Ich kenne Ekkehard Knörer von Jump Cut. Er ist Herausgeber sowie Webmaster des Magazins und betreut den Bollywood-Schwerpunkt:
http://www.jump-cut.de/impressum.html
Der Mann ist schon sehr kundig, kein Zweifel, er verfehlt aber sowohl inhaltlich als auch und vor allem stilistisch oft meinen Geschmack. Er legt sein Hauptaugenmerk auf Formanalyse, wogegen grundsätzlich natürlich nichts einzuwenden ist, zumal Marco von
http://www.molodezhnaja.ch diese Aspekte etwas vernachläßigt. Unglücklicherweise driften seine Reviews bisweilen jedoch in den Stil der Feuillton-Opernbesprechungen im Hohlspiegel ab.
Beispiel:
http://www.jump-cut.de/backlist-reshmaaurshera.html
(oder auch
http://jumpcut.antville.org/ )
Sein Bollywood-Artikel in der Splatting Image ist aber noch recht lesbar.
Hier meine (etwas zu ausführliche) Meinung dazu:
Der Abriß über die Geschichte des indischen Films mit Schwerpunkt auf Bombay/Mumbai ist schon recht gut und berücksichtigt die wesentlichen Entwicklungen. Ich hätte mir noch eine Erläuterung des Ursprungs des für Indien so typischen, für westl. Zuschauer genresprengenden Masala-Films gewünscht. (Stichwort Navarasa) Darüber weiß ich nämlich selbst kaum etwas.
Mit seinem „Ästhetik“-Teil des Artikels habe ich einige Probleme. Wenn er z.B. vom „dominierenden Realismus des Westens“ im Vergleich zur „unbekümmerten Künstlichkeit“ des indischen Kinos spricht, dann kann ich dem so nicht zustimmen. Obwohl er das Verständnis von Bildersprache anspricht, berücksichtigt er nicht, daß wir ja auf das „Lesen“ der Hollywood-Bildersprache gleichsam geeicht sind, wodurch wir manch Realitätsfernes in westlichen Filmen gar nicht so sehr als solches erkennen. Bei Bollywoodfilmen fällt uns die Realitätsferne nur mehr auf, weil wir mit dieser Art von Erzählung und Bildersprache nicht sozialisiert sind. Obwohl er doch so betont gelehrt daherkommt, schafft er es nicht, seinen eigenen Blick auf die Filmwelten im Hinblick auf seinen kulturellen Hintergrund zu hinterfragen.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob seine Aussage, in indischen Filmen folge die Form nicht der Funktion, sondern verselbständige sich, nicht auch darunter fällt.
Die Auswahl seiner vorgestellten Filme ist aber gar nicht schlecht.
Mahal kann ich ebenfalls wärmstens empfehlen, der ist hinreißend trotz (oder gerade auch wegen?) seiner Obskurität, vor allem aber natürlich durch seine Bilder. Er fällt als Mystery-Drama u.U. auch in unseren Bereich. Für Bollywood-Unleidliche dürfte er aber wegen seiner überbordenden Musikeinlagen nur schwer verdaulich sein.
Wenn Knörer
Dilwale Dulhaniya Le Jayenge dem „zu dick aufgetragenen Bombast“ von
Kabhi Khushi Kabhi Gham vorzieht, kann mich mich ihm zwar nicht anschließen, aber er hat das indische Publikum dabei hinter sich, das diesen Film so sehr frequentierte, daß er 300 Wochen in den Kinos lief. Der Film ist ein Meilenstein und wegweisend für viele weitere Produktionen. Und selbstverständlich dürfen
Awara,
Mughal-E-Azam,
Mother India,
Sholay und
Lagaan in einer solchen Liste nicht fehlen.
Alle übrigen sind, denke ich, nach Geschmack ausgewählt: Ich würde
Mohabbatein nicht auf die Liste setzen (ich bin aber ohnehin kein allzu großer Aditya Chopra-Fan), dafür
Shaan als zweiten Ramesh Sippy-Film, und ich würde auch auf jeden Fall den einen oder anderen Film von Ram Gopal Varma vorstellen (z.B.
Company) und der Vollständigkeit halber auch einen von Karan Johar, sei es den inzwischen etwas abgedroschenen
Kabhi Kushi Kabhi Gham oder
Kuch Kuch Hota Hai (der sich, während ich ihn zwar nervtötend finde, jedoch großer Beliebtheit erfreut).
Main Hoon Na, das Erstlingswerk von Farah Khan, dürfte auf meiner Liste auch nicht fehlen, ein Film, den Knörer ja zutiefst verachtet.
Witzig finde ich die Zusammenstellung der Bollywood-Ikonen auf Seite 7: Shah Rukh Khan, Raj Kapoor, Madhubala und Fearless Nadia nebeneinander abzubilden ist so, als würde man für die westliche Filmwelt Brad Pitt, Clark Gable, Bette Davis und Ingrid Steger in einer Aufreihung versammeln.
![Razz :-P](./images/smilies/icon_grin.gif)