Rezension: Gruselkabinett - 159 - Das kalte Herz

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 159 - Das kalte Herz

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Gruselkabinett - 159 - Das kalte Herz

Zum Inhalt:
Der arme Köhlersohn Peter Munk verzweifelt an seinem Leben und will es unbedingt ändern, koste es, was es wolle. Er erinnert sich an die Legende vom Glasmännlein, welches angeblich allen an einem Sonntag zwischen elf und zwei Uhr Geborenen drei Wünsche erfüllt. Da auch er dann zur Welt gekommen ist, zieht er in den Wald, um sein Glück zu versuchen. Doch dort wartet schon der finstere Holländer-Michel auf ihn...

Zur Produktion:
Den einen oder anderen mag es überrascht haben, daß Titania Medien sich ausgerechnet ein Märchen bzw. eine Sage für diese Folge der Reihe Gruselkabinett ausgesucht hat. Dabei sollte man aber nicht vergessen, daß die Geschichten ursprünglich nicht für Kinder, sondern für Erwachsene gedacht waren. Gerade dieser Text beinhaltet etliche Sujets und Details, die für Kinder doch eher ungeeignet, aber stattdessen genau das Richtige für ein Grusel-liebendes älteres Publikum sind. Trotzdem gab es im Zeitraum 1948 bis 2014 bereits neun Radiohörspiel-Versionen und ebenso viele Verfilmungen, welche jedoch vielfach nicht als sonderlich vorlagengetreu anzusehen sind.
Der Schriftsteller Wilhelm Hauff (29.11.1802 - 18.11.1827) studierte zunächst an der Universität Tübingen Theologie, wo er zum Dr.phil. promovierte. Von 1824 bis 1826 war er als Hauslehrer in Stuttgart tätig und reiste anschließend durch Frankreich und Norddeutschland. Bereits in der Stuttgarter Zeit, im Jahr 1825, begann er mit der Veröffentlichung einiger Novellen ("Memoiren des Satan", "Othello") sowie seines ersten Märchenalmanachs. Die literarische Vorlage zu diesem Hörspiel ("Das kalte Herz") erschien aber erst zwei Jahre später in dem Band "Märchenalmanach auf das Jahr 1828 für Söhne und Töchter gebildeter Stände". Interessanterweise bildet die ebenfalls sehr bekannte Sage "Das Wirtshaus im Spessart" hier die Rahmenhandlung, was meiner Meinung nach jedoch den Lesefluß erheblich stört, da der Text die Geschichte um Peter Munk quasi unterbricht. Wer sich selbst ein Bild davon machen will, wie Hauff den "Aufbau" gestaltet hat, der findet die Erzählung im Internet unter https://de.wikisource.org/wiki/Das_kalt ... _Abteilung bzw. https://de.wikisource.org/wiki/Das_kalt ... _Abteilung. Skriptautor Marc Gruppe hat die Wirtshaus-Geschichte nicht in sein Hörspielmanuskript einfließen lassen. Abgesehen von dieser mehr als verständlichen "Kürzung", hat er aber so gut wie jedes Detail aus der Vorlage übernommen. Die Eröffnung des Hörspiels entspricht zunächst 1:1 Hauffs Geschichte, wobei der erste Satz auch nicht "Es war einmal..." lautet, eine Floskel die hauptsächlich zur zeitlichen Einordnung und damit der Beruhigung von Kindern dient, sondern mit den Worten "Wer durch Schwaben reist, der sollte..." beginnt, was eher an einen Reisebericht erinnert. Allein dieser Anfang sorgt schon für eine ganz andere Rezeption beim Leser bzw. in diesem Fall beim Hörer. Der erste gravierende Unterschied zwischen Hörspiel und Erzählung ist schon im dritten Absatz festzustellen. Während Hauff dort bereits auf die Waldgeister und deren Aussehen und Kleidung eingeht, lässt Gruppe diese Passage wohlweislich weg. Dadurch steigt die Spannungskurve bei ihm zwar zunächst etwas gemächlicher, aber der erste Auftritt des Schatzhausers und des Holländer-Michels fällt so wesentlich eindrucksvoller aus. Um das Geschehen flüssig voranzubringen, fallen einige für die Handlung nicht relevant Details weg. So hat Peter Munk hier keinen Schwarzdornstock, und während er bei Hauff drei Burschen singen hört, um auf diese Weise zu den ihm fehlenden Zeilen des Reims zu kommen, erinnert er sich bei Gruppe von selbst an sie. Ich war ein wenig überrascht, daß Titania Medien, trotz der großzügig bemessenen Laufzeit von insgesamt knapp 95 Minuten, verteilt auf jeweils ca. 47 Minuten pro CD, ausgerechnet