - Der Wolverden-Turm
Zum Inhalt:
Maisie Llewelyn ist nicht wenig überascht, als sie zur Weihnachtszeit eine Einladung der Millionärin Mrs. West erhält. Diese war eine gute Freundin ihrer Eltern, und da das Anwesen der Wests, "Wolverden Hall" in Kent, nach der aufwendigen Renovierung eine wahre Sehenswürdigkeit geworden ist, freut sich die junge Frau auf den Aufenthalt. Zur Zerstreuung ihrer Gäste hat Mrs. West für den Abend sogenannte "Tableaux Vivantes" organisiert. Maisie ist begeistert von den "lebenden Bildern", und besonders zwei junge, außergewöhnlich schöne Darstellerinnen erregen ihr Interesse...
Zur Produktion:
Einer der Aspekte, den ich so an der Reihe "Gruselkabinett" schätze, ist die Vielfalt an Vorlagen-Autoren. Besonders freue ich mich, wenn, so wie hier, die Geschichte eines für mich völlig unbekannten schriftstellers die Grundlage des Hörspiels bildet. Der Kanadier Charles Grant Blairfinide Allen (24.02.1848 - 25.10.1899) war vor allem für seine wissenschaflichen Abhandlungen und Romane bekannt und galt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als öffentlicher Förderer der Evolutionstheorie, einer Ansicht, mit der man sich damals nicht nur Freunde machte. In zahlreichen Artikeln über Blumen und die Beobachtung von Insekten ersetzten seine darwinistischen Argumente die althergebrachten Vorstellungen, was zu einer radikal neuen Ansicht über Pflanzen führte. Seine Schriften beeinflussten nicht nur H.G. Wells, sondern veränderten auch die spätere biologische Forschung.
Zwischen 1884 und 1899 schrieb er rund 30 Romane, von denen "The Woman who did" im Jahr 1895, aufgrund bestimmter Ansichten über die Ehe und das Miteinander, zum Stadtgespräch wurde.
Darüber hinaus zählt Allen zu den Pionieren des Science-Fiction-Genres, sein Zeitreiseroman "The british Barbarians" erschien ungefähr zeitgleich mit Wells' berühmtem Werk "Die Zeitmaschine" (Gruselkabinett 123), erreichte jedoch nie dessen Popularität.
1899, mit erst 51 Jahren, erlag er einem Leberkrebsleiden, und die letzte Geschichte, welche er nur noch vom Bett aus seinem Freund, Arzt und Nachbarn Sir Arthur Conan Doyle diktierte, erschien makabererweise im Jahr 1900 im "Strand Magazine" unter dem Titel "The Episode of the Dead Man who spoke."
Für dieses Hörspiel hat Titania-Medien auf seine Kurzgeschichte "The Wolverden Tower", erstmals in der "Illustrated London News" am 23.11.1896 veröffentlicht, zurückgegriffen. Skriptautor Marc Gruppe bleibt, bis auf die Wandlung eines Großteils des Textes in Dialoge bzw. Spielszenen, wie gewohnt inhaltlich dicht an der schriftlichen Vorlage. Es gibt keine zusätzlichen Szenen, welche die Geschichte unnötig strecken würden und ledigliche eine auffällige Kürzung. Wer die Geschichte gelesen hat, im Internet im englischen Original unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0602451h.html zu finden, wird nämlich feststellen, daß der Reim, den die alte Bessie vor sich hinmurmelt, hier nur noch aus zwei Zeilen besteht. Auch wenn ich generell kein Freund solcher Streichungen bin, muss ich doch sagen, daß dies dem Hörspiel zugute kommt, da die Verse einfach zu viel verraten.
