Rezension: Gruselkabinett - 193 - Der Fall Yand Manor House

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 193 - Der Fall Yand Manor House

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Gruselkabinett - 193 - Der Fall Yand Manor House

Zum Inhalt:
Flaxman Low erhält überraschend Besuch von seinem Freund Monsieur Thierry, einem französischen Kritiker und Philosophen. Schon seit längerer Zeit versucht Low, den Franzosen von der Existenz übernatürlicher Ereignisse zu überzeugen. Aus diesem Grund lädt er ihn ein, ihn nach Yand Manor House zu begleiten, wo unheimliche Dinge geschehen. Zögernd willigt Thierry ein, ohne zu ahnen, was da auf ihn zukommt...

Zur Produktion:
Das vorliegende Hörspiel ist nach "Gruselkabinett (nachfolgend abgekürzt mit GK) 149 - Flaxman Low - Der Fall Teufelsmoor", "GK 155 - Flaxman Low - Der Geist von Baelbrow", "GK 167 - Der Fall Hammersmith" und "GK 179 - Flaxman Low - Der Fall Medhans Lea" bereits die fünfte Adaption einer Geschichte rund um den "Geisterjäger" aus der Feder von E. & H. Heron. Eigentlich heißt der englische Autor Hesketh Vernon Prichard (17.11.1876 - 14.06.1922). Das Pseudonym verweist darauf, daß er diese Erzählungen zusammen mit seiner Mutter Kate O'Brien Ryall Prichard verfasst hat. "The Story of Yand Manor House", so der englische Originaltitel, wurde erstmals 1898 im "Pearson's Magazine" veröffentlicht, bevor die Geschichte dann ein Jahr später in dem Sammelband "Ghosts: Being the Experiences of Flaxman Low" erneut abgedruckt wurde. Übrigens erschien 2009 eine von Barbara Roden verfasste Kurzgeschichte "The Things that shall come upon them", in der Flaxman Low zusammen mit Sherlock Holmes ein Spukhaus untersucht.
Doch zurück zum aktuellen Hörspiel. Hörspielskriptautor Marc Gruppe bleibt erneut extrem dicht an der literarischen Vorlage und hat nur wenige Änderungen vorgenommen. Dazu zählt unter anderem der Wechsel der Erzählperspektive von dritter zu erster Person. Auf diese Weise kommt der Figur Flaxman Low auch der Erzählerpart zu, so daß man sich als Hörer noch mehr mit ihm identifiziert. Ansonsten sind einige Füllsätze eingefügt worden, die dafür sorgen, daß die Dialoge sich natürlicher und weniger gestelzt als bei den Herons anhören. Neu sind unter anderem die Sätze "...die Unsterblichkeit der Seele akzeptieren", "Abwarten und Tee trinken.", sowie "Wie schmeckt der Spuk?". Überaus amüsant finde ich auch die originelle Beschreibung von Sir Gilbert als "Zur Unordnung neigender orthodoxer Wandermönch". Darüber hinaus hat Gruppe noch einige schmückende Adjektive hinzugefügt. Beispielhaft seien hier "feinstofflicher" und "samtene" genannt. Interessanterweise ist bei den Herons immer nur vom "Yand" die Rede, während Gruppe vom "Manor House" spricht, was für den deutschen Hörer einfach auch normaler klingt. Abgesehen von der Aufteilung einiger Sätze in Dialoge, gibt es noch ein paar erwähnenswerte Unterschiede. So hat Gruppe beispielsweise den vergeblichen Versuch Thierrys, ein Streichholz zu entzünden, ebenso weggelassen, wie den heutzutage rassistisch wirkenden Verweis auf den hochrangigen Chinesen mit den langen Fingernägeln. Neu hinzugekommen ist dagegen die zeitliche Verortung in den Frühling 1896 und das erweiterte Ende, in dem Thierry letztlich doch Flaxman Low Recht geben muss und die Existenz von "Geistern" akzeptiert. Daß der Skriptautor Sir Gilbert hier "vor 1800" und nicht, wie bei den Herons, "vor 1840" in Yand Manor House wohnen lässt, und dementsprechend die weiteren Zeitangaben (1802/3 statt 1842/3) ebenfalls abändert, spielt für die Handlung ebenso wenig eine Rolle, wie das Verlegen des Abendessens in den Garten, statt es bei Lady Blackburton stattfinden zu lassen, und wird nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Ich freue mich ja immer, wenn ich beim Hören auch etwas lerne, und das ist hier der Fall. Zwar wusste ich, daß Fingernägel und Haare nach dem Tod noch weiter wachsen können, aber daß dies ab und zu auch bei den Wimpern vorkommt, war mir bisher nicht bekannt.
Die Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe tragen viel dazu bei, dieses Abenteuer Flaxman Lows zu dem für mich bisher gruseligsten Fall zu machen. Für die Musik greifen die beiden hauptsächlich auf Streichinstrumente, den Synthesizer und das Klavier zurück. Schon zu Beginn des Hörspiels erklingen unheimliche Töne, die dann in eine sphärisch anumtende Weise und einen Choral übergehen. Darauf folgt eine harmonische Melodie, welche von einem melancholischen Klavierstück abgelöst wird. Gegen Ende hört man eine sich steigernde Abfolge von Tönen, bevor eine dramatische Orchestermelodie den Schluß des Hörspiels einleitet. Ebenso beeindruckend wie die musikalische Untermalung, fällt auch die Geräuschkulisse aus. In Flaxmans Arbeitszimmer pfeift der Wind durch die Ritzen, sein Blättern in einem Buch ist deutlich zu vernehmen, ein Kaminfeuer prasselt dezent vor sich hin, ein Stuhl wird verrückt, als es Tee gibt, wird mit dem Geschirr geklappert, und selbst das Abstellen der Tasse auf der Untertasse ist klar herauszuhören. Als Low und Thierry zum Yand Manor House kommen, krächzen die Krähen, die Pferde wiehern nervös, und selbstverständlich knarrt die Eingangstür vernehmlich. Im Esszimmer tickt eine Standuhr, im Garten des Anwesens zwitschern fröhlich die Vögel, während ein wenig Wind durch die Gräser streicht. Nachts sind dort Grillen und diverse Nachtvögel wie zB. eine Eule zu hören. Akustisches Highlight waren für mich aber die Töne, welche das Hörspiel so gruselig machen. Dazu zählen das unheimliche Atmen bzw. Stöhnen, die "schmatzenden" Laute und natürlich das Anheben des Sargdeckels. Wirklich gut gelungen sind auch die Ohrfeigen, welche Sir George erhält, das Entzünden des Streichholzes und der bedeutsame Herzschlag, den man gegen Ende hört. Für die Effekte haben Bosenius und Gruppe hauptsächliich Hall verwendet, der zu unterschiedlichen Zwecken zum Einsatz kommt. So wird beispielsweise der Text von Sir George mit leichtem Hall versehen, um zu verdeutlichen, daß seine Worte in der Vergangenheit gesprochen wurden, und in der Vorhalle von Yand Manor House hat man die Sprecher ebenfalls mit Hall sowie einem kurzen Echo unterlegt, um dessen imposante Größe akustisch zu verdeutlichen.