diese Szene wegfallen gelassen hat. Illustriert sie doch auf eindrucksvolle Weise, wie rau der Umgang miteinander damals sein konnte. Übrigens kommt später noch einmal eine beinahe identische Prügelszene vor, die man ebenfalls vergeblich im Hörspiel sucht. Da die Geschichte inzwischen fast 200 Jahre alt ist, finden sich dort natürlich etliche Begriffe, welche heute nicht mehr gebräuchlich sind bzw. anders geschrieben wurden und die der Skriptautor mit Bedacht an die heutige Zeit angepasst hat. So wurde aus dem "Flooz" das heute bekannte "Floß", aus den acht "Glaich" wurde die gleiche Anzahl "Glieder", aus der Kammer des Holländer-Michels ein wesentlich passenderer "höhlenartiger Raum" und aus "knöcheln" (abgeleitet vom Material der Würfel [Knochen]) das uns bekannte "würfeln". Neu hinzugekommen ist die Erwähnung der "leichten Mädchen", um die Verderbtheit innerhalb des Wirtshauses noch zu unterstreichen.
Nebenbei bemerkt, handelt es sich in der Szene mit der Schlange, welche sich schon fest um Peter Munks Arm gewickelt hatte, mit ziemlicher Sicherheit um eine Schlingnatter. Diese werden zwar nicht so groß wie in der Geschichte, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie fest sich diese Tiere um den Arm schnüren, wenn man sie aufhebt.
Weitere kleinere Veränderungen betreffen unter anderem das steinerne Herz, welches bei Hauff aus "Marmelstein" und bei Marc Gruppe lediglich aus "Stein" ist, und die Tatsache, daß Peter Munk mit dem Peitschenstiel und nicht einfach nur mit der Peitsche zuschlägt. Gerade dieses letztgenannte Detail finde ich besonders wichtig, da nur so die fatale Wirkung des Hiebes zu erklären ist.
Ebenso sinnvoll ist die Ergänzung des "Vater unser" durch den Skriptautor, eine Stelle, bei der Hauff, mit den Worten "...zu beten, was ihm nur beifiel...", meiner Meinung nach etwas zu vage blieb. Unterm Strich hat es mich mal wieder beeindruckt, wie es Marc Gruppe gelungen ist, die dichterische Vorlage in ein ausgefeiltes, in allen Punkten überzeugendes Skript zu verwandeln.
Für ein gutes Hörspiel spielt die adäquate Umsetzung natürlich eine ebenso wichtige Rolle. Hier gehen die beiden Produzenten Stephan Bosenius und Marc Gruppe immer mit äußerster Akribie zu Werk. In Bezug auf die Geräusche ist zunächst unbedingt der mal heulende, dann wieder brausende Wind zu nennen, welcher durch die Tannen rauscht und immer zu hören ist, sobald eine der Figuren sich im Wald befindet. Dazu gesellen sich teilweise ein rufender Kuckuck oder diverse andere Vögel, die fröhlich durcheinanderzwitschern. Den Ton, den der zerbrechende Holzstab macht, finde ich ein wenig zu schwach, wohingegen das zersplitternde Glas der Pfeife auf den Punkt trifft. Die Atmosphäre im Wirtshaus mit dem Stimmengemurmel der Gäste, den dezent im Becher klackernden Würfeln und dem Aneinanderstoßen der Gläser, ist mehr als angemessen in Szene gesetzt, und beim Gewitter im Wald mit dem lauten Donner und den krachend einschlagenden Blitzen, wird dem Hörer das Gefühl vermittelt, selbst dem peitschenden Regen ausgesetzt zu sein. Das akustische Highlight in dieser Folge sind aber sicherlich die schmatzenden Töne, welche die Entnahme und Wiedereinsetzung des Herzens begleiten.
Was die Musik betrifft, so unterstreichen dunkle Synthesizersounds den Wind im Wald, und je nachdem, was die Szene verlangt, klingen die mit Klavier, Blas- und Streichinstrumenten intonierten Melodien mal düster und drohend, mal heiter und beschwingt. Manchmal sind nur einzelne Instrumente zu hören, dann wieder ein ganzes Orchester, immer angepasst an das jeweilige Geschehen.
Gegen Ende des Hörspiel unterstützt ein unauffällig eingespielter Choral das geradezu episch anmutende Musikstück.
Der Einsatz von Effekten beschränkt sich auf die Unterlegung einiger Stimmen mit Hall. Auf diese Weise klingt beispielsweise der Holländer-Michel voluminöser und damit bedrohlicher und das Flehen der Mutter eindringlicher. Besonders wirkungsvoll ist der laute Herzschlag, indirekt ja auch das Thema des Hörspiels.