Erfahrene Gruselkabinett-Hörer werden natürlich schnell ahnen, in welche Richtung das Ganze inhaltlich geht, denn allein schon das wunderschön gestaltete Cover weist darauf hin. Aber es macht trotzdem viel Spaß, der gradlinig verlaufenden Handlung, die unaufhaltsam ihrem gruseligen Höhepunkt entgegensteuert, bis zum Schluß der rund 43 Minuten Spielzeit zu folgen. Apropos Höhepunkt. Selbiger ist dem Skriptautor weitaus knackiger und dramatischer gelungen als Grant, da sich dieser für meinen Geschmack zu sehr in unwichtigen Details der Zeremonie verliert. Entgegen vieler anderer Folgen, welche zumeist tragisch für die Protagonisten enden, darf man sich hier, passend zum Setting in der Weihnachtszeit, über ein Happy-End freuen.
Da es sich um eine eher ruhige Geschichte handelt, fällt auch die musikalische Untermalung der einzelnen Szenen dementsprechend aus, und die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe spielen vor allem leichte, melancholisch angehauchte Melodien ein. Neben diesen schönen Weisen, zu denen ein Walzer gehört, ist es vor allem das episch anmutende Abschlussstück, bei dem auch Flöten und Trommeln ertönen, welches dem Hörer nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Hier werden gleichzeitig die Instrumente der viktorianischen Zeit (zB. Geigen) und der der Kelten (zB. Trommeln) verwendet, um so gekonnt eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der (Handlungs-) Gegenwart zu schlagen.
So harmonisch wie die musikalische Untermalung, fällt auch die Geräuschkulisse aus. Schon der zu Beginn einfahrende Zug mit seiner schrillen Pfeife, versetzt den Hörer unmittelbar an den kleinen Bahnhof, und der unter den Schritten leicht knirschende Schnee sowie die heiser krächzenden Raben, sorgen für ein perfektes Winterambiente. Akustisches Highlight ist aber sicherlich die Szene auf dem Turm mit dem nahenden Sturm. Da heult der Wind, der Donner grollt am Himmel, und Blitze scheinen bedenklich dicht am Ohr des Hörers einzuschlagen. Effekte-"Hascherei" sucht man hier vergebens, diese bleiben unauffällig im Hintergund und beschränken sich auf den "Nachhall" des Gesagten innerhalb von "Wolverden Hall" oder die sanfte technische Dämpfung der Stimmen, um den schallschluckenden Schnee zu veranschaulichen.
Zu den Sprechern:
Da der Erzählertext auf ein Minimum reduziert worden ist, kommt Peter Weis(Erzähler) nicht allzu oft zum Einsatz, doch wenn er spricht, schlagen einen seine heisere Stimme und der immer gefühlvoll betonte Vortrag sofort in den Bann. Außerdem bietet er einen wunderbaren Kontrast zu den überwiegend weichen Stimmen der anderen Protagonisten, wie beispielsweise die von Hauptdarstellerin Annina Braunmiller-Jest(Maisie Llewelyn) in ihrer Rolle des naiven, jungen Gastes, welcher die unheilvollen Vorzeichen einfach nicht erkennt und dem Charme der beiden freundlichen, jungen Frauen Kristine Walther(Yolande) und Reinhilt Schneider(Hedda) hoffnungslos erliegt. Walther und Schneider liefern sich dabei förmlich einen Wettstreit in Lieblichkeit und Verführungskunst. Zumindest bei mir hätte schon die Becircung durch eine dieser todesbegeisterten Sirenen ausgereicht, um mein Schicksal zu besiegeln. Dagmar von Kurmin(Mrs. West) fand ich gut als reiche, herzensgute, alte Dame, die sich sehr über das merkwürdige Gebaren ihres Besuches wundert. Noch besser gefiel mir allerdings Beate Gerlach(Alte Bessie) mit ihrer Darstellung der wirr erscheinenden, unheimlichen Greisin, die mehr über "Wolverden Hall" weiß, als sonst jemand. Louis Friedemann Thiele(Student) leiht seine Stimme dem Hochschüler, der Maisie zwar sympathisch, aber seltsam findet, und Bodo Primus(Hohepriester) kann als fanatischer, keltischer Schamane ebenso überzeugen, wie der Auftritt von Claus Thull-Emden(Arzt) als besorgter Doktor.
Fazit:
Formvollendetes, gruseliges Vergnügen, nicht nur für die kommenden Winterabende.
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