Zu den Sprechern:
Ich mag es ja, wenn wiederkehrende Figuren immer von denselben Sprechern intoniert werden. Das schafft nicht nur Vertrautheit, sondern sorgt auch für einen gewissen Wiedererkennungseffekt. Hier wird Flaxman Low, so wie in den vorangegangenen Folgen, von Rolf Berg gesprochen. Neben dem Intro fungiert er, wie bereits weiter oben angesprochen, auch als Erzähler. Berg wirkt jederzeit äußerst sympathisch, was dazu führt, daß man als Hörer noch mehr mit ihm mitfiebert und hofft, daß alles ein gutes Ende nehmen wird. Highlight seiner Darbietung ist die hervorragend gespielte Unbehaglichkeit, die er in dem Esszimmer empfindet und die schließlich in absolute Furcht mündet. Eine ebenso wiederkehrende Figur ist auch Flaxmans distinguierter Butler Wilkins, wie üblich verkörpert von Bernd Kreibich. Kreibichs leicht heiser klingende Stimme passt ausgezeichnet zu dem zuvorkommenden Domestiken, der sich für seine Unkenntnis der französischen Küche entschuldigt. David Berton(Monsieur Thierry) versieht seinen Text mit einem leichten französischen Akzent, der, genau wie seine etwas ungelenke Ausdrucksweise, vollkommen natürlich klingt. Es macht schon viel Spaß, Thierrys Wandlung vom amüsierten Skeptiker, bis hin zum bekehrten Geister-Gläubigen mitzuverfolgen. Besonders stark finde ich Berton, als er angeekelt ausspuckt und anfängt zu röcheln, als bekäme er keine Luft mehr. Wirklich gut gelungen ist sein Hochschrecken aus dem Schlaf, welches man nicht besser hätte spielen können. Eine top Performance liefert auch Peter Reinhardt(Sir George Blackburton), als älterer Besitzer von Yand Manor House ab. Man kann ihm förmlich anhören, wie sehr ihn die Ereignisse anstrengen und seine letzten Kräfte rauben. Wie wandelbar Reinhardt zu agieren in der Lage ist, wird später deutlich, als er aufgrund von Lows Ergebnissen beruhigt und erleichtert ist. In weiteren Rollen kommen noch die beiden Köpfe von Titania Medien, Marc Gruppe(Sir Gilbert Blackburton) als Vorfahr von Sir George und Stephan Bosenius(Kutscher) als kommandogebender Fuhrwagenlenker, zu Gehör.

Fazit:
Ca. 65 Minuten allerfeinste Gruselunterhaltung.

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