Rezension: Sherlock Holmes - 57 - Die vierte Flasche
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Rezension: Sherlock Holmes - 57 - Die vierte Flasche
Sherlock Holmes - 57 - Die vierte Flasche
Zum Inhalt:
Mrs Hudson und ihre Cousine Margery Mapleton wollen eigentlich mit zwei Herren in das angesagte Lokal "Pointed Shoe" gehen, haben ihren männlichen Begleitern jedoch ein falsches Datum genannt, so dass diese nicht erscheinen. Sehr zum Ärger von Sherlock Holmes bietet Dr. Watson an, daß sie beide doch stattdessen die Damen dorthin ausführen könnten.
Es folgt ein aufregender Abend, bei dem mehr passiert, als alle Beteiligten ahnen...
Zur Produktion:
Auch die vorliegende Geschichte, "The fourth Bottle", so der englische Originaltitel, basiert auf einer Kurzgeschichte des britischen Autors Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937). Wie schon bei den vorangegangenen Folgen, stammt auch sie aus dem 1936 erschienenen Sammelband "Ask Ronald Standish" und wurde, ebenso wie ihre Vorgänger, von Skriptautor Marc Gruppe zu einer Sherlock Holmes-Geschichte umgeschrieben. Diesmal musste Gruppe allerdings nur die Namen ändern, da hier keinerlei "moderne" Begriffe wie "Telephon" oder "Auto" fallen, welche nicht in das Viktorianische Zeitalter passen würden.
Dafür hat Gruppe die Handlung aber um etliche zusätzliche Dialoge erweitert. Kennern der Hörspiele dürfte schon das hinzugekommene Intro ein Schmunzeln entlocken, denn der "Tee-Gag" ("Watson, wollen Sie einen Tee?") bekommt hier eine neue Wendung. Ebenfalls neu ist die Vorgeschichte, warum Holmes und Watson überhaupt in das Lokal gehen, wie auch die anschließenden Gespräche zwischen Holmes, Watson, Mrs. Hudson und Margery Mapleton. Daß die Abfolge der Beschreibung der Lokalität sich ein wenig ändert, spielt ebenso wenig eine Rolle, wie die Tatsache, daß hier einige Sätze von anderen Figuren gesprochen werden als bei McNeile, und daß der Großteil des Erzählertextes in Dialoge umgewandelt wurde. Es hat mich ein wenig überrascht, daß Gruppe den Namen des Lokals nicht ins Deutsche übersetzt hat, aber so bleibt natürlich noch ein Hauch des "Britischen" erhalten. Sehr amüsant finde ich die Alternativen, die sich der Skriptautor für den Satz: "...the lady with him was one of those that the Greeks had a word for." ausgedacht hat. Diese reichen von der Umschreibung "Die Dame verdient ihr Geld im Liegen", bis hin zu "Liebesdienerin" und drastischeren Varianten, welche eher das gemeine Volk verwendet.
Daß die Rolle von Ronald Standishs Freundin Anne Dornoch hier unter den Tisch fällt, ist selbstverständlich, da Sherlock Holmes ja keine solche hat.
Ihr Text bleibt aber erhalten und wird stattdessen von Mrs. Hudson gesprochen. Interressanterweise hat Gruppe die Worte "Du Mörder!" in "Mörder...Mörder!" abgewandelt, vermutlich, um die Möglichkeit, es könne hier bereits vom Täter die Rede sein, ein wenig abzumildern. Warum jedoch aus Herrn Jacobstein "Herr Jacobstone" wurde, ist mir nicht ersichtlich, zumal der Mann für den Verlauf der Geschichte vollkommen uninteressant ist.
Da es, abgesehen von der Bakerstreet, nur einen Handlungsort gibt, mutet das Ganze schon fast ein wenig wie ein Kammerspiel an, mit dem Unterschied, daß hier sehr viel mehr Personen als üblich anwesend sind. Zwei Dinge haben mir bei Gruppes Skript besonders gut gefallen. Zum einen, daß das Motiv des Mörders sehr viel ausführlicher geschildert wird, und zum anderen, daß er sich die Mühe macht, auch die losen Enden, wie die Angelegenheit mit dem Taschentuch, plausibel zu erklären. Die neu hinzugekommene letzte Szene des Hörspiels wäre zwar nicht wirklich nötig gewesen, bietet aber einen harmonischen Ausklang für die bis dahin überaus spannende, oft humorvolle Geschichte. Mir haben die kleinen Streitereien zwischen den Protagonisten gut gefallen, und so manches Mal musste ich laut lachen, wenn beispielsweise Mrs Hudson mal wieder versucht, ihre quirlige Cousine zu bremsen. Für mich ist dieses überaus gelungene Hörspielskript ein weiterer Beleg für Marc Gruppes Sorgfalt bei der Erstellung und für sein schriftstellerisches Talent.
Obwohl der Großteil des Hörspiels nur in dem Lokal "Pointed Shoe" stattfindet, haben es sich die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe nicht nehmen lassen, auch wieder eine Vielzahl an Melodien und Geräuschen einzubauen. Neben der Titelmusik, welche mit Geige und Klavier eingespielt ist, gibt es noch weitere Stücke, die mit diesen Instrumenten intoniert wurden. So ertönt kurz vor dem Lokalbesuch eine heitere Geigenmelodie, im "Pointed Shoe" spielt eine Kapelle unter anderem einen Walzer, abgelöst von einem Stück mit Geige und Harfe, und zum Abschluß gibt es noch eine Klaviermelodie, bei der auch ein Gong zum Einsatz kommt. Die wabernden und teilweise düsteren Töne stammen dagegen vom Synthesizer.