Zu den Sprechern:
Die leicht heisere Stimme von Peter Weis(Erzähler) macht ihn zum perfekten "Märchenonkel". Seine Betonung ist immer punktgenau, darüber hinaus lässt er genau das richtige Quentchen Emotion in seinen Vortrag einfließen. Hauptdarsteller Jonas Minthe(Peter Munk) überzeugt in allen Szenen als von Ehrgeiz getriebener junger Mann, der zunächst einfach noch etwas unreif für das Leben erscheint, den aber seine Erfahrungen schlussendlich doch lehren, was wirklich zählt. Da er zunächst der nette, unverdorbene Jüngling ist, kommt es auch für den Hörer beinahe wie ein Schock, als er seinen Gefühlen freien Lauf lässt und unbeherrscht und brutal agiert. Wirklich eine großartige Leistung dieses Sprechers! Ebenfalls ideal besetzt ist Regina Lemnitz(Barbara Munk) als seine leidgeprüfte Mutter, die nur das Beste für ihren zeitweilig sehr schwierigen Sohn will. Ihr hustendes Flehen geht einem mehr als zu Herzen. Gudo Hoegel(Schatzhauser) gibt wirklich alles bei seinem Portrait des Glasmännleins. Er spricht den guten Waldgeist mit ein wenig höherer Stimme, die ausgezeichnet zu dem kleinen Kerlchen passt. Das seine Figur auch durchaus bedrohlich wirken kann, beweist er an der Stelle im Hörspiel eindrucksvoll, wo Peter ihn herablassend behandelt. Ganz anders, aber in keinem Fall schlechter, hat Uli Krohm(Holländer-Michel) den Herrn des Waldes in Szene gesetzt. Seine dröhnende Stimme macht von vorneherein klar, daß mit ihm nicht zu spaßen ist. Selbst wenn er geradezu verführerisch säuselt, um das zu bekommen, was er haben will.
Gleich auf mit Peter Weis ist auch Horst Naumann(Alter) als archaischer Erzähler der Holländer-Michel Sage. Bert Stevens(Holzherr / Wirt) kommt gleich zweimal zu Wort, einmal als leicht überheblicher Forstbesitzer, einmal als jovialer Gasthausbetreiber. Das diese Doppelbesetzung nicht weiter auffällt, ist unter anderem seinem sprecherischen Talent zu verdanken.
Jean Paul Baeck(Der dicke Ezechiel) macht viel Spaß in seiner Rolle des brummigen, übellaunigen Spielers, der sich längst seinem Schicksal ergeben hat. Ihm zur Seite steht Louis Friedemann Thiele(Tanzbodenkönig) als argwöhnischer, äusserst oberfläch wirkender Meistertänzer. Passend zu seinem Part spricht Nils Kreutinger(Amtmann) den Beamten mit harter Stimme, während Edda Fischer(Frau) und Marlene Bosenius(Kind) steinerweichend um Nachsicht bzw. um Brot flehen. Max Schautzer(Holzhauer) intoniert den freundlichen, gutgelaunten Vater der unvergleichlichen Reinhilt Schneider(Lisbeth). Für mich gibt es niemanden, der besser geeignet gewesen wäre, die Figur der fröhlichen, liebreizenden Tocher zu sprechen, die nicht ahnen kann, was auf sie zukommt.
In weiteren Nebenrollen sind noch Matthias Lühn(Mann) und Detlef Bierstedt(Mann) als spöttelnde Klatschmäuler sowie Dana Fischer(Wirtshausgast), Jennifer Rohde(Wirtshausgast) und Katharina Siller(Wirtshausgast) als leichte Mädchen zu hören, die Peter und sein fragwürdiges Verhalten feiern.

Fazit:
In Duktus und Machart ein wunderbar inszeniertes Märchen für Erwachsene.

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