Rezension: Sherlock Holmes - 54 - Tod eines Giftforschers
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Rezension: Sherlock Holmes - 54 - Tod eines Giftforschers
Sherlock Holmes - 54 - Tod eines Giftforschers
Zum Inhalt:
Advokat Alfred Humber sucht den Meisterdetektiv Sherlock Holmes in einer ungewöhnlichen Angelegenheit auf. Sein alter Freund George Sinclair, ein Amateurtoxikologe, soll auf Grund von Zerstreutheit versehentlich Selbstmord begangen haben. Doch das kann und will Humber einfach nicht glauben und bittet deshalb Holmes, sich den Ort des Geschehens einmal anzusehen...
Zur Produktion:
"The Paper Stamp", so der englischsprachige Originaltitel erschien erstmals im Dezember 1933 im "The Strand Magazine", bevor die Geschichte 1936 in den Sammelband "Ask for Ronald Standish" aufgenommen wurde. Es ist für Titania Medien bereits die 17. Adaption eines "Standish"-Abenteuers, und wie üblich musste Hörspielskriptautor Marc Gruppe in der von Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937) verfassten Geschichte nicht nur die Namen der beiden Hauptcharaktere ändern, um das Geschehen wieder im Viktorianischen Zeitalter anzusiedeln. Dementsprechend wurde aus dem Telephon das damals übliche Telegramm, aus dem Auto die Droschke und aus der Grammophonnadel eine Stopfnadel. Neben einigen schmückenden Adjektiven wie beispielsweise "aufmerksam" im Zusammenhang mit dem Zeitungslesen, "ungemütlich" in Bezug auf die Zelle oder "plump" in Verbindung mit dem Ablenkungsmanöver, gibt es auch ein paar zusätzliche Dialoge, allen voran das Gespräch zwischen Holmes, Watson und Mrs Hudson zu Beginn des Hörspiels oder der unwesentlich erweiterte Schluss. Daß Gruppe aus der ursprünglichen Schankfrau einen Gastwirt gemacht hat oder nicht auf das Essen von Holmes und Watson (Gin & French) eingeht, spielt für die Handlung keine Rolle. Ein wenig gewundert hat mich aber, daß der Name des Wirtschaft ("The Swan") nicht übersetzt wurde und das "Gray's Inn" ganz unter den Tisch gefallen ist. Doch auch das hat keinen Einfluß auf das Verständnis des Geschehens. Was mich aber wirklich fasziniert, ist Gruppes Gabe, die ursprüngliche literarische Vorlage wesentlich zu verbessern. Wie der ursprüngliche Titel "The Paper Stamp", zu deutsch "Der Prägestempel" schon vermuten lässt, handelt es sich bei diesem Gegenstand um ein zentrales Objekt des Falles. Was sich bei McNeile ziemlich wirr und eher unverständlich liest, hat Titanias Hörspielskriptautor sauber und verständlich ausformuliert, was das Hörvergügen beträchtlich erhöht. Die Geschichte an sich ist eher unspektakulär, aber durch geschicktes Umstellen einiger Textpassagen bleibt sie immer spannend, und am Ende wundert man sich ein wenig, daß wirklich schon fast 69 Minuten vergangen sein sollen.
Ebenso gelungen wie das Skript, sind auch Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe. Allein schon die Geräuschkulisse ist atemberaubend realistisch. In der Baker Street wird mit der Zeitung geraschelt, beim gemeinsamen Teetrinken klimpert der Löffel in der Tasse, ein wärmendes Kaminfeuer prasselt leise vor sich hin, und das Hantieren mit Papieren klingt natürlich anders als das Auseinanderfalten der Versicherungspolice. Ebenso opulent ist auch der Ort des Geschehens, Ashington Manor, in Szene gesetzt. Der weitläufige Park ist mit dem Gesang diverser Vögel erfüllt, ein rufender Kuckuck ist zu hören, und ein leiser Wind streicht durch Bäume und Gräser. In der Dämmerung bekommt man dann diverse Vögel wie Eulen und Krähen zu Gehör. Besonders gelungen sind die Schrittgeräusche, anhand derer man als Hörer direkt weiß, ob sich die Protagonisten auf einem Kiesweg oder auf einer festen Straße befinden. Wie immer sind es aber die allerkleinsten Töne, die ein Titania-Hörspiel zum Erlebnis machen. Dazu zählt unter anderem das leise Klickern beim Ablegen der Giftprobe auf den Tisch, das Verrücken der Gläser auf selbigem, um ein wenig Platz zu machen, oder das Zuschnappen der Handschellen.