Ebenso abwechslungsreich wie die musikalische Untermalung, fällt auch die Geräuschkulisse aus. In der Bakerstreet raschelt Holmes mit der Zeitung, bevor er sich mit einem Streichholz eine Pfeife anzündet. Tassen klirren leise, wenn sie auf den Untersetzer gestellt werden, und die Tür könnte ein wenig Öl vertragen. Innerhalb des Lokals hört man die zahlreichen Besucher reden und lachen, während im Hintergrund die Tanzkapelle zu hören ist. Beim Aufstehen und Hinsetzen werden die Stühle gerückt, und als Inspektor Lestrade sich Notizen macht, vernimmt man deutlich das Kratzen des Stifts auf dem Papier. Effektetechnisch ist die Kabbelei zwischen Mrs. Hudson und ihrer Cousine leiser eingespielt, um auf die Entfernung zum Hörer und die geschlossene Tür, hinter der die Auseinandersetzung stattfindet, hinzuweisen. Immer mal wieder im Hintergrund zu hören ist außerdem das penetrante Gelächter von John Forfar.
Zu den Sprechern:
Anfangs ist Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) ja noch amüsiert, aber als er Watson Vorschlag hört, stöhnt er vernehmlich und verärgert auf. Seine Übellaunigkeit drückt er mit knurrendem Gegrummel aus, denn erst als er sich mit dem Fall beschäftigt, bessert sich sein Laune. Detlef Bierstedt(Dr. Watson) als sein treuer Freund und Begleiter, ist wie immer absolut liebenswert. Es ist einfach schön, wie er jeweils versucht, die Wogen zu glätten und sich dabei sogar gegen Holmes durchsetzen kann. Wie schon erwähnt, sind die Kabbelein zwischen Regina Lemnitz(Mrs. Martha Hudson) und ihrer Cousine Philine Peters-Arnold(Margery Mapleton) das humoristische Salz im Hörspiel. Lemnitz spielt dabei die resolute Hauswirtin, die sich nicht scheut, auch gegenüber Dr. Watson mal einen scharfen Ton anzuschlagen. Aber da sie wie dieser nichts von Inspektor Lestrade hält und diesen ebenso harsch angeht, relativiert sich das wieder. Philine Peters-Arnold steht Frau Lemnitz in nichts nach, auch wenn sie ganz anders agiert. Mit ihrer leicht schrillen Stimme und dem ein wenig gewöhnlichen Verhalten, ist ihre Rolle quasi der Gegenpol zu Mrs. Hudson, auch wenn sie genauso schnippisch sein kann. Manfred Liptow(Captain Coombe) ist toll als ehemaliger Offizier, dem das Lokal gehört. Er ist ganz der Gentleman, der sich mit guter Laune um seine Gäste kümmert, aber selbige auch zur Ordnung rufen kann. Sehr gut gefallen hat mir auch Patrick Bach(John Forfar) in der Rolle des angetrunkenen Großkotzes, der sich nicht zu benehmen weiß und stattdessen immer weiter Alkohol runterkippt. An seiner Seite spielt Eva Michaelis(Leichtes Mädchen), der es gelingt, konstant billig und ordinär zu klingen.
Ganz im Kontrast dazu steht Christian Stark(Anthony "Tony" Elgin), der sich in Forfars Frau verliebt hat, dabei jedoch immer ein Ehrenmann bleibt, und dessen Wutausbrüche genauso schnell verfliegen, wie sie gekommen sind. Er agiert derart glaubwürdig, daß seine spätere Verlegenheit auch den Hörer in selbige bringt. Sprecherisches Highlight ist für mich aber Jean Paul Baeck(George Parsons) im Part des kränklichen Kellners, der seinen Text, unterbrochen von Keuchen und Husten, schwer atmend mit heiserer Stimme spricht. Lutz Reichert(Inspektor Lestrade) füllt seine Rolle wie gewohnt aus. Er ist stets bemüht, zieht aber wie üblich triumphierend die falschen Schlüsse, nur um am Ende betreten seine Denkfehler einzugestehen. In diesem Hörspiel hat er jedenfalls nur vor zwei Personen Respekt: dem Meisterdetektiv mit seinem scharfen Verstand und Mrs. Hudson mit ihrer scharfen Zunge.
In weiteren Nebenrollen sind noch der unlängst verstorbene Peter Weis(Oberkellner Louis) als zuvorkommender Chef der Servicekräfte, Bodo Primus(Mr. Tracy) in der Rolle des älteren Weinhändlers, der sich bemüht, alle zufriedenzustellen und sich dabei auch gern mal wiederholt, und Regine Lamster(Sheila Forfar) als vor Aufregung keuchende Ehefrau zu hören. Nicht unerwähnt lassen möchte ich Marc Gruppe(Sergeant) in der Rolle des beflissenen Polizeibeamten.
Fazit:
Fast 73 Minuten nur in einem Raum? Kann das aufregend sein? Nun, es ist nicht nur spannend, sondern auch überaus amüsant!
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