Mindestens ebenso beeindruckend fallen aber auch die musikalische Untermalung der einzelnen Szenen bzw. die Melodien dazwischen aus. Neben der Titelmelodie, die man schon fast als Erkennungszeichen der Serie ansehen kann, gibt es noch diverse Stücke, die mal harmonisch, mal geheimnisvoll ausfallen, je nachdem, was die Handlung gerade verlangt. Die einzelnen Weisen werden größtenteils mit zum Zeitcolorit passenden Instrumenten wie Geige, Klavier oder diverse weitere Streich- und Blasinstrumente intoniert. Aber auch der Synthesizer kommt zum Einsatz, wenn Bedarf an düsteren, teilweise bedrohlich wirkenden Sounds besteht. Daß die Titelmelodie zum Ausklang des Hörspiels noch einmal eingespielt wird, hat mir gut gefallen, zumal damit der Bogen zum Anfang geschlagen wird. Wie üblich bei Titania, gibt es hier keine Effekthascherei, lediglich ein wenig Hall wird eingesetzt. Das bringt mich auch zum einzigen, wenn auch kleinen Kritikpunkt.
Dieser Effekt, also dezenter Hall, ist nur am Ende des Hörspiels innerhalb des Labors zu hören, obwohl es zuvor bereits einen Besuch der Ermittler dort gab, allerdings ohne jeglichen Hall. Das finde ich ein wenig verwirrend und leider nicht konsequent.
Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) liefert mal wieder ein punktgenaus Portrait des launischen Meisterdetektivs, der nur wenig Geduld mit seinen Mitmenschen hat und entsprechend gereizt reagiert. Umso erstaunlicher ist es, daß er hier auch mal ein Lob für den Inspektor ausspricht. Seine Stimme klingt ein wenig heiserer als sonst, was entweder dem Alter oder einer Erkältung geschuldet ist. Detlef Bierstedt(Dr. Watson) wirkt frisch wie eh und jeh, und es macht viel Spaß, ihm dabei zuzuhören, wie er gegenüber Holmes versucht, ironisch zu sein, was an diesem abperlt wie Wasser an Marmor. Highlight seiner Darbietung ist für mich die Szene, als er stotternd und stammelnd versucht, die Sache mit dem Stock zu erklären. Regina Lemnitz(Mrs. Martha Hudson) spricht die Figur der älteren Haushälterin mit gewohntem Elan, und der Wechsel ihrer Stimmung von ehrlich empört zu völlig verwirrt, ist einfach eine großartige Leistung. Lediglich ihre Belehrung von Mr. Humber, über die begrenzte Zeit des Meisterdetektivs, ist meiner Meinung nach ein wenig zu übertrieben, da ich mir einfach nicht vorstellen kann, daß eine Frau ihres Ranges so mit einem Rechtsanwalt sprechen würde. Aber das ist nur mein Eindruck. Torsten Münchow(Alfred Humber) ist klasse als zögerlicher Rechtsanwalt, der sich nicht sicher ist, ob Holmes & Watson ihm wirklich helfen können. Innerhalb dieser Geschichte muss er eine ganze Bandbreite an Emotionen darstellen, von Erleichterung über Freude, hin zu Bedrückung und Enttäuschung. All dies macht er absolut souverän und stets glaubwürdig. Hörspielfans werden beim Namen der von Pascal Breuergesprochenen Figur (John Sinclair) sicherlich schmunzeln, doch es ist nicht so, daß Marc Gruppe dies als Anspielung gesehen haben möchte, denn der Charakter heißt auch bei McNeile so. Breuer überzeugt als junger Mann, den die Ereignisse erschüttert haben. Er wirkt trotz allem immer sehr zuvorkommend und überaus freundlich. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Thomas Balou Martin(Inspektor Durrant) in der Rolle des grummeligen, geradezu schnarrend klingenden Polizeibeamten. Zwar ist er, was den Fall betrifft, genauso ratlos wie sein Kollege Inspektor Lestrade, doch im Gegensatz zu diesem stets absolut hilfsbereit und erkennt Holmes detektivische Überlegenheit an. In zwei kleinen Nebenrollen tritt noch Marc Gruppe (Wirt/Meerschweinchen) auf, einmal als gefälliger Lokalbesitzer mit rauer Stimme, einmal als leise pfeifendes Kleintier.
Fazit:
Durchschnittlicher Fall, aber ein solider Eintrag innerhalb der Reihe.
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